Ballettbetriebsdirektorin Ulrike Schmidt bereitet die Tourneen der Tänzer vor. Am Sonnabend geht es für das Hamburg Ballett nach China.

Hamburg. Am Sonnabend bricht das Hamburg Ballett zu seiner dreiwöchigen China-Tournee auf. Peking, Hongkong und Shanghai sind die Stationen, in zehn Vorstellungen sind John Neumeiers Tänzer auch kulturelle Botschafter der Hansestadt. 114 Menschen umfasst die Reisegruppe, 54 Tänzer, sechs Ballettschüler, Ballettmeister, Pianisten, Techniker, eine Physiotherapeutin für die hochempfindlichen Muskeln und Gelenke und sogar einen Arzt. Elf Container mit Dekorationen und Kostümen sind schon im Dezember auf die große Reise gegangen.

Dafür, dass alles rechtzeitig dort ist, hat Ballettbetriebsdirektorin Ulrike Schmidt gesorgt, John Neumeiers Frau fürs Organisatorische des Hamburg Balletts. Sie kennt die Theater dort gut und arbeitet seit zwei Jahren daran, alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen und alles vertraglich abzusichern. Allein die Beschaffung der Visa kann ein gutes halbes Jahr dauern bei einer internationalen Truppe wie Neumeiers Tänzern.

Die 55 Jahre alte Kulturmanagerin ist verantwortlich für - ja, eigentlich für alles. Das Kaufmännische, die Organisation des Spielplans, "wann wir welche Vorstellung hier in Hamburg machen", die Organisation von Tourneen, "wobei ich da Unterstützung habe durch eine Tourneemanagerin". Auch fürs Personal, für alle Verträge, für den Ablauf innerhalb des Hauses und die Kooperation mit der Oper und die Probenplanung. Bis zu vier, fünf Jahre muss da vorausgedacht werden, "natürlich mache ich das nicht allein". Mit ihrem zehnköpfigen Team plus Praktikanten hat sie nicht nur die China-Tour im Blickfeld.

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Geplant wird auch längst eine kleine Deutschland-Tournee im April, im Mai Moskau, im August/September Australien, im Oktober Baden-Baden, im November St. Petersburg und im Januar/Februar 2013 in die USA. Und natürlich die Jubiläumsspielzeit 2012/13 - "40 Jahre John Neumeier in Hamburg". Vorausdenken und rechnerisch möglich machen - das sind Ulrike Schmidts Meisterdisziplinen. Von den Visumkosten bis zum Ersatz für die mitreisenden Techniker der Oper, die ja derweil in Hamburg weiterspielt, Ansprechpartner sein auch mal für die ganz jungen Tänzer. Ihr Freundeskreis außerhalb der Kultur - "das ist sehr wichtig" - ist auf der ganzen Welt verteilt, aber sie pflegt ihn sehr bewusst, wenn sie auf Reisen ist. Verheiratet ist sie nicht, "das hab ich nicht geschafft bisher", sagt sie.

Ein Kind ist trotzdem in ihrem Lebenskreis - ihr Neffe in Köln. "Und die Tänzerinnen und Tänzer kommen ja auch sehr früh zu uns, da erzieht man manchmal auch mit." Großes Interesse an den Menschen sei notwendig, um in ihren Beruf hineinzuwachsen. Die studierte Betriebswirtin arbeitete in ihrer Heimatstadt Leverkusen bei Bayer in der Kulturabteilung, eignete sich Kulturmanagement durch Learning by Doing an, denn in der "Nur-Wirtschaft" hat sie sich nie ganz wohlgefühlt. Sie organisierte Ballettaufführungen, Konzerte, Festivals. Und lud damals schon das Hamburg Ballett ein. Auch nach Salzburg, ihre nächste Station. Dort wurde sie, zwei Jahre vor seinem Tod, noch von Herbert von Karajan eingestellt als Leiterin des Konzert- und Ballettreferats.

Sie weiß längst, wie Künstler ticken, in Salzburg erlebt man viele der ganz Großen, mit einigen ist sie befreundet. Dass sie 1991 als Ballettbetriebsdirektorin und Stellvertreterin des Ballettintendanten nach Hamburg gewechselt ist, könnte daran liegen, dass sie selbst früher getanzt hat, "auch Aufführungen, aber nicht professionell".

An Ballett und Tanz hängt ihr Herz. Hier im Ballettzentrum verbindet sich alles für sie: das geräuschlose Organisieren, die Nähe zur kreativen Kunst, ihre Begeisterungsfähigkeit und das weite Feld, auf dem ihre Antennen für die Befindlichkeiten der Künstler gefragt sind und Ulrike Schmidts eigene Persönlichkeit, wenn's was zu regeln gibt. Freundlich und zugewandt ist sie meistens, man sollte sich aber nicht täuschen lassen: Sie kann auch hart und sogar laut werden, wenn ihr feines Gefühl für Gerechtigkeit etwas nicht akzeptieren will.

Am 24. Januar soll in Peking das Wunder geschehen: Wenn im 2007 eröffneten National Center for the Performing Arts alles richtig auf der Bühne steht, alle Kostüme da sind und die erste Vorstellung des Neumeier-Balletts "Dritte Sinfonie von Gustav Mahler" beginnt. Ulrike Schmidt sitzt dann im Zuschauerraum. Mit Zeitverschiebung hält sie in China den Kontakt zu Hamburg, nutzt passende Momente, um mit John Neumeier Projekte zu besprechen, "auch mal ausführlicher, denn dann hat er nicht so viel anderes drum herum".

Sie sieht zu, dass ihre Rechnung - "mit so einer Tournee kann man nicht viel verdienen" - aufgeht und eine schwarze Null am Ende steht. Versucht, wenigstens diesmal ein Stündchen im Zeitplan zu finden für einen Besuch des Shanghai-Museums. Vielleicht doch noch den einen oder anderen Eindruck von China außerhalb der Theater mitzubekommen.

Wann immer sie kann, sucht sie in der Natur den Abstand zum Alltagsstress, am liebsten in den Bergen - oder, wenn das nicht geht, radelt sie von Ottensen aus die Elbe entlang. Aber am Wochenende nach der Rückkehr aus China fährt sie nach Köln. Zum Karneval. Ihr Neffe geht dort im "School- un Veedelszooch" mit, und sie erzählt begeistert, dass die Kölner Philharmonie sogar einen eigenen Wagen im Rosenmontagszug hat. "Undenkbar für Hamburger, oder?"

Für sie ist Karneval wichtig, "etwas Kleines und Innerliches, menschlich sehr Zugewandtes, Integrierendes - immer sehr entzückend. In den tristen Monaten Januar, Februar ist es das, was der Mensch braucht - in eine andere Haut schlüpfen, was Künstler ja auch tun, in verschiedene Rollen hineintauchen. Das tut den Menschen gut."