Rilwan C. muss nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg in die Psychiatrie. Der 24 Jahre alte Täter kommt womöglich nie wieder auf freien Fuß.

Hamburg. Regungslos, fast apathisch sitzt Rilwan C. da. "Wir können Sie nicht als tickende Zeitbombe durch die Gesellschaft laufen lassen", hat der Vorsitzende Richter ihm gerade gesagt. Ihm, dem Angeklagten im sogenannten Taximörder-Prozess . Ihm, der am 14. Januar dieses Jahres den Wedeler Taxifahrer Peter L., 58, kaltblütig und heimtückisch mit drei Kopfschüssen umbrachte. Ins Gefängnis kommt der Mörder laut Urteil nun nicht. Stattdessen wird er wegen "Steuerungsunfähigkeit" dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Rilwan C. sei paranoid-schizophren und eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit.

Gestern, kurz vor 10 Uhr, im Strafjustizgebäude des Landgerichts Hamburg: Im Saal 237 schützt Rilwan C. sein Gesicht mit einem weißen Stoff vor den Foto- und Filmkameras der anwesenden Journalisten. "Zu feige ist die Sau, zu feige, den Leuten seine Fresse zu zeigen!", raunt einer der knapp ein Dutzend Besucher im Zuschauerbereich empört. War die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden, so dürfen nun bei der Urteilsverkündung Zuschauer dabei sein. Jetzt soll die Urteilsverlesung beginnen. Die Kameraleute werden hinausgeschickt, der Angeklagte nimmt den Stoff von seinem Kopf, streicht sein blassblaues Hemd glatt. Dunkle Haare hat er, müde Züge, einen fusseligen Bart und einen leeren Blick. Wenige Minuten später hören Rilwan C. und die übrigen Anwesenden vom Vorsitzenden Richter die Urteilsbegründung: "Dieser Tod war vollkommen sinnlos", sagt der grauhaarige Mann in beinahe pastoralem Tonfall, "diese Tat hätte jeden von uns treffen können."

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Der Vorsitzende Richter lobt zunächst die "Tapferkeit" des jüngsten Sohnes Peter L.s, der jeden Prozesstag als Nebenkläger anwesend gewesen sei. Dann kommt der Richter auf Rilwan C.s verkorkste Lebensgeschichte zu sprechen: "Aus schwierigen Verhältnissen" stamme C., dessen Familie zum Teil in Sri Lanka lebt. Die Eltern: getrennt. Schulwechsel: fünf. Kein Abschluss. Mehrere Aufenthalte in Kinder- und Jugendpsychiatrien. Und vor allem jede Menge Erfahrungen in Sachen Alkohol, Drogen, Straftaten: Einen Jugendlichen hat Rilwan C. mal fast erwürgt, einem anderen eine Schere in den Bauch gerammt. "Gangster" wollte er werden. Er, dem Gutachter einen IQ-Wert von 68 ausstellten - was landläufig als schwachsinnig gilt. Die Betreuer, die mit ihm arbeiteten, waren heillos überfordert. Sie wollten ihn in ein Projekt nach Namibia abschieben, weil sie ihn nicht kontrollieren konnten.

Die meisten Zuhörer blicken zu Boden, hören konzentriert zu. Manche schütteln den Kopf, als der Richter sagt, dass Rilwan C. sich nach dem Tod seines Vaters im März 2004 ganz dem Islam zugewandt habe, dem radikalen: "Er wollte Ungläubige töten, um in den Himmel zu kommen." Offenbar erging C. sich immer mehr in wilden Gewaltfantasien: Gegen die ihn angeblich bedrohenden "ungläubigen Feinde" hat er sich in der Schweiz Waffen und Munition besorgt, Tiere gequält und geplant, im Volkspark "Omas" zu vergewaltigen und zu töten. Rilwan C. spann schon vor Jahren davon, Taxifahrer an einen einsamen Ort zu locken, sie auszurauben, sie umzubringen.

Am Abend des 14. Januar macht Rilwan C. ernst: Er steigt an der S-Bahn-Station Blankenese zu Peter L. ins Taxi, lässt sich in die Christian-F.-Hansen-Straße in Nienstedten fahren - und schießt Peter L. dort ohne Vorwarnung dreimal von hinten in den Kopf.

"Imperative Stimmen hätten ihm befohlen: 'Drück ab!'", sagt der Richter zu C.s Motiv, das somit nicht in Habgier liege. "Geschossen habe Allah." Schließlich wendet sich der Richter direkt an Rilwan C.: "Womöglich werden Sie Ihr Leben lang in einem psychiatrischen Krankenhaus verbleiben."

In jedem Fall ein Leben lang mit der Tat beschäftigen würden sich die Angehörigen, sie seien "gravierend traumatisiert", meint nach der Sitzung Kristina Erichsen-Kruse, die stellvertretende Hamburger Landesvorsitzende der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Sie fragt: "Wie kann es sein, dass der Verurteilte bei dieser 'Karriere' erst jetzt vor Gericht stand? Wäre der Mord an Peter L. vermeidbar gewesen?"

Die meisten Stimmen begrüßen das Urteil hinterher: "Erwartbar" nennt es Thomas Hansen-Siedler, Anwalt des jüngsten Sohnes des Opfers, des Nebenklägers. Dieser, so der Anwalt, wolle sich nun mit der Familie des Täters zusammensetzen. "Das Urteil macht einen vernünftigen Eindruck", findet Hans-Jürgen Maass, ehemaliger Taxi-Unternehmer und Bekannter Peter L.s. Hingegen sagt Jörn Napp, selbst seit rund drei Jahrzehnten Taxifahrer: "Ich wollte den Kerl im Knast sehen." Napp ergänzt: "Ich fordere eine flächendeckende Videoüberwachung in allen Hamburger Taxis." Ob die denn wirklich ein Schutz gegen tickende Zeitbomben wie Rilwan C. sein könne? "Kein garantierter", sagt Jörn Napp, "aber man muss alles tun, damit es einen Fall wie den von Peter L. nie wieder geben wird!"