Ungewöhnliche Stimme und eine interessante Biografie: Die Wahlhamburgerin Graziella Schazad lässt sich nicht in ein Schema pressen.

Hamburg. Es ist fragil, das Gefühl der Sicherheit. Schließlich hält das Leben kein Netz, keinen doppelten Boden bereit. Was heute noch als unumstößlich gilt, kann morgen schon in Scherben liegen. Graziella Schazad hat das in ihrem Leben selbst erfahren, mehrfach.

So ist "Safe", der neue Song der 27 Jahre alten Wahlhamburgerin, das Titellied der kürzlich gestarteten ZDF-Serie "Herzflimmern" - und liegt auch der Sängerin selbst am Herzen. "Sicher fühle ich mich, wenn ich mich nicht mit vergangenen Dingen beschäftige, die ich ohnehin nicht mehr ändern kann, sondern einfach im Hier und Jetzt lebe", sagt die Sängerin. Zu schnell flüchte sie sich sonst in Pläne und vergesse darüber, den Moment zu genießen.

Dabei hätte sie gerade dazu allen Grund. Ihre aktuelle Single produzierte nämlich Guy Chambers, der bereits mit Weltstars wie Robbie Williams zusammengearbeitet hat. Vergangene Woche erst wurde sie auf der Frankfurter Musikmesse als "Best Newcomer 2011" geehrt. Es läuft gut für Graziella Schazad, seit sie vor rund einem halben Jahr ihr Debütalbum "Feel Who I Am" veröffentlichte. Sie steht da, wo sie hinwollte: im Studio, auf der Bühne. Kritiker bewundern die weiche Stimme, die unkonventionelle Art, mit der sie Geige, Gitarre oder das Klavier beherrscht. Und sie besitzt diese besondere Ausstrahlung, eine faszinierende Kombination aus Melancholie und Fröhlichkeit.

Zart wirkt sie, fast elfenhaft. Sitzt in einem Café im Schanzenviertel, wo sie seit 2007 lebt, die langen Haare zum Zopf geflochten, und spricht über Zweifel, Heimatlosigkeit oder plötzliche Geborgenheit. Ungewöhnlich offen, weit entfernt von standardisierten Antworten, wie sie in der Showbranche so häufig sind.

Nur selten nippt Graziella Schazad an ihrem Latte macchiato, erzählt viel, weil sie viel zu sagen hat. Aufgewachsen als Tochter eines afghanischen Vaters und einer polnischen Mutter in Berlin, muss sie früh zwischen den Welten, zwischen Kulturen und irgendwann auch zwischen den Eltern springen. Sie lieben ihr Kind, doch "sie waren kein Team", erinnert sich Graziella Schazad. Sie selbst versucht, es allen recht zu machen, droht sich zu zerreißen - und entflieht schließlich in die Musik. In den Melodien ist sie zu Hause, hier zweifelt sie nicht an sich und dem Leben. "Ich hatte phasenweise Angst zu scheitern, trotzdem habe ich mir eigentlich immer vertraut." Ein Jahr vor dem Abitur bricht sie die Schule ab, um mit einer Freundin als Folk-Duo durch die Berliner Klubs zu ziehen. 2004 trennen sich beide im Streit. "Ich war gut im Abschiednehmen", sagt sie. Obwohl sie im Grunde auf der Suche ist - nach einem Fixpunkt.

Vor fünf Jahren wurde sie fündig. Sie heiratet Dominik, einen Webdesigner, zieht mit ihm von Ingolstadt nach Hamburg. Der Entschluss, früh zu heiraten, sei sicherlich dem Bedürfnis nach einem Zuhause geschuldet, erzählt sie. Trotz oder gerade weil sie erfahren hat, wie schmerzhaft sie enden kann, glaubt Graziella Schazad an die Ehe. "Ich weiß, dass es keine Garantie gibt." Dominik wird zu ihrem Partner und zu ihrem besten Freund. "Durch ihn habe ich gelernt, für Dinge zu kämpfen und nicht länger vor ihnen wegzulaufen. Er erdet mich." Ihre Beziehung ist für sie das Wichtigste: "Meine Familie möchte ich nicht für die Musik verlieren." Häufig verabredet sich Graziella Schazad mit ihrem Mann, um Gespräche nicht "beim Gemüseschnippeln" zu führen. Sie spielen Backgammon, planen eine Fernreise nach Nepal. Kinder? Unbedingt, irgendwann. "Manchmal macht mir die Verantwortung Angst." Doch habe sie aus der Vergangenheit gelernt: "Ich würde versuchen, Dinge nicht unbedingt besser, aber anders zu machen als meine Eltern."

Zunächst stehe die Arbeit im Vordergrund. Einen Plan B, falls es nicht klappen sollte mit dem großen Durchbruch, hat sie nicht. Aber sie geht ihren eigenen Weg. So viel ist sicher.