Liams Mutter fand den Weg zu den Verwaisten Eltern. Ein Verein, der Trauernden in ihrem Schmerz Trost und Halt gibt

Drei Monate nach dem Tod ihres kleinen Jungen suchte seine Mutter Halt, Kraft und Trost bei den Verwaisten Eltern. "Eine Freundin hatte für mich dort angerufen", erzählt sie, "und mir Mut gemacht, mich endlich dort einmal zu melden." Sie tat es und ist unendlich dankbar.

Liam starb mit fünfeinhalb Jahren. Unter Tränen erzählt sie: "Am Freitag, dem 29. Februar 2008, blieb für uns die Zeit stehen. Es gibt seitdem ein Leben davor und eines danach. Liam war doch nur erkältet gewesen, genau wie sein älterer Bruder. Dennoch machte ich mir besonders um Liam große Sorgen. Dreimal ging ich innerhalb weniger Tage zum Kinderarzt. Dort wurde ich beruhigt. Doch in den frühen Morgenstunden des 29. Februar verlor Liam das Bewusstsein. Sofort riefen mein Mann und ich den Rettungswagen. Im Krankenhaus wurde die Diagnose gestellt: Sinusvenenthrombose. Das heißt, dass das Blut in den Kopf hineinfließt und nicht mehr durch die Vene abfließen kann, weil sie verstopft ist. Eine bei Kindern ganz seltene Erkrankung. Wenige Stunden später war Liam hirntot. Am 3. März 2008 wurde unser Kind für tot erklärt. Unfassbar, ein Albtraum für mich und meine Familie."

"Die Mutter von Liam macht sich auch deshalb auf den Weg zu den Verwaisten Eltern, weil sie dort Trost allein schon durch die Anwesenheit anderer trauernder Mütter und Väter erfährt, weil die Anerkennung der Untröstlichkeit der Trost ist, den sie erhält und gibt", sagt Anja Wiese, die viele intensive Gespräche mit Liams Mutter geführt hat. Anja Wiese, die seit 16 Jahren Trauerbegleiterin ist und Leiterin der inhaltlichen Arbeit bis zum 1. Februar dieses Jahres war. Sie sagt:

"Erst mit der bedingungslosen Anerkennung der Untröstlichkeit kann sich Trauer verändern, verwandeln und sich allmählich wieder mit dem Leben im Hier und Jetzt verbinden - das erlebt auch Liams Mutter." Wichtig ist ihr, dass andere trauernde Familien und die Gesellschaft auf die Möglichkeit der Trauerbegleitung bei den "Verwaisten Eltern und Geschwistern" aufmerksam werden. Nur deshalb macht sie den Schritt in die Öffentlichkeit. Anja Wiese: "Der Tod von Liam fordert jetzt die ganze Lebenskraft der Eltern. Der Trauerweg ist nicht ohne Schmerzen, nicht ohne Leiden, nicht ohne Arbeit. Aber jeder neue Schritt birgt Hoffnung, Neuanfang und Heilung in sich. Wer seine Wunden nicht spüren will, der wird sie nicht heilen. Unser seelisches Erleben lässt auf Dauer kein Verdrängen zu. Verdrängtes Leiden wird als unbewusstes Leiden unser Leben begleiten und verstärkt unser Denken, Fühlen und Handeln, weil es von uns nicht gestaltbar ist."

"Die Aufgabe der Lebenden ist es", so Anja Wiese eindringlich, "an die Verstorbenen zu erinnern, und nicht, sie zu vergessen. Und es ist die kräftezehrende Aufgabe von Trauernden, sich mit der Erinnerung den Lebenden, dem Leben zuzuwenden."

Dem großen Bruder von Liam widmen die Eltern viel Zeit und Aufmerksamkeit. "Er besucht eine Gruppe für trauernde Kinder bei den Verwaisten Geschwistern und kann so lernen, mit seinem großen Verlust und seinen trauernden Eltern zu leben", so die Mutter.

"Die Aufgabe der Mitmenschen in den Beziehungswelten der Trauernden ist es, sie in ihren Trauer- und Veränderungsprozessen geduldig und wertfrei zu unterstützen", sagt Anja Wiese, "bei den Verwaisten Eltern erleben sie, als Sehnende und Suchende, als Verunsicherte und Verzweifelte wahrgenommen zu werden und Heimat zu finden, im Sinne von beheimatet und geborgen. Wir haben deshalb einen Traum", sagt Anja Wiese, "ein eigenes Haus für die Verwaisten Eltern. Wir brauchen mehr Räume, sind seit Langem auf der Suche, können es aber aus den Vereinsmitteln nicht finanzieren. Da unsere Mieträume im zweiten Stock liegen, ohne Fahrstuhl, können schwerbehinderte trauernde Menschen unsere Angebote nicht wahrnehmen. Unsere Bibliothek platzt aus den Nähten. Mit über 900 Titeln zum Themenkreis Sterben - Tod - Trauer - Leben ist sie die größte Fachbibliothek in Deutschland und auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

Liebe Leser, der Verein Verwaiste Eltern verdient jede Unterstützung. Die so wichtige Arbeit wird ohne kontinuierliche staatliche Förderung durch Mitgliedsbeiträge, Kollekten und Spenden finanziert. Zum Jubiläum wäre es ein besonderes Geschenk, Spenden zu erhalten (Ev. Darlehnsgenossenschaft eG, Konto 34 64 54, BLZ 210 602 37), viele neue Mitglieder zu begrüßen (Infos s. unten) und vielleicht sogar den größten Traum erfüllt zu bekommen - ein eigenes Haus. "Jede Form der Unterstützung", so Anja Wiese, "hilft unseren vielen Trauernden in dem Leben nach und mit der Tragödie."