Tobias Schlegl hat ein letztes Mal das Magazin “Extra 3“ moderiert. Es sei ein bewegender Abschied gewesen. Doch er plant schon neue Formate.

Neustadt. Die Nacht muss kurz gewesen sein. Die Stimme verrät ihn. Belegt und leicht kratzig klingt sie, ein deutlicher Beweis für manch spontane Gesangseinlage in der Karaoke-Bar "Thai Oase" auf der Reeperbahn. Hier feierte Tobias Schlegl gemeinsam mit seinem Team der NDR-Satiresendung "Extra 3" bereits zwei Sommerfeste. Und dieser Tradition blieb der Moderator auch bei seinem Ausstand treu.

Ein letztes Mal führte der 33-Jährige in dieser Woche durch das Magazin. Nach vier Jahren, in denen er Politgrößen und Wirtschaftsbossen mit Kamera und unangenehmen Fragen auflauerte. Oder, wie er es ausdrückt, "den Mächtigen auf die Füße" trat. Es sei ein bewegender Abschied gewesen, sagt der Wahl-Hamburger. Mit netten Worten von Kollegen und Fans. "Da wurde mir ganz warm ums kalte Satireherz." Nein, geweint habe er nicht. "Das braucht lange, bis es dazu kommt."

Schließlich ist es kein endgültiger Abgang, behält er doch seine "Spielwiese" - die Außendrehs für das Satireformat. Zu gern geht er für die Rubrik "Schlegl in Aktion" da hin, wo es wehtut. Beschenkt etwa den chinesischen Ministerpräsidenten bei dessen Besuch in Berlin mit einer Katzenfigur samt Schlagstock. Oder ehrt Bahnchef Rüdiger Grube mit einem "goldenen Handtuch" für das beste mobile Saunaangebot. Giftige Blicke, Hausverbote hat Tobias Schlegl das eingebracht. Und eine Nominierung für den Grimme-Preis. Die Moderation an seinen Nachfolger Christian Ehring abzugeben, hält er dennoch für einen richtigen Schritt. "Es reichte mal", sagt er. "Ich kritisiere Leute, die an Posten klammern. Jetzt möchte ich mich selbst weiterentwickeln."

Ein neues Arbeitsfeld hat Tobias Schlegl beim Radio gefunden. Auf "1 Live" ist er seit Kurzem viermal im Monat zu hören, im Wechsel mit "Tagesschau"-Sprecherin Linda Zervakis. Ein Kindheitstraum sei das, zumal die Aufzeichnungen in seiner Heimatstadt Köln stattfänden. "Für keine andere Stadt hätte ich die Pendelei in Kauf genommen", sagt der Vater einer Tochter, der in St. Georg wohnt. Wegen seiner Familie, die sich hier wohlfühlt, möchte er Hamburg "nicht zu oft" verlassen. Seine Radiopremiere lief gut. Fast überraschend sei das, habe er doch keine Erfahrung vor dem Mikrofon. Abgesehen von einigen Sprechversuchen in der Schulzeit. "Als Zwölfjähriger moderierte ich per Funkgerät immer um 19 Uhr meine erste eigene Radiosendung", erinnert sich Tobias Schlegl. Mit Erfolg? "Na ja, vermutlich war sie in einem Umkreis von zwei Metern zu hören."

Die Zeiten haben sich geändert, zweifellos. Denn auch auf dem Bildschirm soll es für ihn weitergehen. Die freie Zeit, die ihm nun bleibt, nutzt er, um Konzepte zu planen. Einige Produktionsfirmen seien mit interessanten Formaten auf ihn zugekommen; entschieden hat er sich noch nicht. So viel aber könne er verraten: "Es zieht mich auf die große Bühne." Dabei möchte er, der Umweltaktivist und Vegetarier, seiner Nische treu bleiben. "Unterhaltung mit Haltung und einem politischen Kern", nach diesem Credo hat er bei "Extra 3" gearbeitet - und will es auch in Zukunft. Bisher, kritisiert er, trauen sich die Verantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen zu wenig. Nicht zuletzt zeige jedoch Stuttgart 21 oder die intensiv geführte Atomdebatte, dass die Protestkultur in der Bundesrepublik durchaus in Bewegung gekommen sei. "Der Wutbürger ist keine Eintagsfliege. Ein kleiner Ruck geht durchs Land."

Tobias Schlegl, Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk "Attac", reiht sich ein in die zunehmende Zahl an Protestlern. Er gehe privat zu Demonstrationen, sagt er, weil er nicht andere verurteilen könne, ohne zuvor bei sich selbst aufgeräumt zu haben. Allerdings - einfach sei es nicht, Nachhaltigkeit in Perfektion zu leben. "Ich trage auch Turnschuhe, bei denen ich nicht weiß, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden." Sein Ziel sei es, betont er, dies herauszufinden. Glaubwürdigkeit, das hat er in vier Jahren "Extra 3" gelernt, ist wichtig. Damit er nicht ins Stolpern gerät. Wenn er einmal mehr anderen auf die Füße tritt.