Premiere für neue Portalspiele im Michel. Lichtkünstler Michael Batz und Hauptpastor Alexander Röder bringen Theater und Kirche zusammen

Hamburg. "Im Michel", davon ist der Hamburger Autor, Theatermacher und Lichtkünstler Michael Batz, 60, überzeugt, "gehen zentrale Achsen, die sich im Innenraum treffen, von den zehn Portalen in die Stadt hinaus". Die Hauptkirche St. Michaelis vereinigt die Kraftlinien der Stadt, eine Idee, die auch Hauptpastor Alexander Röder, 50, gefällt. Und der in Ehren ergraute Kirchenmann hat die Gabe, das in jeder Nuance seines Redens spüren zu lassen.

Tatsächlich ist es ein ganz spezieller Hamburger "Ring", der vom 8. September an zum ersten Mal komplett zu sehen sein wird: die zehn Portalspiele, die Batz für die zehn Türen der Hauptkirche St. Michaelis geschrieben hat. Durch sie wird das Äußere der Kirche wieder zur Bühne, und die beiden Institutionen Kirche und Theater, die über lange historische Epochen im Streit lagen, rücken plötzlich eng zusammen. Stört das Michel-Pastor Röder?

"Ich finde das großartig", sagt er. Und fragt: "Was heißt hier überhaupt wieder zur Bühne? Wir spielen ja auch Theater, in gewisser Weise. Liturgie ist heiliges Spiel. Es ist richtig, Theater wurde lange als weltliche und die Menschen verderbende Sache abgelehnt - dabei hat die Kirche doch auch Theater gespielt. Theater hebt Wirklichkeit auf eine andere Ebene, sodass man zum Nachdenken angeregt wird."

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Auch Michael Batz sieht Parallelen: "Der Michel ist ja eigentlich ein wunderbares Theater - für Leute, die an das Wort glauben. Ein großartiges, barockes Theater für Leute, die das alles von ihrem Glaubensbekenntnis her eigentlich gar nicht bräuchten. Irgendwie sehr hanseatisch ..."

Der Pastor und der Theatermann verstehen sich blendend. Liegt das daran, dass der Pastor immer auch ein Stück weit Schauspieler sein muss? "Es braucht eine gewisse Redekunst und Darstellungskunst", sagt Röder. "Nicht umsonst werden seit meinem Vikariat, also 1989, in Nordelbien Vikare auch von professionellen Schauspielern ausgebildet. Um zu erfahren: Wie ist meine Präsenz im Raum, wie steh ich da als Mensch. Wir 'verkleiden' uns auch, wir ziehen jedes Mal ein 'Kostüm' an, wenn wir Gottesdienst feiern, und wir tun es, um in eine andere Rolle zu schlüpfen." Spielfreude kennt er seit seiner Jugend, jetzt kann er sie gut brauchen: "Die Kleidung sagt: Hier tritt nicht Alexander Röder auf. Der kann gar keinen Segen erteilen, er ist ja nicht anders als andere Menschen. Das andere ist: das eigene Überzeugtsein von dem, was ich da tue."

Woher kommt seine Affinität zum Theater? "Mit sechs Jahren, das hat mir später mal meine Kinderärztin erzählt, habe ich auf dem Kindergeburtstag ihrer Tochter deren Puppe, die sie geschenkt bekommen hatte, getauft und habe unterschrieben mit 'Alexander Röder, Pastor'." Er lacht sein jugendlich wirkendes Lachen. "Da konnte ich gerade schreiben. Auf meiner Schule hab ich schon in der fünften Klasse Theater gespielt. Und mit meinen Geschwistern Zirkus. Die Erwachsenen mussten Eintritt zahlen - und wir haben uns da richtige Geschichten ausgedacht und vorgeführt."

Beim Portalspiel-Autor Batz, der die ganz großen Auftritte nicht wirklich mag, war das Theater Fluchtpunkt aus einem Studium an der linken Marburger Universität. Um den ewigen ideologischen Streitereien zu entkommen, suchte ein genervter Germanistikprofessor Studenten, die einen Text wenigstens erst einmal vorlasen, bevor er als grundbourgeois zerpflückt wurde. Batz war einer der Freiwilligen, wurde vom Theaterbazillus infiziert und arbeitete fortan bei der Marburger Studiobühne mit, als Autor, als Lichtmacher, womit auch sein Hang erklärt wäre, der ihn berühmte Bauwerke - zum Beispiel den Michel - ins rechte Licht rücken lässt. Jeder Kreis schließt sich irgendwann: Derzeit macht er den Licht-Masterplan für die Marburger Oberstadt.

Der Pastor mit dem Sinn fürs Schauspielerische und der Theatermann aus der linken Universität werfen sich locker die Bälle zu, philosophieren über die zehn Türen und darüber, dass ein elftes Stück nötig wäre für die Tür, die es nicht gibt, weil dort die Sakristei ist. Dass der Michel Menschen und Geschichten anzieht, die man nur aufsammeln muss: Touristen, Leute, die hier rasten. Manche machen sogar Picknick - sehr beliebt vor Tür 5.

Batz wundert sich kein bisschen über die Stärke, die der Michel als Symbol der Stadt bekommen hat. "Es hat etwas mit Heimat zu tun: Wenn man den Michel sieht, ist man da." Röder erlebt das im täglichen Umgang mit den Menschen, die hierherkommen. "Sie finden etwas hier." Er sagt: "Dies ist in erster Linie ein Ort des Gottesdienstes, die tragende Säule dieser Gemeinde. Wir haben jeden Tag Gottesdienst, und ein bebeteter, ein befeierter Raum hat eine unglaubliche Kraft. Deshalb ist unser Spielbein an diesem Ort viel größer als an Orten, wo das Standbein nicht so stark ist. Aber wir wollen nicht nur die tolle Location sein." Die Portalspiele jedoch passen perfekt zu der Idee, der Michel sei magnetischer Anziehungspunkt für die Menschen. Batz assistiert gern: Für ihn ist der Michel das geistige Kraftfeld der Stadt, "und wenn man sich im Inneren einmal um sich selbst dreht, um alle Türen zu sehen, steht man im Herzen eines Tornados." Der Michel sei immer mehr Herz- als Kopf-Ort gewesen. "Na ja, sicher auch Kopf-Ort", räumt er ein, "die Predigten waren ja sehr ausgefeilt." Woraufhin Hauptpastor Alexander Röder, theateraffin, wie er ist, Empörung spielt: "Was heißt hier: 'waren' ...?"

Die Portalspiele dauern vom 8. bis zum 25. September. Karten unter Telefon 369 62 37 und www.portalspiele.de Abende mit einem Stück: 10 Euro, mit zwei Stücken 18 Euro.

Lesen Sie morgen im Kulturteil alles über die einzelnen Inszenierungen.