Der Direktor des Hotels Grand Elysée in Rotherbaum über seinen Werdegang vom Praktikanten zum Chef in Weimar und Hamburg.

Hamburg. Hoteldirektoren sind fahrendes Volk, heute hier, morgen dort. Paul Kernatsch , seit Juli vergangenen Jahres Direktor im Grand Elysée , ist gewissermaßen auch familiär "vorbelastet". Geboren wurde er 1958 im irischen Dublin. Dorthin hatte es seinen Vater, einen Siebenbürgener Rumänen, nach Kriegsgefangenschaft und Studium in England verschlagen.

Als Kernatsch zehn Jahre alt war, zog die Familie nach Deutschland. Der Junge lernte Deutsch, "damals mit einem Knoten in der Zunge", um später zu merken: In Bayern hilft das auch nicht viel. Nach der Schule wollte er hinaus in die weite Welt, Berufswunsch: Steward, im Flieger um die Welt düsen. Der Boden der Tatsachen hieß da: Mach erst einmal ein Praktikum im Hotel, lern die Grundregeln von Service und Sicherheit. Und so begann im Holiday Inn an der Münchner Leopoldstraße eine Hotelkarriere. Aus dieser Zeit stammt eine Altlast: Er ist bis heute Fan des FC Bayern München.

Lehre als Hotelkaufmann, drei Jahre in Straßburg und Paris fürs Französische, Hotelfachschule, Betriebswirt. Dazwischen immer Stationen in Hotels, am Empfang, als Wirtschaftsdirektor. Nach zehn Jahren bei Holiday Inn der Sprung in die Privathotellerie, ins Hotel Palace in Berlin. Fünf Jahre noch in der geteilten Stadt, fünf nach dem Mauerfall. Da entwickelte Kernatsch ein Händchen fürs West-Östliche.

+++ Thorsten Hansens Kunst sind die Untertöne +++

+++ Nummer 15 im Elysée: Kernatsch wird Direktor +++

Uwe Frommhold holte ihn 1993 nach Hamburg, als zweiten Mann ins Hotel Atlantic. Machte nach vier Jahren mit ihm einen Ausflug nach Weimar, man schaute sich das Hotel Elephant an, das 1696 gegründete Traditionshaus. Ein Dialog unter Männern: "Wie gefällt dir das?" - "Sehr gut!" - Könntest du dir vorstellen, dass es ein Kempinski-Hotel wird, mit dir als Direktor?" - "Sofort!" - "Dann fängst du in zwei Wochen an." So kam Kernatsch 1997 nach Weimar, als einziger Wessi im Hotel. Die Stadtführer zeigten allen Touristen den Hotelbalkon zum Markt hin und erklärten, dass hier gern der Führer ...

"Die ganze tiefbraune Historie der Stadt war am Ende auf diesen Balkon konzentriert." Paul Kernatsch entwarf eine Gegenstrategie, mit dem Leiter der nahen KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhardt Knigge. Die ominöse Führer-Suite 100 wurde umgewidmet, mit Bildern von Udo Lindenberg und dessen von Honecker geschenkter Schalmei dekoriert.

Zum Kulturstadtjahr 1999 standen Goethe und Schiller in Lebensgröße auf dem Balkon, in dekorativem Ganzkörper-Blau, weitere Kulturfiguren folgten und gaben anderen Suiten den Namen: Bauhaus-Gründer Walter Gropius, die Schauspieler Lilli Palmer und Armin Mueller-Stahl.

Er erinnert sich gern an große Momente seiner Weimarer Zeit: an ein dreistündiges Dinner mit Sir Peter Ustinov, an einen Stadtrundgang mit Herbert Grönemeyer oder an das Glas Rotwein mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder in der Udo-Lindenberg-Suite, als sie auf Putin gewartet haben. Und 2010 logierten 97 Buchenwald-Überlebende, unter ihnen der spanische Schriftsteller Jorge Semprún, und 13 Veteranen der US-Armee dort, wo früher der Diktator Hof hielt. Kernatsch sagt: "Mission erfüllt."

Mit der Kultur holte Kernatsch das Haus zurück in die mentale Mitte der Stadt. Seine Frau Annette fand er in Weimar. Sie war es auch, die das klare Ziel Hamburg ausgab: "Wenn wir in Deutschland wechseln, dann nur nach Hamburg." Sie wohnen in St. Georg, "das erdet", sagt Kernatsch. Dort kann seine Frau schnell zum Joggen an die Alster, und zusammen entdecken die beiden gern die lebhafte Gastronomie im Stadtteil.

Wer mit Kernatsch spricht, lernt einen sehr entspannten, fast jungenhaft wirkenden Manager kennen, der um seine Qualitäten weiß: "Ich bin nicht der klassische Jasager und lieber Gestalter als Verwalter." Nach Hamburg ist er gekommen, weil er mit 52 noch einmal so richtig durchstarten wollte. Eugen Blocks Grand Elysée hat fünfmal so viele Zimmer wie der Elephant. "Eine Herausforderung", sagt Kernatsch.

Er kann ständig neue Ideen entwickeln, um ein Haus nach vorn zu bringen. Darunter waren auch schon schräge Sachen. Das Berliner Palace-Hotel hat er bei einem Straßenfest mit dem größten Cocktail der Welt ins Guinnessbuch der Rekorde gebracht: 1600 Liter Yellow Submarine, so hatte der bekennende Beatles-Fan das Getränk getauft, das über 14 Druckminderer in die Gläser lief.

Für das Grand Elysée setzt er auf Kooperationen mit Sport - HSV, Tennis - und Kultur. Mit dem Elbjazz-Festival zum Beispiel, das Pfingsten im Hafen über die Bühnen geht, mit dem Überjazz-Festival im Oktober auf Kampnagel. "Kulturkooperationen sind ein Stück Zukunft", sagt er und träumt von einem Jazz-Sonntag mit vier, fünf Bands im Hotel. Oder von einer Zusammenarbeit mit dem Filmfest Hamburg, einem Platz für entspannte Gespräche mit Filmstars und Regisseuren. Oder Lesungen auf hohem Niveau.

Und am kommenden Sonnabend gibt es wieder einen Hauch Wiener Opernball im Hotel Elysée, "mit einem 45-Personen-Orchester, Walzer, mit Debütanten, einem schönen Dinner, einem Dessert-Büfett des Patissiers vom Schlosshotel Fuschl".