Die Behörde für Schule und Berufsbildung will für die individuelle Förderung lernschwacher Schüler künftig nur 48 Euro pro Jahr ausgeben.

Hamburg. Die Behörde für Schule und Berufsbildung will zukünftig jeden Schüler, der die Leistungsanforderungen in einem oder mehreren Fächern nicht erfüllt, mit 48 Euro pro Jahr fördern. Der Betrag wurde im Zuge des Konzepts "Individuelle Förderung statt Klassenwiederholung" festgelegt. Das Konzept, das im Zuge der Schulreform im vergangenen August beschlossen worden ist, sieht vor, dass Schüler in Hamburg bis zur zehnten Klasse nicht mehr sitzen bleiben können und bei Bedarf besonders gefördert werden sollen. Bis zur zehnten Klasse soll es in Zukunft kein Sitzenbleiben und keine Umschulungen mehr geben.

Aus einem Schreiben der Schulbehörde an alle Schulleitungen der staatlichen allgemeinbildenden Schulen, das dem Abendblatt vorliegt, geht hervor, dass künftig jede Schule dafür pro zu förderndem Schüler eine zusätzliche Wochenarbeitszeit von 0,045 Stunden erhalten soll. Das entspricht einem Betrag von 48 Euro pro Jahr.

FDP-Bildungsexpertin Anna von Treuenfels bezeichnet diese Summe als "schlechten Witz für jeden Schüler, der gefördert werden muss". "Das ist kein Fördermodell, sondern ein skandalöses Einsparmodell", so die Bürgerschaftskandidatin. Von Treuenfels befürchtet, dass das Modell auf Kosten der Kinder gehen werde. Nach Berechnungen der FDP-Politikerin spart die Behörde durch das neue Fördermodell künftig rund 4,3 Millionen Euro pro Jahr ein. "Jeder Schüler, der eine Klasse wiederholen muss, kostete die Stadt bislang 6000 Euro pro Jahr. Im Schnitt rechnet man bei 12 000 Schülern pro Jahrgang mit zwei Prozent Sitzenbleibern." Das seien bei drei Jahrgängen, der dritten, vierten und siebten Klasse, 720 Schüler, die künftig mit je 48 Euro pro Jahr gefördert werden sollen. Für die FPD-Politikerin ist das ein "echter Skandal". Frau Goetsch habe das Fördermodell weder konzeptionell vorbereitet noch vernünftig organisiert. "Jedes Elternteil weiß, dass von 48 Euro pro Jahr keine vernünftige Nachhilfe organisiert werden kann." Herr Wersich versuche in letzter Minute vor der Wahl mit diesem unterfinanzierten Modell nachzubessern. Die beschlossene Maßnahme bezeichnete von Treuenfels als "betriebswirtschaftliche Konsolidierung" und "Kostenersparnis". "Sie dient jedoch nicht der Schaffung qualifizierender Bildungsstandards, welcher einer Großstadt mit internationaler Ausrichtung und gehobenem Arbeitskräftebedarf angemessen wäre." Ein solches "Durchschieben" in die nächste Klassenstufe verschiebe das Problem nur in den Arbeitsmarkt.

Die Schulbehörde rechtfertigt die Summe wie folgt: "Wir gehen davon aus, dass eine Schule eingreift, bevor es zu einem extremen Leistungsabfall eines Schülers kommt", sagt Sprecherin Jasmin Eisenhut. Dann könne durch frühzeitige Förderung Schlimmeres verhindert werden. "Viele Schulen verfügen bereits über Konzepte, um Klassenwiederholungen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Sie wissen: Oft reicht eine kurze, aber intensive Förderung aus. Das neue Konzept soll diese bestehenden Förderangebote ergänzen. Dabei könne die Förderung auch in kleinen Gruppen durchgeführt werden, um den leider begrenzten Kapazitäten gerecht zu werden.