Vorsitzender sagt: “Es tut uns leid.“ Er und der Verteidiger kritisieren die Arbeit der Ermittlungsbehörden.

Es fehlte nicht viel, und der Mann hätte eine mehrjährige Haftstrafe bekommen. 131 Tage lang saß Stanislav L., mutmaßliches Mitglied der sogenannten Rolex-Bande, in Untersuchungshaft, vier Wochen lief der Prozess gegen den 37-Jährigen. Und nun der glatte Freispruch, weil der Angeklagte nachweislich nicht der Täter sein kann. "Dies herauszufinden, ist eigentlich Aufgabe der Ermittlungsbehörden, nicht des Gerichts", kritisierte der Vorsitzende Richter gestern die Arbeit der Polizei. Und sagte, an Stanislav L. gewandt: "Sie haben unschuldig in Untersuchungs- und Auslieferungshaft gesessen. Das tut uns leid." Verteidiger Ulf-Diehl Dreßler sagte: "Die Unschuld des Angeklagten hätte bei weniger schlampiger Arbeit der Polizei schon vor Jahren feststehen können."

Der gebürtige Este war angeklagt, am 30. August 2004 an einem spektakulären Überfall auf einen Juwelier am Neuen Wall beteiligt gewesen zu sein. Dabei wurden Luxusuhren im Wert von rund 36 000 Euro erbeutet. Drei Täter hatten einen Wachmann niedergeschlagen, Kunden und Angestellte mit einer Waffe bedroht. Zwei der Männer waren schnell gefasst. Bei ihnen wurde eine Jacke gefunden, die der dritte Täter getragen hatte und an der sich DNA-Spuren des Angeklagten fanden. Zudem hatte ein Zeuge kurz vor dem Überfall zufällig ein Foto von den Tätern gemacht. Eine Gutachterin hatte bescheinigt, dass der Angeklagte mit "hoher Wahrscheinlichkeit" der Mann auf diesem Foto sei.

Doch Stanislav L. hatte stets seine Unschuld beteuert und angegeben, er sei drei Tage vor der Tat mit dem Bus nach Estland gefahren. Die Ermittlungsbehörden hatten daraufhin telefonisch bei dem Busunternehmen angefragt, ob es Passagierlisten gebe. Dies wurde seinerzeit verneint. Jetzt hatte das Gericht noch einmal schriftlich bei dem Busunternehmen nachgefragt. Dabei kam heraus, dass sehr wohl Passagierlisten bestehen. Aus denen geht eindeutig hervor, dass der Angeklagte drei Tage vor dem Raub aus Hamburg abgereist war. Ferner konnte so ein Mann ermittelt werden, der vermutlich der wahre Täter ist. Als eben jene Gutachterin, die zuvor beim Angeklagten die "hohe Wahrscheinlichkeit" festgestellt hatte, nun ein Foto des neuen Verdächtigen erhielt, schrieb sie: "Das ist ja unglaublich! Wenn wir das Bild vorher gehabt hätten, hätten wir uns viel Arbeit ersparen können." Bei diesem Mann spreche "kein Merkmal" dagegen, dass er der Täter ist.

Der Angeklagte sei "kein Unschuldslamm", betonte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Er habe schon Raubüberfälle verübt und dafür auch eine Haftstrafe verbüßt. Doch eine Lehre aus dem Prozess sei, "dass man nichts akzeptieren darf, was so vorgelegt wird. Man muss alles nachprüfen."