Der Unternehmer gestaltet mit seiner Agentur nicht nur 200 Bücher pro Jahr, sondern Groothuis bringt zudem auch eigene Titel heraus.

Hamburg. Angefangen hat alles mit einer "Praktica", die von dem monetären Fundus nach seiner Konfirmation gekauft wurde. Rainer Groothuis , Hamburger Buchgestalter und Neu-Verleger, machte damit erste Fotografierversuche in seiner ostfriesischen Heimat und legte sie wieder beiseite.

Bald darauf aber, im geregelten Dasein als Buchhändler-Lehrling, öffnete sie ihm kreativen Raum: Er fotografierte - Ostfriesland. Sein Lehrherr sah die Fotos, schlug vor, gemeinsam einen Bildband daraus zu machen. Groothuis erinnert sich präzise: "208 Seiten, Querformat, Broschur, 150-Gramm-Papier, Fünf-Millimeter-Rand, schwarz, um jedes Foto."

+++ Groothuis gründet Verlag +++

Nach zwei Jahren waren 4000 Exemplare davon verkauft. Und er verließ "die ostfriesische Tiefebene", wo seine Eltern beim örtlichen Energieversorger in Emden arbeiteten, Richtung West-Berlin. Nicht aus wehrtechnischen Gründen, "untauglich" gemustert war er da schon. "Wenn damals etwas 'weg von zu Hause' war, dann war West-Berlin das. Kulturell aufgeregt, extrem anregend."

Es gab die Nachwehen der 68er, aber auch das kulturelle Biedermeier, das von Helmut Kohl inkarniert wurde. "Plötzlich gab es Yuppies, und die Mädchen trugen wieder Kostümchen." Der Wagenbach-Verlag hatte ihm damals eine Praktikantenstelle in der Herstellung geboten.

"Meine letzte Kunststunde war eine Bastelstunde in der 8. Klasse, und plötzlich sollte ich Bücher über Kunstgeschichte machen. Wagenbach war ein kleiner Verlag, da machte man alles, Umschlag, die Gestaltung drinnen, Herstellung."

Das Handwerkliche hatte Groothuis schnell drauf. Woher am Ende seine Freude am und sein Talent beim Gestalten kommen, kann er kaum sagen. Puristisch ist sein Stil, dabei aber immer ein Spürchen verspielt, ganz so, wie er auch redet. "Das Gefühl, etwas aufräumen zu müssen? Vielleicht hat es Wurzeln im friesischen Protestantismus - Motto: Schwarzbrot und Arbeit, die Zähne zusammenbeißen und durch. Und sich an der Welt gestaltend zu beteiligen und am Ende etwas geschaffen zu haben, das man in der Hand halten kann."

Verleger Klaus Wagenbach war angetan, nannte ihn bald "unseren jungen Mann mit dem Händchen". Und stand Groothuis' ersten selbst verantworteten Flop durch: Ein Buch, in dem Goethes "Werther" und Materialien dazu zusammengebracht wurden, wurde gedruckt - die Seiten waren komplett falsch montiert worden. Groothuis entdeckte es an einem Freitag während der Fahrt in einen Wochenendurlaub. "Wagenbach sagte am Telefon nur: 'Wir reden Montag drüber.' Das war ein hässliches Wochenende."

Das Buch wurde dann makuliert - geschreddert, eingestampft. Und Groothuis bekam sechs Monate Bewährung in der Buchherstellung. Die hat er erfolgreich absolviert, "das war eine Lehre fürs Leben". Und an seinem 30. Geburtstag bekam er das Angebot, bei Wagenbach Geschäftsführer zu werden. 1996 machte er sich in Bremen mit einer Agentur für Buchherstellung und -gestaltung selbstständig. "Ich verwalte nicht so gern das, was da ist, sondern bin immer jemand, der lieber neues Geschäft sucht." Und zog 1998 nach Hamburg. Genau genommen in den Altonaer Kern, nach Ottensen. Fing mit elf Leuten im Borselhof an, sitzt heute in einer ehemaligen Schokoladenfabrik an der Gaußstraße mit 29 Menschen in der Agentur und sechs im Corso-Verlag. "Agentur für schöne Bücher", lästerten anfangs Kollegen.

Ottensen war ein Glücksgriff, "eine solche Agentur und jetzt der Verlag brauchen ein kulturell aktives Umfeld. Ottensen hat das, ist nicht zu aufgeregt, man kann hier konzentriert arbeiten, und die Umgebung ist nicht zu gesetzt. Das passt altersmäßig, die Kollegen fühlen sich wohl, und viele sind inzwischen auch hergezogen."

"Groothuis, Lohfert, Consorten" nennt sich heiter und konkret in der Unterzeile "Gesellschaft für Formfindung und Sinneswandel mbH". "Wir wollten keine englischen Begriffe für das, was wir tun. 'Formfindung' war nach dem ersten Bier klar, 'Sinneswandel' brauchte einige mehr." Letzteren erlebe man in jeder kreativen Arbeit, auch der Kunde soll ihn spüren, und dann die Menschen draußen.

Die Agentur gestaltet nicht nur 200 Bücher pro Jahr, davon bei 120 nicht nur den Umschlag, sondern das komplette Produkt. Auch Programmvorschauen der Verlage oder Geschäftsberichte von Aktiengesellschaften sowie Magazine werden gestaltet. Und Groothuis fühlt sich immer noch ein bisschen wie Robin Hood, wenn er mit Know-how und Gestaltung kleinere Kulturprojekte unterstützen kann. Zu seinen Kunden gehören inzwischen mehr Nicht-Verlage als Verlage, und dort reicht die Spanne vom Verlag für Standesamtswesen bis zum Hamburger Verlag Edel.

"Bibliophile Bastelbude" hat er seine Agentur früher einmal scherzhaft genannt, heute sagt er stolz "Kulturmanufaktur". Wenn alles einigermaßen gut läuft, eine Kapitalgesellschaft gegründet ist mit einem begeisterten Finanzier wie Christoph Lohfert - "dem eigentlichen Helden der Geschichte", den er aus einem gestalterischen Auftrag heraus gefunden hat -, dann wird Rainer Groothuis regelmäßig zum Getriebenen seiner Ideen. In diesem Fall war es ein gehobenes literarisches Reisemagazin, das er entwickelt hat und das keinen Zeitschriften-Verlag fand. Also machte er Bücher daraus und gründete den Corso-Verlag, Leitmotiv: Welterfahrung und Herzensbildung. Im September 2010 wurde das erste eigene Buch gefeiert, "ein heiliger Abend", erinnert sich Groothuis.

24 Bücher hat er inzwischen auf dem Markt. Benjamin, Pasolini, Aby Warburg sind unter den Autoren. "Anfangs war es ein kleines 'Trotzdem' gegen alle, die Bücher totreden wollten und hektisch auf den amerikanischen Trend zur Digitalisierung geschielt haben. Und ein Bekenntnis zu Hamburg, trotz der prekären Kulturpolitik, die wir hier hoffentlich hinter uns haben." Ein Zeichen, dass die neue Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) schon einen "kulturellen Leuchtturm für Hamburg" genannt hat.