Martina Bäurle setzt sich für politisch Verfolgte in aller Welt ein und bietet mehreren Stipendiaten in Hamburg eine Atempause.

HafenCity. Wenn Ana Lilia Pérez, Journalistin aus Mexiko, heute um 19 Uhr im KörberForum, Kehrwieder 12, mit Leoluca Orlando, dem Bürgermeister von Palermo, über den Kampf gegen die Mafia in ihren Ländern sprechen kann, ist das auch ein Verdienst der kleinen "Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte" und ihrer Geschäftsführerin Martina Bäurle.

Ana Lilia Pérez gehört zu den acht Stipendiaten, die von der Stiftung 2012 nach Hamburg eingeladen wurden. In Mexiko bekommt sie seit Jahren Morddrohungen, weil sie über Korruption in höchsten Regierungskreisen, über illegale Geschäfte staatlicher Unternehmen und deren Verbindungen zu den Drogenkartellen recherchiert. Drohungen, die ernst zu nehmen sind. Nun hat sie in Hamburg eine Atempause. "Zum ersten Mal ohne Schussweste schlafen - was für ein Gefühl der Freiheit", sagt sie. Es dauerte, bis sie davon überzeugt war, dass sie hier niemand erschießen will. Neben Pérez sind derzeit noch eine Journalistin aus Südossetien in Hamburg, ein Gewerkschafter aus Simbabwe und ein Künstler aus dem Iran.

Seit 21 Jahren ist Martina Bäurle Geschäftsführerin und gute Seele der Stiftung, die 1986 vom damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi gegründet wurde - im Gedenken an die Nazi-Opfer und in der Überzeugung, dass die, die heute in Sicherheit leben, sich engagieren müssen für die, die diese Sicherheit noch nicht haben. Dohnanyi ist Ehrenvorsitzender der Stiftung.

50.000 Mark gab der Mäzen Jan Philipp Reemtsma und eine Anschubfinanzierung. Für jährlich drei Stipendien garantiert die Stadt. Ole von Beust erhöhte das Stiftungskapital um eine Million Euro; er ist noch immer als geschäftsführender Vorstand dabei. Der jeweilige Erste Bürgermeister, derzeit also Olaf Scholz, ist Vorsitzender des Stiftungsvorstands. Hamburg hat bisher als einziges Bundesland eine solche Einrichtung.

Die Stiftung hilft politisch Verfolgten, die wegen ihres Eintretens für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in ihrer Heimat in gefährliche, oft lebensbedrohliche Situationen geraten sind. 130 von ihnen haben sich bisher in Hamburg erholen und Kontakte und Pläne für ihre Zukunft machen können.

Martina Bäurle, Jahrgang 1962, wurde direkt nach dem Studium vom früheren deutschen Bischof in Chile, Helmut Frenz, Mitgründer der Stiftung, dazugeholt. "Du kannst das, du machst das." Frenz schätzte sie aus Chile-Initiativen zu Zeiten der Diktatur Pinochets. Bäurle hatte Französisch und Spanisch studiert, auch in Spanien, Chile und Frankreich. Mit 17 Jahren Paris, mit 18 Simbabwe, später Indien. Und ist bis heute häufig unterwegs. "Aber in der Stiftung kommt die Welt zu mir."

An die 30 Bewerbungen gehen pro Jahr bei ihr ein. Vorschläge verschiedener Organisationen, von Diplomaten und Stiftungen. Manchmal weisen frühere Stipendiaten auf bedrohte Menschen hin. Die Auswahl ist der belastendste Teil der Arbeit, sagt Martina Bäurle. Aber darin wird sie vom Vorstand durch sorgfältige Abwägung sehr unterstützt. Nachforschen, was diese Menschen erlitten haben, dann acht bis zehn Fälle vorschlagen, über die der Stiftungsvorstand entscheidet. "Irgendwann ist das ja kein Name mehr, das kommt einem plötzlich sehr nahe, die Schikanen, die Folter."

Ein anderer Teil ist Jahr für Jahr das Auftreiben von Geld. Denn danach richtet sich die Zahl derer, die dann auf Zeit nach Hamburg kommen können, manchmal auch mit ihren Familien. Hier erwartet sie eine möblierte Wohnung, eine monatliche Zuwendung und die Chance, in Ruhe zu leben und zu arbeiten. Viele haben, wenn sie ankommen, Heimweh, sind zerrissen. Bäurle hilft ihnen Hamburg zu entdecken, neue Kontakte zu knüpfen, organisiert Veranstaltungen. Alle wollen zurück. "Meine Leute sagen immer: 'Ich bin kein Flüchtling, kein Exilierter, ich bin Gast der Stadt Hamburg." Aber wenn jemand nicht zurückkann, weil die Gefahr zu groß ist? "Dann suchen wir ein Anschlussstipendium anderswo. Oder helfen beim Asylverfahren."

Sie erlebt Seltsames wie den Mann einer Aktivistin, der ihr bei einem Besuch im Schlafanzug öffnete. Er entschuldigte sich: Jahrelang hatte er in seiner Heimat in voller Montur geschlafen - Hemd, Jacke, Hose, Schuhe. In steter Furcht, jederzeit nachts abgeholt werden zu können. "Das geht einem total nahe." So wie die Momente der Trennung, wenn ihre Schützlinge zurückreisen. "Das ist fast wie Liebeskummer, man hat die Menschen sehr gut kennengelernt. Wir bleiben meist in Kontakt." Das gute Image der Stiftung ist für die Rückkehrer ein substanzieller Schutz. "Diese Arbeit ist mehr Berufung als Beruf", sagt Martina Bäurle.

Selbst mal abschalten? "Nee." Dafür ist zu viel zu tun. Manchmal lässt sie sich den Kopf durchpusten, in Flensburg, an der Ostsee. Beobachtet leidenschaftlich gern Vögel. Redet mit ihrem Mann, der 30 Jahre lang Journalist, auch Kriegsreporter war. Und ist in Gedanken schon wieder bei der Stiftung. Denn irgendetwas fehlt immer: Freiwillige Helfer können sich gern bei ihr melden. Und natürlich Spender und Sponsoren. Informationen gibt es per Telefon 040-428 63-57 57 und per E-Mail: kontakt@hamburger-stiftung.de.