Axel Zwingenberger und Vince Weber haben ihre eigene Szene begründet. Und die feiert am 19. August in der Fabrik in Altona.

Altona. "Das Klavier hat 88 Tasten, das Schnapszahldatum war der 8.8.88, und der Boogie hat 'eight to the bar' - acht Schläge pro Takt", erklärt Vince Weber. Deshalb zelebrieren die Hamburger Fans des Blues- und Boogie-Pianos den 8. August seither alljährlich in der Altonaer Fabrik als ihren Feiertag. Außer in diesem Jahr, da ist es ausnahmsweise der 19. August. Die Anstifter der Bewegung sind natürlich dabei: Vince Weber, 60, und Axel Zwingenberger, 58, die Boogiemeisters, wie sie sich selbst auf ihrem Album nennen.

Der eine lebt in Ahrensburg, der andere in Wandsbek. Hauptsächlich ihnen verdankt Hamburg seinen Ruf, Boogie-Hauptstadt geworden zu sein. Sie haben den dünnen Faden der Boogie-Tradition aufgegriffen, der in den 50er-Jahren irgendwo zwischen dem New-Orleans-Jazz und den Pop-Boogies und dem Rock-'n'-Roll-Piano der ersten Beatbands herumlag.

Zwingenberger fand ihn zwischen alten Schellack-Platten des Vaters eines Schulfreunds, Boogies - irgendwo zwischen Ragtime und Cool Jazz versteckt. "Das hatte ich noch nie gehört, das hat mich sofort angepackt." Später hat Ringo Starr ihm mal erzählt, er habe seinen ersten Boogie 1960 gelernt - auf der Reeperbahn. Vince Weber kam durch Platten seiner Schwester zum Blues.

Beide mussten bei ihren ersten Boogie-Versuchen die Töne alter Platten auf die Finger übertragen, bis Hans-Georg "George" Möller ihnen zeigte, wie dies und jenes wirklich geht. Für die Eltern von Zwingenberger waren das Abweichungen vom rechten Weg, ein Schock. Erst wird Sohn Thorsten Schlagzeuger, dann Axel Boogie-Pianist. "Die hatten sich ja ganz was anderes vorgestellt für uns - da ist eine ganze Generation ausgefallen für die bürgerlichen Berufe. Das mussten die erst mal verdauen. Das gab es ja damals gar nicht, dass hier jemand von dieser Musik leben konnte." Er trieb sich erst mal die Spuren des klassischen Klavierunterrichts aus dem Kopf: "Die blockieren beim Blues und Boogie nur."

Vince Weber hatte es leichter: "Ich hab ja nur kinderartig Klassik gelernt." Und gesteht: "Bis heute kann ich keine Noten. Meine Klavierlehrerin hat immer gesagt: Du brauchst da nicht mehr hinzugucken, wir sind schon auf der nächsten Seite." Da hatte Vince schon alles im Kopf.

Weber spricht nicht besonders gern, er spielt lieber Klavier. Er hat in Kneipen und Klubs angefangen, mit 14, 16 Jahren: Knust, Remter, Kanister, Logo. Dann die erste Platte, bei Otto Waalkes' Rüssl Records: "The Boogie Man". Hat gleich den Deutschen Schallplattenpreis gewonnen. Hat 14 Jahre jeden letzten Freitag im Monat in der Fabrik gespielt. Das Kneipenleben bekam ihm nicht immer gut, es gab Abstürze. Heute kann er darüber wieder lachen: "Geschmeckt hat es immer gut." Seine Platten sind heute schwierig zu bekommen.

Zwingenberger hat es besser getroffen: Seine drei Dutzend CDs gibt es alle noch. 1974 - in dem Jahr, in dem er auch seinen ersten abendfüllenden Auftritt absolvierte - entdeckte ihn spät abends im Logo Mary Dostal, die Frau seines Produzenten Frank Dostal.

In den Anfängen des Hamburger Boogie-Wunders fragte sich niemand, ob diese Musik oldfashioned sei. Die Streitlinien liefen anderswo: "Damals hat man gestritten, ob Weiße so etwas überhaupt spielen können, und wir Deutsche im Speziellen ... Es wurde uns ja nicht mal zugetraut, dass wir richtig swingen könnten." Blues und Boogie waren in die Popkultur integriert, John Mayall, Alexis Korner, Jerry Lee Lewis, Little Richard.

Weber und Zwingenberger repräsentierten bald zwei Linien des Boogie. "Vince singt, und dadurch ist es bei ihm viel Blues-orientierter", sagt der eine und bewundert die ganz eigene Clustertechnik des Freundes: "Wenn du da ins Klavier schaust, wenn er spielt, sind alle Hämmer in Bewegung." "Und Axel singt nicht, dadurch kann er sehr viel virtuoser spielen. Bei ihm singt das Klavier", sagt der andere. Zwingenberger begleitet gern Sänger, hat alte Blues-Legenden aufgespürt und reaktiviert. Und träumt den Boogie immer weiter: "Man will ja nicht das Abziehbild von irgend jemandem werden, sondern schon eigene Geschichten erzählen."

Zwei Freunde in fruchtbarer Konkurrenz, so sehen sie sich seit vielen Jahrzehnten. Sie haben zwischen 1986 und 1988 etliche Tourneen zusammen gemacht, Konzerte an zwei Flügeln, die den Boogie-Virus um den Erdball getragen haben. "Zusammen spielen ist das Komplizierteste. Die beiden Flügel sind ja wie zwei Orchester, die sich gegenüberstehen."

Zwingenberger ist auch allein viel unterwegs. Derzeit tourt er durch Brasilien - ein Grund dafür, dass der Boogie-Feiertag auf den 19.August verlegt wird. Das hat aber Vorteile: Erstmals dabei ist der Franzose Jean Paul Amouroux, der sonst zur selben Zeit sein eigenes Festival hat. Außerdem kommen der Blues-Pianist und Sänger Big John Carter, Mike Sanchez, Silvan Zingg, Jeannette Preston, John Bohnsack, Gottfried Böttger und Überraschungsgäste.

The Hamburg Boogie Connection 19. August, 20 Uhr, Fabrik (Barnerstr. 36), Karten: Vorverkauf 19,-/Abendkasse 21,- Euro