Das Hamburger Schanzenviertel blieb gewaltfrei, weil an jeder Ecke Polizeibeamte und zudem Wasserwerfer standen.

Sternschanze. Spätestens als sogar Zivilpolizisten, die sich unter die Szene gemischt hatten, von herumirrenden Protestlern gefragt wurden, "wo kann denn vielleicht noch was gehen", konnte die Polizei sicher sein, dass sie auf dem richtigen Weg war. Mit ihrer massiven Präsenz im Schanzenviertel und auf der Strecke der beiden angemeldeten linken Demonstrationen, die sich gegen die Herbsttagung der Innenminister diese Woche in Hamburg richteten, hatte sie die befürchteten Ausschreitungen fast komplett verhindern können.

"Das Einsatzkonzept der Polizei ist aufgegangen", bilanzierte Innensenator Heino Vahldieck (CDU). "Lediglich nach Demonstrationsende haben einige wenige gemeint, sie müssten durch Sachbeschädigungen und Feuerlegungen auf sich aufmerksam machen."

Wie effektiv die Polizei vorging, zeigte sich nicht zuletzt zum Ende des zweiten Demonstrationszuges. Kurz vor 20 Uhr hatte sich der Block der knapp 1900 schwarz Gekleideten in der Schanzenstraße verkeilt. Eingekesselt von Bereitschaftspolizisten in Einsatzmontur blieb den linken Demonstranten nur noch, ein paar Böller und Silvesterraketen zu zünden. Kurz darauf löste der Veranstalter den Aufzug vorzeitig auf. Er habe nicht mehr garantieren können, dass die Auflagen der Polizei eingehalten würden.

Grüppchenweise wurden die Demonstranten daraufhin aus der Polizeikette in das bereits zum "Kontrollgebiet" ausgerufene Schanzenviertel entlassen. Da herrschte Ruhe im ansonsten quirligen Stadtteil. Von Aufstand keine Spur. Die Restaurants auf der Piazza waren voll, doch kaum Partygänger auf den Straßen. Mit einem Unterschied: An jeder Häuserecke, in jeder Gasse, auf jeder Kreuzung standen Polizisten, die Wasserwerfer nicht weit geparkt. Die Präsenz der Ordnungsmacht war allgegenwärtig.

Während es im Schanzenviertel ruhig blieb, tobten sich einige enttäuschte Randalierer in benachbarten Stadtteilen aus. 19 junge Erwachsene kamen in Gewahrsam, nachdem nahe dem Fischmarkt Reifen auf einer Straße angezündet, in Ottensen ein Lieferwagen beschmiert, die Scheibe einer Sparkasse eingeschlagen und Bundespolizisten am Bahnhof Altona mit Böllern beworfen worden waren.

Gleich zu Beginn der Demo, die am Valentinskamp startete, waren zudem Scheiben am Axel-Springer-Verlagshaus und am Gebäude der Staatsanwaltschaft mit Steinen eingeworfen worden. Dennoch ist die Bilanz im Vergleich zu den vergangenen Schanzenfesten und Mai-Krawallen überaus positiv. Verletzte gab es nicht.

"Unsere Taktik war nicht großartig neu", sagte Polizeisprecher Mirko Streiber. Man habe im Vorfeld mit massiven Ausschreitungen gerechnet und daran das Vorgehen ausgerichtet: An heiklen Punkten, wie der Sparkasse in der Schanze - die sonst regelmäßig "entglast" wurde, diesmal verschont blieb - seien noch vor Ende der Demo Gruppen von 15 bis 20 Beamten postiert worden. "So waren wir fast überall präsent." Dass es nicht zu größeren Ausschreitungen kam, sei auch der "Besonnenheit" der Polizisten zu verdanken. "Sie haben sich auch von Flaschenwürfen nicht provozieren lassen", so Streiber. Insgesamt waren in der Nacht zum Sonntag mehr als 2000 Polizisten im Einsatz, fast die Hälfte von ihnen kam aus anderen Bundesländern. Viele waren in dieser Woche schon beim Castortransport im Wendland im Einsatz.

Nicht ganz so erfolgreich wie im Schanzenviertel war die Polizeiarbeit allerdings bei der ersten Demo am frühen Sonnabendnachmittag: Da hatte sich der Aufzug auf seinem Weg vom Hauptbahnhof zum Speersort früher als geplant aufgelöst. In Kleingruppen lieferten sich die Demonstranten daraufhin ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Unter anderem wurde ein Pelzgeschäft in der Innenstadt mit Farbe beschmiert.

"Die Strategie der Deeskalation durch Stärke kann nur aufgehen, wenn man genug Einsatzkräfte mobilisieren kann. Das war hier auch dank der großen Unterstützung anderer Bundesländer der Fall", sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel. "Gerade angesichts der dramatischen Belastung durch die vorangegangen Castor-Einsätze, bei denen viele Einheiten an ihre psychischen und physischen Grenzen gegangen sind", müsse den Beamten Dank ausgesprochen werden. Kritischer äußerte sich die GAL: "Es hat sich zum Glück gezeigt, dass die vorausgesagten massiven Krawalle ausgeblieben sind", sagte die Innenexpertin der Grünen, Antje Möller. "Die Sinnhaftigkeit der öffentlichen Beschreibung eines Gewaltszenarios im Voraus stelle ich aber grundsätzlich infrage. Unaufgeregtere öffentliche Äußerungen hätte ich hilfreicher gefunden."