Früher leitete sie eine Sicherheitsfirma, seit 2006 führt sie das CaFée an der Seewartenstraße auf St. Pauli, eine Obdachloseneinrichtung.

Hamburg. Dass Margot Glunz, eine Frau mit kleinen Locken und wachen Augen, heute Geschäftsführerin des CaFées mit Herz ist, hängt mit ihrer schwäbischen Erziehung zusammen. Zumindest zum Teil. Denn es war ihre Mutter, die ihr seit frühester Kindheit im baden-württembergischen Renningen beibrachte, dass "jeder Mensch nicht nur für sich persönlich sorgen muss", wie Glunz sagt.

Sie lehnt sich zurück auf dem breiten Holzstuhl mit roter Lehne, der im Essensraum für Gäste mit Hunden im CaFée mit Herz an der Seewartenstraße steht. Jetzt, am Vormittag, sitzt sie dort, wo ab 14 Uhr Bedürftige, Obdachlose, Senioren und Hartz-IV-Empfänger St. Paulis kostenlos ein warmes Mittagessen zu sich nehmen können. Glunz leitet den Verein, der sich ausschließlich durch Spenden und Beiträge der 288 Mitglieder finanziert, seit dem Sommer 2006. Tatkräftig, mit Herzblut und einem großen Sinn fürs Praktische. Seitdem "bettelt" sie Monat für Monat bei Geschäftsführern von Firmen um Gelder. 12 000 bis 14 000 Euro braucht die 60-Jährige, um das CaFée mit Kleiderkammer, Küche, Duschen, Waschmaschinen, einer Sozialpädagogin und mehreren Mitarbeitern auf Ein-Euro-Basis zu bezahlen. Jeden Monat ein neuer Kampf. "Auf der einen Seite bin ich stolz, dass wir nichts von der Stadt bekommen", sagt sie und faltet die Hände über ihrer schwarzen Strickjacke, die sie über einer weißen Bluse trägt, "denn was man uns nicht gibt, kann man uns auch nicht wegnehmen." Sie lacht kurz auf. "Aber es ist natürlich gar nicht einfach, Gelder zu bekommen, denn eine Einrichtung wie unsere mit unserer Klientel ist nicht sexy."

+++ Judith Rakers will Haus für Obdachlose einrichten +++

+++ Dittsches Wirt Ingo sammelt für Obdachlose +++

Stolz sagt sie das, mit vorgestrecktem Kinn. Sie wolle Mitgefühl, Barmherzigkeit und Menschen dazu animieren, Verantwortung für Schwächere zu übernehmen. Niemals jedoch Mitleid. Es ist ein immerwährender Kampf, der nicht spurlos an Glunz vorbeigeht. "Ich komme schon manchmal verzweifelt nach Hause und habe schlaflose Nächte", so Glunz, die in zweiter Ehe mit dem 66-jährigen Burkhard verheiratet ist. "Dann bin ich froh, dass mein Mann sehr humorvoll ist und mich aufbaut und unterstützt." Auch er sei sehr sozial eingestellt und wird bei Projekten des CaFées - wie bei der gerade beendeten Radtour durch ganz Deutschland über 1360 Kilometer - von seiner Frau eingespannt. Von der alleinerziehenden Mutter, die mit 21 Jahren von Süddeutschland nach Berlin zog, sich dort auf der Abendschule zur Bilanzbuchhalterin ausbilden ließ und mit 35 Jahren zur Abteilungsleiterin aufstieg.

Als sie 38 Jahre alt war, zerbrach ihre Ehe. "Ich glaube, ich war zu ehrgeizig", sagt sie und blickt in die Ferne. Daraufhin zog sie 1987 nach Lüneburg, um ihrem Sohn Alexander, der heute 35 Jahre alt und Jurist ist, ein eher dörfliches Umfeld zum Aufwachsen bieten zu können. Sie pendelte täglich nach Hamburg, wo sie Prokura in einer Sicherheitsfirma hatte. 1996 wurde Glunz dort Geschäftsführerin. Nicht einfach: 99 Prozent der Mitarbeiter waren männlich. "Ich zeig denen mal, was ich kann", habe sie gedacht. Es funktionierte. Bis 2005, als das Unternehmen verkauft wurde und Glunz nicht weitermachen wollte. "Ich konnte nicht mehr nur gewinnoptimiert arbeiten, sondern wollte was für andere tun", sagt sie und betont streng: "Allerdings fern jeder Sozialromantik." Recht schnell kam die Nachfolge für den damals schwer erkrankten Vorgänger und Initiator des CaFées mit Herz, Holger Hanisch, zur Sprache. "Ich war bereits Mitglied und wurde dann gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte."

Die Hobbyastrologin konnte und kann. Sie reformierte, stabilisierte, positionierte den Verein politisch neutral. Widerstände und Gegenwehr blieben nicht aus. "Ich kann meine letzten 40 Jahre in der Wirtschaft ja auch nicht einfach so abstreifen und habe deshalb mein Know-how mit dem sozialen Gedanken verbinden können." Heute kommen täglich bis zu 400 Gäste ins CaFée mit Herz, zum Monatsende hin werden es stetig mehr. "Das ist eine gewaltige Aufgabe, besonders für mein Team, das großartig arbeitet und mir den Rücken freihält", sagt Glunz und blickt auf die Uhr. Bald wird sie die Türen öffnen. Es ist Mittagessenszeit.