Warum der Reeder nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Kultur und Politik aktiv ist. Der Cineast Rickmers unterstützt das Filmfest.

Hamburg. Wenn das Filmfest Hamburg beginnt und erstmals eine ganze Reihe von Filmen mit deutschen Untertiteln gezeigt wird, ist das auch Erck Rickmers , 47, zu verdanken. Der Unternehmer (Nordcapital, E.R. Schiffahrt) und Politiker (für die SPD in der Bürgerschaft) kennt Filmfest-Chef Albert Wiederspiel und ist überzeugt von dessen guter Arbeit. "Gemessen an dem knappen Budget organisiert Albert Wiederspiel eines der wertvollsten Filmfestivals überhaupt", sagt Erck Rickmers, der als begeisterter Cineast angetreten ist, um die für Hamburgs Kulturleben wichtige Veranstaltung zu unterstützen. Auch seine anderen gemeinnützigen Engagements hängt er nicht an die große Glocke. Natürlich fördert er auch die "Rickmer Rickmers" , den vielbesuchten Museumsfrachtsegler an den Landungsbrücken.

Wer Rickmers heißt, wurzelt auf Helgoland. Sein Vorname geht zurück auf einen Vorfahren, der von 1619 bis 1702 lebte. Sein Grabstein hängt in der Helgoländer Kirche: der Schiffer und "Commodorist" Erck Rickmers. Dessen Lebensmotto hat der 1964 in Bremerhaven geborene Unternehmer zu seinem eigenen gemacht: "Ich habe die Welt überwunden mit vielen zwären Stunden. Ich bekomme doch zu Lohn die ewge Freuden Kron."

Tradition, die er pflegt. In Italien, der Heimat seiner Frau, nutzt er ein Helgoländer Börteboot, "aus Eichenholz, etwas verkleinert, sieht aus wie zu heiß gewaschen". Er hat es bauen lassen. Die Eleganz des "ehrlichen Arbeitsbootes" wird von schiffskundigen Italienern bewundert: "Bella barca!" Das Börteboot gehört für ihn zu den privaten Liebhabereien, die Kosten verursachen. Mit 99 firmeneigenen Schiffen verdient er. Nr. 100 und 101 werden im Oktober getauft, E.R. Schiffahrt gehört zu den bedeutendsten Container-Reedereien, zusammen mit der Nordcapital arbeiten in Hamburg 300 Menschen für ihn, weltweit 3000.

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Mit 24 hat er sein Studium abgebrochen und sich selbstständig gemacht, mit 27 gründete er das Emissionshaus Nordcapital. "Ich hab mich nicht ins gemachte Nest gesetzt. Mein Vater ist 1971 sehr früh gestorben, er war der Macher unter den drei Rickmers-Brüdern, der stärkste Unternehmer." Ohne ihn ging es bergab; in den 80er-Jahren musste die Rickmers-Werft in Bremerhaven Insolvenz anmelden, weil drei Reeder ihre Schiffe nicht bezahlen konnten. Ich habe angefangen mit einem Darlehen meiner Mutter über 175 000 D-Mark. Das hatte nicht jeder, es war aber, aus heutiger Sicht, überschaubar."

Rickmers erinnert sich noch gut an sein erstes Schiff, die "E.R. Hamburg": "Ich hielt meine eben geborene erste Tochter auf dem Arm, da kam der Anruf: Feuer auf dem Schiff!" Eine Katastrophe für die neue Reederei? "Es stellte sich heraus, dass wir keine Schuld hatten; die Versicherungen haben den Schaden beglichen. Das war nicht schön, aber die 'E.R. Hamburg' ist dann doch ein erfolgreiches Schiff geworden, mit gutem Ergebnis für die Anleger."

Rickmers formuliert zurückhaltend und präzise, nur manchmal blitzt Leidenschaft auf. Die fürs Segeln zum Beispiel. Dreimal hat er bereits den Atlantik überquert, sieben Mann an Bord. "Das ist für mich die ideale Mischung aus Kontemplation, Planung, Herausforderung und Aktivität. Und einem Hauch Abenteuer." 14 Tage an Bord, im Rhythmus der Wachen - er, der Käpt'n, am liebsten von 4 bis 8 Uhr früh und von 16 bis 20 Uhr abends - bei Sonnenaufgang und -untergang. Natur pur, viel lesen, nicht erreichbar sein - "dabei kann ich am besten Energie tanken."

Er lenkt vom Segeln und dem dort notwendigen verlässlichen Arbeiten für die Gemeinschaft elegant auf die Politik. 2010 zog er sich in den Aufsichtsrat seiner Unternehmen zurück, kandidierte für die SPD, wurde Mitglied der SPD und Bürgerschaftsabgeordneter. Schon als 14-Jähriger hatte er ein "Spiegel"-Abo und wollte auf dem Schulhof über deutsche Innenpolitik diskutieren. Als Unternehmer hat er viel über Politiker geschimpft - dann wollte er sich damit nicht mehr zufrieden geben. "Zwischen den Bürgern und der Politik tut sich eine zu große Distanz auf. Nur noch 57 Prozent Wahlbeteiligung bei der letzten Bürgerschaftswahl in Hamburg - das ist ein Warnsignal." Der Quereinsteiger wurde freundlich aufgenommen, er arbeitet im Wirtschafts- und im Haushaltsausschuss mit und kann sich durchaus vorstellen, länger als vier Jahre in der Politik zu bleiben.

Sein Antrieb? Die Erkenntnis, dass es in vielen Bereichen an Gemeinsinn, Solidarität und Wir-Gefühl fehlt. "Viele Menschen wissen genau, was der Staat ihnen bietet, welche Rechte sie haben, was sie abrufen können - aber wenige fragen sich, was sie aktiv tun können."

Ein verbindliches soziales Jahr wünscht er sich für alle jungen Männer und Frauen, nach der Schule. "Den Egoismus überwindet man nicht im Ethik-Unterricht im Gymnasium, sondern nur, wenn man selber Situationen erlebt, in der das Du vor dem Ich steht."

Und noch etwas hat er gelernt in der Politik: Auch ein geborener Käpt'n muss mal zurückstecken. Schwierig? "Ja, aber ich bin auch als Unternehmensführer eher ein Teamplayer und Moderator. Allerdings sind die Besprechungen bei mir kürzer als in der Politik, weil man mit wenigen Experten am Tisch zielorientiert überlegt, wie knack ich jetzt diese Nuss. Dann schieben alle in dieselbe Richtung. Das ist in der Politik natürlich anders", sagt er. Und lässt diplomatisch folgen: "Aber da sind die Nüsse ja auch größer."