52 Stadtteilschulen bieten in Hamburg das Abitur in 13 Jahren an. Noch mangelt es jedoch an Fachräumen und auch an Gymnasiallehrern.

Hamburg. Der gute Wille ist da. "Wir werden mit Kraft die neue Schulform Stadtteilschule voranbringen", sagt Schulsenator Dietrich Wersich (CDU). Die 52 Stadtteilschulen, die seit August des vergangenen Jahres unter diesem Namen arbeiten, haben sich ein einheitliches Leitbild unter dem Motto "Vielfalt ist Reichtum" gegeben. Das ist nicht selbstverständlich, denn unter dem neuen Dach haben sich ehemalige Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Aufbau-Gymnasien zusammengefunden.

So weit die Theorie. Die Praxis ist, wie immer, etwas komplizierter. Experten befürchten, dass sich das spezielle Angebot der neuen Schulform - unter anderem Abitur in 13 statt in zwölf Jahren - noch nicht bis in alle Familien herumgesprochen hat. "Viele Eltern denken immer noch, nur das Gymnasium führe zum Abitur", sagt Wersich. Mit 400 Plakaten, die von heute an zu sehen sind, will die Schulbehörde für die Stadtteilschule werben. Die Zeit drängt: In der Woche vom 1. bis zum 7. Februar entscheiden die Eltern der Viertklässler, welche weiterführende Schule ihr Kind besuchen soll.

Es geht nicht nur um mehr Information, es gibt auch hausgemachte Probleme. "Die zentrale Schwierigkeit ist, dass die Schulbehörde relativ wenig Vorarbeit geleistet hat", sagt Claus Dieter Metzner, Sprecher der Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen (GEST). Noch immer fehlten die Bildungspläne für die neue Schulform.

"Viel wichtiger ist aber, dass die neuen Stadtteilschulen große Anlaufschwierigkeiten haben", sagt Metzner. Die Standorte, die aus Haupt- und Realschulen hervorgegangen seien, seien zum Teil noch nicht ausreichend mit Fachräumen versorgt. Stadtteilschulen mit mehreren Standorten hätten zudem das Problem, dass Schüler und Lehrer "wandern" müssten, weil zum Beispiel Physiklabore nur an einem Standort eingerichtet werden könnten. Metzner bringt die Problematik auf den Punkt. "Zu Beginn des Schuljahres hatte die damalige Schulsenatorin Christa Goetsch gesagt: Für die Stadtteilschulen wird alles besser." Jetzt heiße es aus der Behörde, es gebe kein zusätzliches Geld.

Die Stadtteilschulen setzen auf individuelle Förderung der Schüler mit unterschiedlichen Begabungen. Deswegen sind in den Klassen fünf und sechs höchstens 23 Kinder, in den Klassen sieben bis zehn höchstens 25 Kinder. "Alle Stadtteilschulen wollen langfristig Ganztagsschulen werden", sagt Wersich. Und die Schulen, an denen alle Bildungsabschlüsse gemacht werden können, legen einen besonderen Wert auf Berufsorientierung mit einem Lernfeld "Arbeit und Beruf" von Klasse acht an. Der Unterricht in den Oberstufen ist mit dem an Gymnasien identisch.

Die Schulleiter der Stadtteilschulen sehen Probleme bei der personellen Versorgung einzelner Standorte. "Es gibt einen Run auf Schulen in der Stadtmitte, Schulen in Randlage haben es schwerer", sagt Johannes Paustenbach, Leiter der Stadtteilschule Niendorf. Es gebe Standorte mit zu wenig Gymnasiallehrern. "Lehrer gehen eher an Leuchtturmschulen", weiß auch GEST-Sprecher Metzner.

"Die Behörde muss ein neues Anreizsystem schaffen, damit Kollegen auch in vermeintlich unattraktive Gegenden gehen", sagt Barbara Riekmann, Leiterin der Max-Brauer-Schule in Bahrenfeld. Die Schulen schreiben ihre Stellen selbst aus und besetzen sie in Abstimmung mit der Behörde. "Das ist kein Steuerungsinstrument", sagt Riekmann. Ein erster Schritt sei, dass die acht ehemaligen Haupt- und Realschulen zusätzlich zwei A-14-Stellen (entspricht einem Oberstudienrat) erhalten haben, was einen Anreiz schaffe, sich dort zu bewerben.

Der SPD-Bildungspolitiker Ties Rabe wirft dem Senat vor, den Start der neuen Schulform verschlafen zu haben. "Die Stadtteilschule bleibt ein Zukunftsvorhaben, das den Kindern große Chancen eröffnet - trotz der aktuellen Schwierigkeiten, die schnell beseitigt werden müssen", sagt Rabe.