Hamburg. Sie heißen Güngör Yilmaz und Maryam Blumenthal, Krzysztof Walcak und Metin Kaya: Kein Landesparlament in Deutschland ist so multikulturell wie die Hamburgische Bürgerschaft. Ende 2021 hatten 21 Prozent der Abgeordneten in Hamburg einen Migrationshintergrund. Das hat eine Studie des Mediendienstes Integration ergeben.
Hoch war der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund demnach auch in den Parlamenten der anderen Stadtstaaten Bremen (19,0 Prozent) und Berlin (17,1). Dahinter klafft eine deutliche Lücke zum ersten Flächenstaat Baden-Württemberg, der mit einem Anteil von 11,7 Prozent etwa auf dem Niveau des Bundestags liegt (11,3).
Wenige Abgeordnete mit Migrationshintergrund gab es in den ostdeutschen Flächenländern mit durchschnittlich 1,5 Prozent. Am Ende der Liste steht allerdings das Saarland, in dem Ende 2021 kein einziger Abgeordneter eine Einwanderungsbiografie aufzuweisen hatte. Durchschnittlich kommen die Landesparlamente auf einen Migrationsanteil von 7,2 Prozent.
Hamburg: Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund höher als der Wahlberechtigten
„Die Unterschiede zwischen den Ländern gehen vor allem auf unterschiedliche Bevölkerungsanteile mit Migrationshintergrund zurück“, schreiben die Autoren Andreas M. Wüst und Henning Bergmann von der Hochschule München. Hinzu komme möglicherweise, dass in Großstädten „große Gruppen von Einwander:innen besser organisiert und vernetzt sind“.
In Hamburg übersteigt der Anteil der Abgeordneten den der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund (16 Prozent) sogar um gleich fünf Prozent. Besonders schlecht sind die wahlberechtigten Migrantinnen und Migranten dagegen neben dem Saarland (8,5 gegenüber 0,0 Prozent) auch im benachbarten Rheinland-Pfalz (13/2,0) in der Politik repräsentiert. Auch in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen sei diese Lücke groß.
Links-Rechts-Gefälle bei Abgeordneten mit Migrationshintergrund
Bei den Fraktionen offenbare sich auf Länder- wie auf Bundesebene ein deutliches Links-Rechts-Gefälle. So hätten nur 2,1 Prozent der Abgeordneten von CDU und CSU in den Landtagen einen Migrationshintergrund. Im Bundestag waren es 4,1 Prozent. Die FDP kommt auf einen Migrantenanteil von 3,1 (Landtage) und 5,4 Prozent (Bundestag). Die Zahlen der AfD lagen knapp darüber (4,5 und 7,2 Prozent).
Weit höher fielen die Werte bei Linken, SPD und Grünen aus. Der Anteil unter den Linken-Abgeordneten im Bundestag betrug laut der Studie mehr als 28 Prozent und in den Landesparlamenten gut zehn Prozent. Bei den Grünen lag der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund in den Landesparlamenten bei fast 16 Prozent und im Bundestag bei gut 14 Prozent. Bei der SPD lag der Wert bei 9,8 Prozent in den Landtagen und 17 Prozent im Bundestag.
Einwanderer in der Politik: Forscher fordern mehr Chancengleichheit
Was CDU/CSU und Linke gemeinsam haben: Bei beiden Fraktionen liegt der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund auffallend deutlich über dem gesamten Frauenanteil.
Unter den Herkunftsländern stellt die Türkei mit 75 Abgeordneten über alle Parlamente hinweg den größten Anteil (2,9 Prozent). Die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, die allein 3,6 Prozent aller Wahlberechtigten ausmachen, stellen dagegen nur 14 Abgeordnete (0,5 Prozent) – bevorzugt in den AfD-Fraktionen.
Dahinter folgen das frühere Jugoslawien (13) und der Iran (12). Eher unterrepräsentiert seien die Menschen mit polnischem (8 Abgeordnete) und mit italienischem Hintergrund (7).
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Bedenke man zudem, dass Abgeordnete mit Migrationshintergrund durchschnittlich deutlich kürzer im Bundestag verweilten als solche ohne, „muss zumindest ein Fragezeichen hinter der politischen Gleichstellung von Einwander:innen und ihren Nachkommen gesetzt werden“, schreiben Wüst und Bergmann. Die Parteien seien aufgefordert, hier für Chancengleichheit zu sorgen.
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