Heute Abend startet die neue Sendung „Ganz schön dreist” des früheren Viva-Moderators, der in St. Georg lebt.

St. Georg. Tobias Schlegl ist lieber David als Goliath. Die Rolle des vermeintlich Schwächeren, des Unterschätzten, gefällt ihm. Auch heute Abend, wenn zum ersten Mal die NDR-Sendung "Ganz schön dreist" läuft (23.30 Uhr). Die Comedy-Show mit Yared Dibaba, Nils Holst und eben Tobias Schlegl wird zeitgleich mit einer neuen Stefan-Raab-Show ausgestrahlt. "Was die Medienpower angeht, ist der natürlich der Goliath", sagt der 35-Jährige. Ihn selbst störe das nicht, im Gegenteil: Er brauche dieses Kräftemessen.

"Irgendetwas treibt mich", sagt der gebürtige Kölner, "es ist so eine innere Unruhe." Musik, Sport und politische Satire sind nur ein paar der Felder, auf denen sich der Moderator in den vergangenen 20 Jahren ausprobiert hat. Hin und wieder führt er derzeit durch die Sendung "Aspekte" und wagt sich damit nun auch in die Kultur vor. Ja, er müsse sich einarbeiten, gibt er zu. Ja, er habe mit Gegenwind gerechnet, weil einer wie er, ein ehemaliger Viva-Moderator, sich an Hochkultur herantraue. "Aber gerade diese Herausforderung suche ich", sagt der Wahl-Hamburger, der in St. Georg lebt. "Es ist mein Ansporn, nicht stehen zu bleiben." Der Vater einer kleinen Tochter langweilt sich schnell. Eine halbe Stunde einfach mal zu schweigen, das sei schon schwierig.

Das Leben als Getriebener kostet Kraft. Deshalb geht es Schlegl im Privatleben ruhiger an. "Ich kann auch mal zwei Tag zu Hause entspannen und Energie sammeln." Nach einem Tag mit vielen Gesprächen schaut der Fernsehmann gern Dokumentarfilme und "gut gemachte Serien", um zur Ruhe zu kommen. "Trash-TV" habe er auch zur Ablenkung mal probiert, aber gleich weggeschaltet. Es rege ihn zu sehr auf. Manchmal hört er auch die Abenteuer der "Drei Fragezeichen" - digital, denn die Audio-Kassetten hat er als Jugendlicher mit allerlei anderem, dem er meinte entwachsen zu sein, verkauft. Von dem Geld erstand er eine kleine Videokamera, mit der seine Schwester ihn dann im heimischen Keller im Rheinland filmte. Bewerbungsvideo für Viva.

Die Zusage des Musiksenders kam und bald wurde der Elftklässler alle drei Wochen mit einem Taxi von der Schule abgeholt. Der Wagen fuhr auf den Pausenhof, dabei hatte Schlegl doch darum gebeten, dass er um die Ecke einsteigen wolle. "Alles andere kam so furchtbar dekadent rüber. Aber meine Freunde wussten das ja einzuschätzen." Und alle anderen interessierten ihn nicht. Schlegl wurde weder verprügelt, noch hat er selbst je geprügelt. Er war Klassen- und Schulsprecher, engagierte sich gegen Rassismus und interessierte sich für Musik - bevorzugt Punk. Optisch sei er aber eher der Typ "spießiger Punk" gewesen - keine zerrissenen Klamotten, leicht rötliches Haar und eine Frisur wie Tote-Hosen-Frontmann Campino. Das Foto aus dieser Zeit, das in seinem Führerschein klebt, erheitert heute noch seine Freunde. "Ich komme aus geordneten Verhältnissen", sagt Schlegl. Vater Arbeiter, Mutter Kindergärtnerin. "Meine Eltern ließen mich mein Ding machen. Es gab wenig, gegen das ich rebellieren musste." Weil ihm aber die Schülerzeitung an seiner Schule zu "uncool" war, gründete er seine eigene. "Eine Punk-Schülerzeitung", sagt er. Das Redaktionsteam bestand aus ihm allein, denn er schrieb unter mehreren Pseudonymen alles selbst.

Die Lebenseinstellung seiner Jugend fasst Schlegl so zusammen: "Man weiß, was man nicht will, aber nicht, was man will." Manchmal sei das heute noch so - auch wenn er inzwischen dazugelernt hat. Nachhaltigkeit ist sein thematisches Steckenpferd. Schlegl ist Mitglied bei Attac und Greenpeace und lebt - bis auf Käse - fast vegan.

In der neuen Sendung versucht Tobias Schlegl Leuten ihre privaten Daten zu entlocken oder Kleingärtner auf ausländische Parzellennachbarn vorzubereiten. "Ich prangere gerne an", sagt Schlegl. Auch wenn es die Goliaths nicht schmerzt, kann er ihnen zumindest einen kleinen Stich versetzen. Aber er weiß, dass er im Quotenkampf nicht gewinnt: "Ich weiß, ich bin ein vergleichsweise kleines Licht."