Der Unternehmer und Mäzen Edmund Siemers fördert Jugendliche. Der Urenkel des Stifters des Universitätsgebäudes will im Hafen anders bauen.

Hamburg. Nicht immer erleichtert es das Leben, so zu heißen wie eine Straße. Als Edmund Siemers mal bei der Ausleihe in einer Bücherhalle die Frage nach seinem Namen beantwortet, hört er: "Und ich bin der Kaiser von China." Aber Siemers, einer der Erben der Hamburger Unternehmer- und Mäzenatenfamilie, heißt nun mal so wie sein Urgroßvater, der das Hauptgebäude der Universität gestiftet hat und mit der Edmund-Siemers-Allee geehrt wurde.

Edmund Johann Hinrich Siemers, 42, sitzt in seinem Büro an der Schlankreye, gleich beim Holi-Kino. In seinem Büro hängt ein weit verzweigter Stammbaum, der bis zurück ins Jahr 1444 reicht, da hieß die Familie noch Symerx. Sie ist seit Generationen unternehmerisch rege, hatte oft die Nase vorn. Wenn er davon erzählt, klingt das wie ein Roman mit einer vielfach verschlungenen Handlung.

Zum Beispiel Edmund Julius Arnold, geboren 1840, der Siemers mit der Allee. Leitet in dritter Generation die Familienfirma G.J.H. Siemers. Der Kaufmann, Reeder und Bankier fängt 1887 an, Petroleum zu importieren. Der Petroleumhandel landet über die Deutsche Esso an die heutige Exxon. Edmund Siemers importiert Guano aus Chile mit eigenen Segelschiffen und Dampfern. Kauft Grundstücke rund um Hamburg, beteiligt sich im Jahr 1911 an der Luftschiffhallen GmbH, aus der dann der Hamburger Flughafen entsteht. Er ist Mäzen und sitzt 26 Jahre in der Bürgerschaft.

Der heutige Edmund Siemers berichtet auch vom Großvater Johann Hans-Edmund, der 42 Klubs, vornehmlich englischen, angehörte, oft in London weilte und als zweite Frau eine Gräfin aus ungarischem Uradel heiratete, "verwandt mit dem englischen Königshaus und dem historischen Vorbild des Grafen Dracula". Erzählt von deren riesigem Gut in Siebenbürgen - verloren. Von Revolution, Inflation, Weltkriegen - zweimal musste die siemerssche Flotte mit dem Familienwappen Mond und Stern an die Siegermächte abgeliefert werden.

Im Zweiten Weltkrieg wird viel vom Immobilienbesitz der Familie und ihrer Stiftung zerstört. Vater Hans-Edmund Bela Siemers, geboren 1920, spuckt in die Hände und fängt gemeinsam mit einem Maurer an, Mietshäuser und Stiftungsvermögen wieder aufzubauen.

Der Vater, Bauunternehmer mit Hang zum Künstlerischem, heiratet in zweiter Ehe die Galeristin Gabriele von Loeper. Baut 1968 an der Ecke Fruchtallee/Doormannsweg das 19-stöckige "Siemers-Haus" mit Penthouse und Dachgarten. Das Kunstzentrum dort propagiert eine antispießige Lebenshaltung, die Vater und Mutter aus London mitbringen, wo sie Pop-Art, Minirock, Beat-Musik und andere Provokationen erlebten, was auch in Hamburg zum Ausprobieren neuer Kunstformen inspiriert. 1970 zieht der Vater hinaus aufs Land, kauft das Gestüt Neddernhof bei Buchholz in der Nordheide.

Hier wächst Edmund auf, in einem Paradies à la Bullerbü, wo "der ganze Blankenese-Kram" kaum eine Rolle spielt. Pferde, Kutschfahrten, zwei große Seen. Wo aber ist der eigene Weg? Er führt weg vom Vater, der alles so perfekt regeln kann. Austauschschüler in Amerika, Betriebswirtschaft in der Schweiz. Aktienspekulationen, hohe Verluste. Siemers redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist: "War vielleicht gut so, dieser Dämpfer, sonst wär ich ein wahnsinnig unsympathischer Schnösel geworden." Er probiert vieles - Plattenladen, Internetradio, PR-Beratung.

Doch der Name Siemers ist eine Verpflichtung, der man sich schwer entziehen kann. Edmund Siemers steigt in die Grundstücks- und Wohnungsgesellschaft des Vaters ein, die er seit dessen Tod 2009 leitet. Sitzt im Stiftungsrat der Siemers-Stiftung, die zu den größten Stiftungen in Hamburg gehört. Aber er verfolgt auch eigene Visionen.

Hat neben dem Büro Edmund Siemers, das sich um Marketing kümmert, die Hamburger Lagerei, Anlagen und Ponton-Gesellschaft gegründet. Er liebt das Leben am Wasser, hat beim Triathlon-Training auf dem Fahrrad im Hafen den Platz für eine ruhigere Lebensweise gefunden und ein Hausboot zum Arbeitsplatz gemacht. "Erholen auf dem Wasser, angeln, mit den Menschen hier reden. Das tut der Seele gut."

Im Kopf hat er "einen Blumenstrauß von Dingen und Möglichkeiten". Träumt davon, dass Hamburg endlich die Möglichkeiten nutzt, die sich durch seine Lage am Wasser ergibt. "Amphibisches Bauen, nicht am Wasser, sondern über dem Wasser, im Wasser, auf dem Wasser." Pontons kauft er dafür, restauriert Traditionsschiffe und Wohnschuten. Sammelt Grundstücke in Hafengegenden, an die heute noch keiner glaubt. "Hamburg, das manchmal sehr spießig daherkommt, wird wahnsinnig spannend vom Wasser her betrachtet."

Edmund Siemers, verwoben in einer Kette der Generationen und verliebt in einer festen Beziehung mit Vanessa von Staden, stößt leidenschaftlich gern Neues an. So wie mit dem "Förderwerk Elbinseln". Mit der Designerin Sibilla Pavenstedt gründete er "Made auf Veddel", wo Migranten-Jugendliche im Nähen gefördert werden. Mit dem Journalisten Michael Seufert betreibt er "Wörter an die Macht!", ein Projekt zum kreativen Schreiben, das Jugendliche aus Wilhelmsburg dazu bringt, ihre Erfahrungen zu reflektieren und anderen zugänglich zu machen. Gerade haben die beiden das eindrucksvolle Buch mit den dort entstandenen Texten vorgestellt, erschienen bei Hoffmann und Campe. Siemers kennt die Jugendlichen, packt auch selbst mit an. Bereits in Planung ist das Restaurieren einer alten Barkasse. Seine Ziele? "Man hat gesehen, was daraus wird, wenn man die Welt verändern will", sagt Siemers. "Ich hab mir vorgenommen, nicht die Welt, sondern meine Welt zu ändern."