Hamburg. Wo auch immer Dennis Russell Davies aufs Podium tritt, legt er gern unbekannte Partituren aufs Pult. Auch wenn der US-amerikanische Dirigent Mitte Januar in die Elbphilharmonie kommt. Zum Konzert mit dem Philharmonischen Staatsorchester bringt er die zweite Sinfonie von Heinz Winbeck mit.
Dennis Russell Davies spürt der Romantik nach – abseits der Trampelpfade
Heinz wer? Genau. In Norddeutschland ist der Name kaum bis gar nicht bekannt. Anders im Süden der Republik. Als langjähriger Professor der Hochschule in Würzburg und angesehener Komponist hat der 2019 verstorbene Bayer dort viele Spuren hinterlassen. Mit einem Schaffen, das so gar nicht dem Klischee der zeitgenössischen Musik entspricht.
„Ein großer Unzeitgemäßer“: So hatte der Sender BR Klassik seinen Nachruf auf Winbeck betitelt, der sich immer zur klassisch-romantischen Tradition bekannte. Etwa indem er sich von Mahler und Bruckner inspirieren ließ und an vertraute Gattungen glaubte. Fünf Sinfonien hat Heinz Winbeck zwischen 1983 und 2011 geschrieben; vier davon uraufgeführt von Dennis Russell Davies.
Ein Ton des Ringens und Zweifelns prägt das Konzertprogramm
In seiner zweiten Sinfonie, entstanden 1986/87, reflektiert Winbeck über den Sinn des Komponierens in Anbetracht von existenziellen Erschütterungen wie der Nuklearkatastrophe von

„Mit vernichtendem Schwung“ heißt die Überschrift des mittleren Satzes im rund einstündigen Werk, das der Komponist mit einem Adagio von mahlerschen Dimensionen beschließt.
Winbecks Sinfonie berührt grundsätzliche Fragen des menschlichen Daseins. Dieser Ton des Ringens und Zweifelns prägt auch schon den Auftakt des Programms. Es startet mit der „Faust“-Ouvertüre von Richard Wagner, die die Seelenqualen von Goethes berühmter Grüblerfigur in dunkle Töne fasst.
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- Ein großer Unzeitgemäßer
Das Klavierkonzert von Robert Schumann kontrastiert solche Phasen der Schwermut mit Momenten von juchzendem Überschwang. Als Solistin für das Stück, das mit einem der wohl schönsten Themen des 19. Jahrhunderts beginnt, haben die Philharmoniker Elisabeth Leonskaja engagiert. Eine der herausragenden Pianistinnen der Gegenwart, bekannt für ihr nahbares und warmherziges Spiel. Man müsse halt im Takt spielen, dürfe nie den Puls der Musik verlieren: so hat Leonskaja in einem Interview mit dem Magazin „Rondo“ erklärt, wie sie den natürlichen Fluss in ihren Interpretationen hinbekommt. Das klingt einfach, ist aber große Kunst. Gerade und erst recht in der romantischen Musik, die viel Freiheit und ein Gespür fürs Innehalten braucht. Es wird sicher spannend zu hören, wie die Wahlwienerin Schumanns Musik beatmet und seine herrlichen Melodien am Flügel zum Singen bringt.
Philharmonisches Staatsorchester, Dennis Russell Davies, Elisabeth Leonskaja 14.1.24, 16.00, 15.1.24, 20.00, Elbphilharmonie. Restkarten ab 15,- unter T. 35 68 68; www.staatsorchester-hamburg.de
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