Nicole Keller und Julia Dautel haben ein Buch über Chinas traditionelle Straßen-Imbisse geschrieben. Für beide eine Herzensangelegenheit.

Hamburg. Es geht um Shanghai und die chinesische Küche. Nicht um die Glitzermetropole mit ihren Wolkenkratzern und Ente süß-sauer, sondern um die kleinen Gassen und Hinterhöfe abseits der großen Straßenzüge und, vor allem, um die Garküchen, die man dort noch findet. "Bald werden diese charmanten Straßenstände kaum noch zu finden sein", warnt Julia Dautel, hauptberuflich für den Kulturaustausch Hamburgs mit Asien tätig. "Vertrieben durch Fast-Food-Ketten und europäisierte Restaurants." Deshalb hat sie ein Buch über die Straßenküchen Shanghais geschrieben. Es handelt von den Menschen, die sie betreiben, ihren Geschichten und ihren Rezepten.

Dabei räumt die studierte Sinologin und Hobbyköchin mit den Vorurteilen, die wir Europäer gegenüber der traditionellen chinesischen Küche haben, gründlich auf. "Affenhirn und Rattenfleisch essen die meisten Chinesen nicht", sagt sie. "Und Katzen- und Hundefleisch bieten nur die teuren Delikatessenrestaurants an." In ihrem Buch, zu dem die Hamburger Fotografin Nicole Keller eindrucksvolle Bilder und eine wunderschöne Gestaltung gemacht hat, beschreibt sie dagegen die authentische Küche der einfachen Menschen - schmackhaft, frisch, günstig und leicht nachzukochen.

Kennen- und lieben gelernt hatte Julia Dautel die Straßenküchen bereits während eines Studienaufenthaltes in Shanghai. "Man konnte sich prima dort verpflegen", sagt sie. Zum Frühstück Youtiao (frittiertes Stangenbrot) oder Tianbing (Teigfladen), mittags Zifan (Reisbälle gestopft mit Ei, Tofu oder Gemüse), abends Chaomian (gebratene Nudeln) oder Shaokaolu (eine Art Straßen-Barbecue). Doch sie merkte schnell: Die Menschen sind genauso spannend wie das Essen. Irgendwann, beschloss sie, "schreibe ich ein Buch darüber".

Nach dem Studium lebte sie drei Jahre in Shanghai, vertrat dort die Stadt Hamburg und brachte schließlich ein Buch zur 20-jährigen Städtepartnerschaft der beiden Metropolen heraus. Dafür suchte sie einen Fotografen - und fand Nicole Keller.

Die Idee wurde bei einem Studienaufenthalt geboren

Die Kommunikationsdesignerin war gerade auf der Suche nach einem Verleger für das Buch "Täglich Hamburg", einem Gemeinschaftswerk von ihr und ihrem Lebensgefährten Oliver Schumacher. "Durch eine Verkettung glücklicher Umstände wurde eine Mitarbeiterin von Julia Dautel auf meine Fotos aufmerksam", erinnert sich Nicole Keller. Schnell wurde entschieden: So, wie sie Hamburg fotografiert hatte, sollte sie auch Shanghai ablichten - das erste gemeinsame Projekt entstand.

Bei einer Ausstellung 2009 im Shanghai Urban Planning Museum, wurde die Idee geboren, ein zweites Mal zusammenzuarbeiten und ein Buch über die Straßenküchen der Stadt zu machen. "Leider hat uns der Eyjafjallajökull zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht", sagt Julia Dautel. Der Name des isländischen Vulkans, der 2010 mit einer Aschewolke den Flugverkehr vorübergehend zum Erliegen gebracht hatte, geht ihr leicht von den Lippen - man merkt, dass sie schwierige Sprachen gewohnt ist. Ein halbes Jahr später aber zogen sie los. Auch Oliver Schumacher und Roland Pape, Julia Dautels Lebensgefährte, kamen mit. "Als Testesser", sagen die beiden Frauen, die Vegetarierinnen sind.

Die vier probierten sich durch die Straßenküchen Shanghais. Wenn ihnen etwas besonders gut schmeckte, fragen sie die Köche nach den Rezepten - und nach ihren Lebensgeschichten. Nicole Keller fotografierte, Julia Dautel schrieb, Anfang des Jahres erstellten sie einen Buch-Dummy und fuhren auf Verlegersuche zur Frankfurter Buchmesse. Sie hatten Erfolg. "Die Chefs vom Schweizer AT-Verlag waren sofort begeistert und haben gesagt, so ein Buch sei ein Herzensprojekt, das man mit Leidenschaft weitergeben müsse", sagen Julia Dautel und Nicole Keller. Und man hört es: Die beiden sind mit ihren Verlegern völlig einer Meinung.

"Shanghai Straßenküchen", AT-Verlag, 24,90 Euro