Hamburg. Olaf Scholz kann sich an einen Treffen mit Gesellschafter der Warburg Bank nicht erinnern. Politiker sehen Widersprüche. Die Vorwürfe.

Vor dem Finanzausschuss des Bundestages hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als damaliger Finanzminister 2020 nach Erinnerung von Zeugen widersprüchlich zur „Cum-Ex“-Affäre geäußert.

Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zu der Affäre erklärte der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi am Freitag, Scholz habe zunächst über ein Treffen mit dem Gesellschafter der Warburg Bank, Christian Olearius, gesagt: „Er könne sich zu Gesprächsinhalten aufgrund des Steuergeheimnisses nicht äußern.“

„Cum-Ex“-Affäre: Fabio de Masi fühlt sich getäuscht

In einer zweiten, als geheim eingestuften Sitzung am 1. Juli 2020 habe Scholz dann erklärt, er habe bei dem Treffen mit Olearius am 10. November 2017 nur passiv zugehört. Erst in einer dritten Sitzung des Ausschusses am 9. September 2020 habe Scholz Erinnerungslücken geltend gemacht. De Masi sagte, er habe sich als Mitglied des Finanzausschusses getäuscht gefühlt.

Nach Erinnerung des CSU-Bundestagsabgeordneten Sebastian Brehm hatte Scholz auf der ersten Sitzung des Finanzausschusses am 4. März 2020 gesagt, durch Medienberichte sei schon alles bekannt und er könne für sich in Anspruch nehmen, korrekt gehandelt zu haben. Wegen des Steuergeheimnisses könne er keine weiteren Angaben machen. „Ich fand das widersprüchlich“, sagte Brehm.

Da zu den Finanzausschusssitzungen lediglich Gedächtnis- und keine Wortlautprotokolle angefertigt wurden, erhofften sich die Hamburger Ausschussmitglieder von den damals anwesenden Berliner Abgeordneten Aufklärung in der Frage, ob Scholz' Angaben zu den Treffen noch aus eigner, aktiver Erinnerung erfolgten.

Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. © Marcus Brandt/dpa

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) konnte sich nur wenig an die Befragungen von Scholz erinnern. Die Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) und Norbert Hackbusch (Linke) hielten ihr vor, sie habe Scholz damals nach Bekanntwerden weiterer Treffen mit Olearius der Lüge bezichtigt. Paus räumte ein, nach den Sitzungen den Eindruck gehabt zu haben, dass sich Scholz nur ein Mal mit dem Banker getroffen habe. „Das hat sich später anders dargestellt. Von daher meine Bewertung“, sagte die Ministerin.

Paus hatte gleich in einem Eingangsstatement klargestellt, dass es damals als Oppositionsabgeordnete ihre Aufgabe war, die Äußerungen von Scholz zu bewerten. Heute habe sie als Bundesministerin eine andere Aufgabe.

„Cum-Ex“-Affäre: Großer Unmut über geringen Aufklärungswillen

Nach Erinnerung des früheren CSU-Obmannes im Finanzausschuss, Hans Michelbach, gab es in der Sitzung vom 1. Juli 2020 großen Unmut über den geringen Aufklärungswillen von Scholz. „Wir hatten den Eindruck, dass wir als Verfassungsorgan nicht ernst genommen werden“, sagte er.

Der Hamburger Untersuchungsausschuss soll prüfen, ob führende Hamburger SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank genommen haben. Scholz, der in der fraglichen Zeit Hamburger Bürgermeister war, hat entsprechende Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Der Obmann der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Milan Pein, erklärte: „Die Befragung der Zeuginnen und Zeugen aus dem Bundestag bestätigt den Inhalt der Protokolle, die dem Ausschuss vorliegen. Einen Widerspruch in den Aussagen von Olaf Scholz gibt es nicht.“ Manchen Zeugen sei es allerdings nicht um Aufklärung gegangen, sondern um eine Skandalisierung. „Ziel dieses Polittheaters ist es, von dem eigentlichen Ergebnis der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses abzulenken“, meinte Pein.

Treffen mit Warburg-Bankern: Es geht um Millionen Euro

Nach den ersten Treffen Scholz' mit den Warburg-Bankern im Hamburger Rathaus hatte das Finanzamt für Großunternehmen 2016 mit Ablauf der damals drohenden Verjährungsfrist zunächst auf Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro gegen das Geldhaus verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

Später musste die Warburg Bank aufgrund eines Gerichtsbeschlusses insgesamt mehr als 176 Millionen Euro zu Unrecht erstatteter Steuern zurückzahlen, versucht aber weiter auf juristischem Weg, gegen die geänderten Steuerbescheide vorzugehen.

Die Union im Bundestag will in einem weiteren Untersuchungsausschuss zu der Steueraffäre viele aus ihrer Sicht offene Punkte klären. In einer Fraktionssitzung nächste Woche könnte das formal beschlossen werden. CDU und CSU verfügen im Bundestag allein über die für die Einberufung eines Untersuchungsausschusses nötige Stimmenzahl von mindestens einem Viertel der Abgeordneten.