Die 38-Jährige Theresa Goitom betreibt das Petit Café in der City. Den Kuchen liefert die Kaffeehaus-Legende aus der Hegestraße.

Hamburg. Es ist ein bisschen so wie bei Oma im Petit Café an den Hohen Bleichen. Die Möbel hat die Betreiberin Theresa Goitom allesamt auf Flohmärkten oder Versteigerungen erstanden, Kaffee und Kuchen serviert sie auf altmodischem Porzellangeschirr mit Goldrand, und auf der Theke aus dunklem Holz stehen vier große Bleche mit fruchtigem Streuselkuchen. Die kleine Kaffeestube aus Eppendorf hat eine Dependance in der City, werden viele Gäste denken. Doch das ist falsch. Es handelt sich um ein eigenständiges Café.

Was die beiden Läden aber miteinander verbindet, ist die lange Freundschaft Goitoms mit Ulrike Stiller, deren Mutter einst das Traditionscafé an der Hegestraße gründete. Hier war Goitom oft zu Gast. Jetzt bezieht sie von Familie Stiller den legendären Blechkuchen, und auch den bekannten Namen darf sie verwenden. Im Gegenzug liefert die 38-Jährige ihren selbst gerösteten Kaffee aus der City nach Eppendorf.

Das Konzept, dem neuen Kaffeeladen die Handschrift des Traditionscafés zu verleihen, geht offenbar auf. Der bekannte Name und der in Hamburg bekannte klebrig-süße Streuselkuchen locken vor allem an den Wochenenden viele Besucher nach ihrem Stadtbummel hierher. Dann ist es in dem Café an den Hohen Bleichen ebenso eng wie in dem an der Hegestraße.

Auch der Service ist manch einem Kunden zufolge ähnlich: Wenn es besonders voll ist, zieht sich die Wartezeit - und hin und wieder rutscht eine Bestellung durch. Das stört offensichtlich nicht allzu viele, denn das Café ist nach den ersten Monaten von der Kundschaft bereits gut angenommen worden. Freie Platzwahl ist eigentlich nur frühmorgens möglich.

Die zahlreichen Gemeinsamkeiten der beiden Cafés sind jedoch rein zufällig, so Goitom. "Ich finde zum Beispiel alte Möbel einfach toll. Bei mir zu Hause sieht es genauso aus. Vieles von dem, was hier steht, war einmal Teil meiner Wohnzimmereinrichtung", sagt die Chefin und lächelt.

Ihr ganzer Stolz ist eine mintgrüne restaurierte Kirchenbank, die im Obergeschoss Platz gefunden hat und farblich perfekt zu den grünen Fensterrahmen passt. Sie habe vor einiger Zeit eine ähnliche Bank in Eppendorf gesehen, die ihr aber zu teuer gewesen sei. Trotzdem sollte es unbedingt ein solches Modell für ihr eigenes Petit Café sein.

Im Internet ist Goitom dann fündig geworden. Hier versteigerte eine Kirchengemeinde das Mobiliar ihres Gotteshauses. "Ich hatte vorher alles ganz genau ausgemessen. Die Wand oben ist fünfeinhalb Meter lang, und die Anbieter aus Leipzig meinten, dass es passen würde", erzählt Goitom und streckt dabei ihre Arme weit aus, um die Größe der Fläche zu verdeutlichen.

Als das begehrte Stück dann endlich von Sachsen nach Hamburg geliefert wurde, bekam die zierliche Gastwirtin einen großen Schreck. "Die Kirchenbank war 5,15 Meter lang, also zu groß für meine Lücke." Ganz in Ruhe habe sie den vorgesehenen Platz ein weiteres Mal vermessen und riesiges Glück gehabt: "Ich habe mich beim Messen vertan. Die Wand ist genau 5,17 Meter lang. Perfekter könnte die Bank nicht in die Lücke passen."

Auch dass das Café in der City der Namensvetter des Cafés in Eppendorf geworden ist, sei ebenso wie die ähnliche Ausstattung keine Absicht gewesen. "Ich wollte meinen Laden ursprünglich nach meiner kleinen Tochter benennen. Da Lilly - Bei Lilly - sollte er heißen", erzählt Goitom. "Die Kleine kam vor eineinhalb Jahren so überraschend und ist mein großes Glück. Da dachte ich, der Name ist ein gutes Omen."

Im letzten Moment habe sie sich aber dann doch anders entschieden. "Ulrike hat gesagt, du bekommst unseren Kuchen, und hier sieht es auch noch so ähnlich aus - nenn dein Café doch einfach so wie unseres. Das passt", sagt Theresa Goitom.

Mit dem Petit Café hat sie sich einen Kindheitstraum erfüllt. Ursprünglich kommt sie aus Eritrea. Dort besaß ihre Familie ein Geschäft, in dem sie vor allem selbst gerösteten Kaffee, Backwaren und Tee verkaufte. "Für mich war immer klar, dass ich eines Tages auch so etwas machen werde. Deshalb habe ich mich nach der Schule auch für eine Ausbildung als Hotelfachwirtin entschieden", sagt Goitom, die mit ihren Eltern und ihren sechs Geschwistern 1979 vor dem Krieg aus ihrer Heimat nach Hannover floh.

Mit Anfang 20 zog es Goitom in die Hansestadt, stets den Traum im Kopf. "Ich habe viele Jahre nicht in der Gastronomie gearbeitet, aber trotzdem immer daran geglaubt, eines Tages genug Geld zu haben, um mein eigenes kleines Café zu eröffnen", sagt die Junggastwirtin. Mehrere Jahre lang sammelte sie das antike Mobiliar und lagerte es ein, bis schließlich das Bücher-Antiquariat an den Hohen Bleichen schloss, in dessen Räumen nun seit einiger Zeit Goitoms kleines Reich untergebracht ist. Ihr Kindheitstraum hat sich endlich erfüllt.

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