Am 18. November feiert das Musical “Rocky - Fight from the Heart“ Weltpremiere. Gestern präsentierte Stage Entertainment das Bühnenbild

St. Pauli. Auf dem kleinen Holztisch, links unter dem schmalen Fenster, liegen Reste der letzten Mahlzeit. Und die rote Tapete, die löst sich schon langsam ab und legt eine graue Betonwand frei. Doch, dieser Raum ist schon ein bisschen heruntergekommen. Dabei ist er gerade ein paar Monate alt.

Es handelt sich um jenes Apartment, das das Zuhause des Boxers Rocky sein wird. Am 18. November zieht er ein. Denn dann wird im Operettenhaus auf dem Spielbudenplatz die Weltpremiere des Musicals "Rocky - Fight from the Heart" gefeiert. Gestern hat die Musicalproduktionsfirma Stage Entertainment das Bühnenbild gezeigt.

Das Stück basiert auf dem ersten "Rocky"-Film von 1976. Hollywood-Schauspieler Sylvester Stallone war damals Drehbuchautor und spielte selbst die Hauptrolle. Die Geschichte des Boxers, der sich nach oben kämpft, machte den damals 30-Jährigen zum Superstar. Der Film entwickelte sich - einigermaßen überraschend - zum Kassenschlager und wurde im Folgejahr mit drei Oscars ausgezeichnet. Nach insgesamt fünf Fortsetzungsfilmen geht Stallone nun das Musical an.

Prominente Unterstützung erhält er dabei von den Boxbrüdern Wladimir und Vitali Klitschko. Sie beobachten bei den Proben ganz genau die sportlichen Szenen, damit sie echt aussehen. Musical-Hauptdarsteller Drew Sarich, ein Deutsch-Amerikaner, trainiert derweil fleißig, um bis Mitte November in Topform zu sein. Während die insgesamt 40 Darsteller proben, befinden sich die Bühnenarbeiten in den Endzügen. In den Apartments von Rocky und seiner Freundin Adrian (gespielt von der Niederländerin Wietske van Tongeren) fehlen nur noch ein paar Details. Was genau, das kann der Besucher nicht erkennen. Auf den ersten Blick sieht fast alles fertig aus. Seit die Nonnen von "Sister Act" Ende August aus dem Operettenhaus ausgezogen sind, wird hier im Schichtdienst 24 Stunden täglich gehämmert, gebohrt und geschraubt. Dementsprechend müde sehen Martin Siebler und sein Kollege Clemens Weissenburger aus. Umfangreiche Umbauarbeiten liegen hinter den beiden verantwortlichen Technikern. 30 Tonnen Stahl wurden verarbeitet, um die Pläne für das Bühnenbild umzusetzen. Das Fundament unter der Bühne musste verstärkt werden, um die enorme Last des verbauten Materials zu halten. "Manchmal hätte man wirklich denken können, das hier sei eine Werft und keine Bühne. So viel musste geschweißt werden" sagt Siebler und zeigt mit einem Miniaturmodell, was wo geändert wurde. Angaben zu den Kosten will bei Stage Entertainment niemand machen. Das sei erst nach der Fertigstellung möglich, heißt es.

Herzstück der gesamten Arbeit ist wohl der bewegbare Boxring, in dem der Hauptdarsteller auf seinen wichtigsten Gegner Apollo Creed trifft. Für den letzten Kampf wird der Theater-Innenraum zur Arena. Der drei Tonnen schwere Boxring, den vier Stahlseile tragen, soll dann mitten ins Publikum fahren und über den ersten sechs Sitzreihen hängen. Die rund 70 dort sitzenden Zuschauer müssen dann ihre Plätze verlassen und dürfen auf der Bühne rund um den Ring Platz nehmen. In der Fachsprache heißt das "Golden Circle" und beschreibt die besten Sitzplätze bei einem Boxkampf. "Das ist eine absolute Neuheit, dass der Musical-Zuschauer während der Vorstellung auch zum Darsteller wird", sagt Siebler stolz.

Dann führt sein Weg auf die Bühne, wo Kollege Weissenburger gerade beschäftigt ist. Hier sieht es aus wie in einem Schlachthof, denn 18 Rinderhälften hängen von der Decke. Dort trainiert Rocky den richtigen Schlag vor seinem großen Kampf. "Wir haben eine Form mit einer Kunststoff-Art ausgegossen und hinterher bemalt. Wenn Rocky gegen die weiche Oberfläche schlägt, wird sogar Fleischsaft spritzen", erklärt der 35-Jährige. Die einzelnen Bühnenbilder werden übrigens mit sogenannten Lokomotiven über schmale Schienen hin und her bewegt. Immer gut sichtbar soll der Boxring sein - und zwar in fast jeder Szene des Musicals: mal als Decke eines Raumes, mal als Wand.

Kreativer Kopf des Ganzen ist der Bühnenbildner Christopher Barreca. Er ist im Juli mit seiner Frau, einer Deutschen, und den beiden Kindern vorübergehend von Los Angeles nach Hamburg gezogen. Im Dezember soll es zurück nach Amerika gehen. "Wir haben uns gut eingelebt. Die Kinder gehen hier zur Schule und Hamburg ist eine tolle Stadt", sagt der Mann, der immer dort wohnt, wo gerade eine Bühne gestaltet werden muss.

Dann redet er über das Wesentliche: seine Arbeit. An mehr als 200 Broadway- und Theater-Produktionen war der Mann bislang beteiligt. Laut Stage Entertainment zählt der Amerikaner zu den "angesehensten Köpfen seiner Zunft".

Barreca hat auf dem Sofa in Rockys heruntergekommener Ein-Zimmer-Wohnung Platz genommen. "Die größte Herausforderung ist es gewesen, Struktur auf die Bühne zu bekommen. Denn wir müssen in rund zweieinhalb Stunden etwa 40 verschiedene Szenen zeigen", erzählt der Künstler.

Das Bühnenbild für ein Musical zu gestalten, sei so viel komplexer als zum Beispiel jenes für eine Oper zu entwerfen. "Du musst so vieles gestalten, aus so vielen Ideen die eine wirklich umsetzbare Idee finden", sagt Barreca. Und das sei verdammt schwer. Ob ihm das gelungen ist, wird das Publikum bewerten - hoffentlich, sagen die Verantwortlichen - mit viel Applaus.