Der Erbe des Tabakwarenkonzerns ist Mäzen, Literaturwissenschaftler und politischer Kopf. Jetzt hat er eine neue Aufgabe.

Hamburg. Zum 25. Jubiläum des Hamburger Instituts für Sozialforschung wurde Jan Philipp Reemtsma gefragt, was er der von ihm 1984 gegründeten und seither auch finanzierten Einrichtung wünsche: dass "das Überraschungsmoment erhalten bleibe", antwortete er 2009.

Der gute Wunsch könnte auch eine Maxime sein, die der Stifter selbst beherzigt. Denn Jan Philipp Reemtsma ist immer wieder für Überraschungen gut. Erst jetzt wurde bekannt, dass der 59-Jährige kürzlich zum Honorarkonsul der Republik Slowenien ernannt worden ist. Am 28. Februar wurde ihm vom slowenischen Botschafter Mitja Drobniè die Bestallungs- und Ernennungsurkunde übergeben. Und am vergangenen Dienstag erhielt Reemtsma von Staatsrat Wolfgang Schmidt, der in der Hamburger Staatskanzlei für Bundes- und auswärtige Angelegenheiten zuständig ist, das Exequatur ("er möge ausüben"), also das Entree auf das diplomatische Parkett in Hamburg.

Slowenien gehört seit Mai 2004 der Europäischen Union an und seit dem 1. Januar 2007 der Euro-Zone. Das kleine, wirtschaftlich gesunde Land mit etwa zwei Millionen Einwohnern auf einer Fläche von gut 20 000 Quadratkilometern ist so etwas wie der Vorzeigestaat unter den Ländern, die aus Ex-Jugoslawien entstanden sind.

Jan Philipp Reemtsma mit Schillerpreis geehrt

Dem Fernsehnachrichtendienst Nonstop News zufolge soll Reemtsma gesagt haben, er sei bislang noch nicht in Slowenien gewesen, werde dies aber bald nachholen. Auch wenn Jan Philipp Reemtsma Kenntnisse von Land und Leuten also erst noch erwerben muss, können sich die Slowenen auf einen Vertreter freuen, der vieles, was er tut, mit Leidenschaft angeht. Üblicherweise ist ein Honorar- oder Ehrenkonsul Ansprechpartner vor Ort in den Fragen, die Bürger des von ihm vertretenen Staates betreffen - wobei er kein Urkundsbeamter ist, also nicht zuständig für Visa- und Passangelegenheiten. Darüber hinaus hat er die besondere Aufgabe, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu vertiefen. Von Reemtsma dürfte noch mehr zu erwarten sein, denn der Hamburger Mäzen ist ein kulturell vielseitig aktiver Mensch und ein politischer Kopf.

Jan Philipp Reemtsma hatte mit 26 Jahren das Erbe seines Vaters Philipp Fürchtegott Reemtsma angetreten, aber seine Anteile an dem Tabakwaren-konzern sofort verkauft. Seither scheint er konsequent seinen privaten Interessen gefolgt zu sein, doch fügt sich das alles wundersamerweise in ein Gesamtwerk, das wie von langer Hand geplant erscheint.

Reemtsma ist Mäzen, Stifter, Institutsleiter und nicht zuletzt Literaturwissenschaftler - mehr noch: ein leidenschaftlicher Leser mit einer ausgeprägten Vorliebe für den Aufklärer Christoph Martin Wieland (1733-1813) und den wortschöpferisch-schwierigen Autor Arno Schmidt (1914-1979), den er Ende der 70er-Jahre mit einem quasi privat gestifteten "Nobelpreis" unterstützte. Reemtsma: "Die Schnittmenge der Menschen, die sein Werk gut kennen und zudem über Mittel verfügen, ihm ein leichteres Leben zu ermöglichen, war gering. Also habe ich mich entschlossen, ihm ein Angebot zu machen." Nach Schmidts Tod gründete Reemtsma 1981 mit dessen Witwe Alice Schmidt eine Stiftung, die sich seither vorbildlich um das Werk des Autors kümmert. Und auch um Wieland machte Reemtsma sich verdient: Er initiierte und finanzierte größtenteils die 2005 prächtig restaurierte Gedenkstätte des Wieland-Guts Oßmannstedt.

Für größtes gesellschaftspolitisches Aufsehen sorgte ein anderes Engagement des Mäzens. 1984 hat Reemtsma eine eigene sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtung eröffnet, das Hamburger Institut für Sozialforschung, das anfangs von den Hochschulen kritisch beäugt wurde, längst aber als eigenständige Stimme im Wissenschaftsbetrieb akzeptiert und permanent von Reemtsma finanziert wird. Das Institut sorgte 1995 mit der sogenannten Wehrmachtsausstellung für heftige Auseinandersetzungen, weil es in einer umfangreichen Dokumentation nach der Schuld der Wehrmacht an den nationalsozialistischen Kriegsverbrechen fragte.

Reemtsma tritt außerdem immer wieder als wichtiger Mäzen auf, vor allem mit seiner Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Lange Zeit hat er sich aus der Öffentlichkeit herausgehalten, diese Haltung jedoch aufgegeben, nachdem er 1996 entführt und Opfer einer Erpressung wurde. Die existenzielle Erfahrung dieses Verbrechens hat er in dem Buch "Im Keller" beschrieben. Seither ist Jan Philipp Reemtsma, der mit der Psychoanalytikerin Ann Kathrin Scheerer verheiratet ist und einen Sohn hat, häufig präsent in der Öffentlichkeit, als Hochschullehrer, als Vortragender. Und jetzt als Honorarkonsul Sloweniens.