Der 47-Jährige spielt täglich als Hotelpianist im Grand Elysée. Zwischen Hits und einsamen Herzen. “Man muss wissen, worauf man sich einlässt.“

Rotherbaum. Wenn Thorsten Hansen in der Lobby des Hotel Grand Elysée am Flügel Swing und Boogie spielt, dann fragt manchmal ein Gast: "Und was machen Sie eigentlich wirklich beruflich?" "Man muss schon wissen, worauf man sich einlässt", sagt der ausgebildete Pianist. Seit Jahren spielt der 47-Jährige regelmäßig im Grand Elysée. Der Mann am schwarzen Yamaha-Flügel ist für die meisten Gäste Nebensache. Doch wehe, er unterbricht sein Spiel. Dann wandern die Blicke sofort suchend zum Klavier.

Hansen ist einer von rund 60 Berufsmusikern des "Pianoteams", einer der größten Agenturen für Unterhaltungsmusik in Deutschland. Der Hamburger Musiker David Harrington hat die Leitung vor zehn Jahren übernommen. "Das Pianoteam wurde vor 25 Jahren mit dem Ziel gegründet, Unterhaltungsmusik zu professionalisieren und aus der schrulligen Ecke herauszuholen", sagt Harrington. Von einem "coolen" Image sind die Showpianisten aber immer noch weit entfernt. "Es fehlt vielen einfach an Rock 'n' Roll", sagt Harrington. "Rockmusiker sind im Vergleich viel selbstbewusster. Die spielen vor fünf Leuten in einem angesagten Klub und machen trotzdem auf dicke Hose. Hotelpianisten haben häufig die bessere Ausbildung, neigen aber zur Zurückhaltung."

+++ Rauschende Ballnacht im Hotel Grand Elysée +++

Der gemeinsame und professionelle Auftritt beim Pianoteam ist deshalb für viele besonders wichtig. Aufträge, die dort eingehen, verteilt Harrington auf seine Musiker. Dabei sind Auftritte auf Firmen- und Privatfeiern, Kreuzfahrtschiffen und eben in Hotels. Thorsten Hansen ist seit mehr als 20 Jahren im Geschäft. Ein guter Teil seines Verdienstes kommt über die Auftritte in Hotels zusammen. Auch das Hotel Atlantic und das Steigenberger gehören dazu. Am häufigsten spielt er aber im Grand Elysée. "In Hamburg ist es das einzige Hotel, in dem noch täglich Klavier gespielt wird."

In vielen anderen etablierten Häusern wird seit Jahren an der musikalischen Untermalung gespart. "Die Aufträge sind stark zurückgegangen. Die Tradition droht auszusterben", sagt David Harrington. "Und das darf auf keinen Fall passieren. Die Menschen lieben den Mythos des 'Pianoman'."

Der leise Beobachter am Klavier steht für klassische Tradition. Die Liederwunschliste ist wie in Stein gemeißelt - die ewig währende Top-Liste besteht aus Frank Sinatras "My Way", "Ballade pour Adeline" von Richard Clayderman, Les Browns "Sentimental Journey" und natürlich dem "Pianoman" von Billy Joel.

An Wochenenden sitzt Hansen oft bis in die Nacht am Flügel im Elysée, der direkt neben der Hotelbar steht. Das Klischee des Seelentrösters am Klavier wird zur Wirklichkeit: Einsame Menschen, die am Tresen ein Glas zu viel getrunken haben, sehnen sich nach wärmenden Worten; übermüdete Geschäftsleute fluchen, an den Flügel gelehnt, über die Selbstherrlichkeit in der Businesswelt. "Manchmal kommt es auch vor, dass eine Dame ihren Zimmerschlüssel auf den Flügel legt", sagt Hansen.

Es sei ein Balanceakt: "Wir müssen freundlich sein, zuhören können und gleichzeitig die Distanz wahren." Für den Fall mit dem Zimmerschlüssel gebe es jedoch eine ganz klare Regel: "Der Pianist meldet den 'verlorenen' Schlüssel an der Rezeption." Auch wenn Hansen bei seinen Hotel-Auftritten vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekommt - aufzuhören, das kommt für ihn nicht infrage. Er will die Tradition aufrechterhalten.

Es sind kleine Momente, in denen Thorsten Hansen merkt, dass er eben kein Relikt aus Großvaters Zeiten ist: Er spürt das, wenn die Menschen ihre Gespräche unterbrechen und innehalten, seinen Blick suchen, klatschen und sich nach Absprache doch trauen, ein Lied zu wünschen: "Ach, könnten Sie vielleicht noch einmal den 'Pianoman' spielen?" Bei der Frage weiß Hansen: Er hat den richtigen Beruf.