Thorsten Pech ist seit Kurzem Bürgernaher Beamter in Eppendorf. 258 dieser Polizisten gibt es derzeit in Hamburg. Ein Rundgang.

Hamburg. Um 7 Uhr ist Dienstbeginn für Thorsten Pech. Los geht's im Kommissariat 23, bevor Pech sich aufmacht zum täglichen Rundgang durchs Quartier. Seit dem 1. November 2011 ist er Eppendorfs neuer bürgernaher Beamter. kurz "BünaBe". Thorsten Pech löste Rolf Früchtenicht nach langer Amtszeit ab. Früchtenichts Fußstapfen waren groß, fast jeder Eppendorfer kannte ihn. Doch Thorsten Pech hat es mit seiner offenen Art schnell geschafft, in seinem neuen Quartier schnell erkannt und geschätzt zu werden.

"Bist du ein echter Polizist?", fragt ein kleiner Junge mit roten Haaren, als Thorsten Pech um 9.35 Uhr, rechtzeitig zur ersten Pause, die Grundschule Knauerstraße betritt. Der Schutz von Schulkindern gehört zu seinen primären Aufgaben, die Schulen im Viertel sucht er regelmäßig auf. Viele Kinder kennen ihn bereits, begrüßen ihn fröhlich mit Namen, rennen auf ihn zu und schließen einen engen Kreis um ihn. "Seit ich mich in der Schule vorgestellt habe, wollen viele später auch zur Polizei", sagt Pech und lächelt. Auf den Schulfluren ist der neue BünaBe bereits dauerpräsent - als sogenannter Cop4U ist er auf einem Plakat abgebildet, mit seiner Handynummer für alle Fälle.

258 bürgernahe Beamte gibt es derzeit in Hamburg. 1981 wurde dieser Sondertyp des Streifenpolizisten in der Hansestadt eingeführt, um für mehr Bürgernähe der Polizei zu sorgen. Inzwischen ist er längst in vielen deutschen Städten präsent, dort nennt man ihn meist "Kontaktbereichsbeamter", in Nordrhein-Westfalen sagt man "Bezirksbeamter", in Bremen "Kontaktpolizist" (KOP).

Den Hamburgern soll mit dem bürgernahen Beamten ein "Freund und Helfer" in jedem Viertel zur Seite gestellt werden, ein bekanntes Gesicht, das Recht und Ordnung vor Ort verkörpert, in der Tradition des Schutzmanns an der Ecke. Jedes der 28 Kommissariate im Stadtgebiet verfügt je nach Fläche und Bevölkerung über einige BünaBe, die meisten arbeiten in Rahlstedt (19) und Billstedt (18). Voraussetzung für den Job: ein Mindestalter von 40 Jahren und viel Erfahrung. Ein gewisses kommunikatives Talent ist natürlich auch nicht von Nachteil.

Für Thorsten Pech ging es zu Beginn vor allem darum, sich den Bewohnern des Viertels bekannt zu machen. Bereits im April begann sein Vorgänger Rolf Früchtenicht, ihn einzuarbeiten und gemeinsam wichtige Einrichtungen zu besuchen. Eine Teestunde im Seniorenkloster gehörte genauso dazu wie die Lehrerkonferenz in den Stadtteilschulen. Sein Arbeitsalltag ist durchaus vielfältig. Strafverfolgung, Seniorenschutz, Gewaltprävention und Diebstahlverfolgung sind nur einige der Tätigkeitsfelder eines BünaBe.

Man könnte meinen, dass es in einem wohlhabenden Bezirk wie Eppendorf vergleichsweise wenig für einen bürgernahen Beamten zu tun gibt. Weit gefehlt. Gerade auf der und um die Eppendorfer Landstraße sind Diebstähle und Wohnungseinbrüche zurzeit beinahe an der Tagesordnung. Die Wohnungen werden zumeist am helllichten Tage ausgeraubt, oft schicken die Banden minderjährige "Späher" vor, dann ist Pechs Wachsamkeit besonders gefragt. Gewaltprävention an den Schulen sowie Aufklärungsarbeit in Seniorenheimen über jüngste Betrügereien im Umgang mit so wohlhabenden wie wohleinenden Rentnern (Stichwort "Enkeltrick") sind gerade im schicken Eppendorf ein wichtiges Thema.

Die Filialleiterin eines kleinen Parfümeriegeschäfts begrüßt Thorsten Pech gleich beim Betreten des Ladens und meldet, dass vor Kurzem schon wieder Waren entwendet worden seien. Die beiden beraten, wie gegen die Diebe vorzugehen sei. Die Dame schätzt nach eigenen Angaben das BünaBe-Konzept sehr: "Die bürgernahen Beamten liebt man richtig - sie sind ein Ansprechpartner in allen Lebenslagen."

Ein paar Minuten später wird Pech von einer Frau auf der Eppendorfer Landstraße angesprochen. "Bitte schützen Sie mich, ich habe wertvolle Ware bei mir", sagt sie lächelnd. Kleiner Scherz, die Frau hat lediglich eine Dose Bahlsen-Kekse bei sich. "Wenn Sie mir dann etwas davon abgeben, dann gerne", erwidert Pech. So was passiere ihm häufig - dass ihn die Leute einfach mal nett ansprechen, einen kurzen Scherz mit ihm machen oder einen Plausch mit ihm halten.

Ungleich schwieriger wird sein Job, wenn es darum geht, Konflikte zu entschärfen - etwa den jüngsten Streit zwischen Skatern und Ausstellern auf dem Weihnachtsmarktgelände am Marie-Jonas-Platz. Die Budenbetreiber sowie einige ältere Besucher hatten sich beschwert, dass die jugendlichen Skatebord-Fahrer den Platz nach wie vor für ihr Lieblingshobby nutzten und auf das Weihnachtsmarkt-Publikum dabei kaum Rücksicht nähmen. Thorsten Pech war mehrmals vor Ort, sprach mit beiden Seiten, versuchte zu vermitteln. Mit Erfolg: Die Skater sollen nun einen neuen Platz auf einem Schulgelände bekommen, zum Weihnachtsmarkt gehen sie seither dem Vernehmen nach auf Distanz.

Ein anderes Dauerthema und Ärgernis für die Eppendorfer: die vielen Schrottfahrräder. Am Wegrand rosten viele seit Jahren ungenutzte Drahtesel vor sich hin. Gleich zweimal wird Pech auf seinem heutigen Rundgang spontan angesprochen, wann denn diese Mengen von "Schrottlauben" endlich entsorgt würden. Dafür sei der Ordnungsdienst zuständig, er selbst leite Beschwerden weiter, antwortet Thorsten Pech dann. Wenn es seine Zeit erlaubt, koordiniert er die regelmäßigen Räumaktionen des Ordnungsdienstes mit und legt auch mal persönlich Hand an.

Thorsten Pech sagt, er sei mit großem Spaß bei der Arbeit, den direkten Kontakt mit den Bürgern schätze er dabei besonders. "Oft laden die Bürger ihre Sorgen und Probleme bei mir ab. Ich bin eben ein Polizist zum Anfassen und irgendwie auch das Mädchen für alles". Unter Bürgern und Kollegen ist Pech beliebt, für jeden hat er einen flotten Spruch auf den Lippen. "Spaß auf der Arbeit gehört für mich unbedingt dazu, sonst könnte ich das nicht machen."

Der heute 49-Jährige, der in einem kleinen Dorf nahe Itzehoe zur Welt kam, wollte nach eigener Auskunft schon als Kind Polizist werden. Zunächst arbeitete er beim Bundesgrenzschutz in Bonn, 1988 kam er dann nach Hamburg. Dort arbeitete er in den Quartieren St. Pauli und Sternschanze, bevor er nach Eppendorf kam.

Mit den Betreibern der adventlichen Glühweinstände und Imbissbuden am Marie-Jonas-Platz hat sich Thorsten Pech inzwischen längst angefreundet. Schon von Weitem winken ihm die Besitzer des Crêpe-Stands zu und freuen sich auf einen kurzen Schnack mit dem BünaBe. Und als eine ältere Dame mit ihrem Gehwagen nicht über die verlegten Kabel fahren kann, ist er sofort zur Stelle, um ihr zu helfen. Mehr BünaBe als Thorsten Pech kann ein Polizist schwerlich sein.