Hamburg. Endlich lief es wieder für Marcus Weinberg: Der bei der Bürgerschaftswahl gescheiterte CDU-Spitzenkandidat hatte alle Mitstreiter eingebunden, die Aufgaben verteilt, jeder war auf seiner Position, ein klares Konzept einte alle, und schon stellte sich der Erfolg ein. Allerdings nicht in der Politik ...
Am Dienstag dieser Woche kehrte Weinberg nach einem halben Jahr der wahlkampfbedingten Abstinenz in das Team des FC Bundestag zurück. Es war die letzte Trainingseinheit der Abgeordnetenkicker in der Halle vor Beginn der Freiluftsaison und traditionell stand ein kleines Turnier mit je zwei Teams gegen die Saaldienerinnen des Berliner Parlaments an. Weinberg, der lange Kapitän des FC Bundestag war, trägt als defensiver Mittelfeldspieler mit Offensivdrang die Rückennummer Sechs, verteilte die Bälle wie gewohnt und agierte so im Stile eines Toni Kroos. Nach eigener, nicht ganz unbescheidener Aussage schoss der Altonaer „zwei grandiose Tore“.
Nach CDU-Wahldebakel: Weinberg muss zittern
Auf dem Spielfeld zumindest der Hamburger Politik gibt es für Weinberg dagegen auch weiterhin wenig Grund zur Freude. Anfang der Woche forderte Philipp Heißner, Landesvorsitzender der Jungen Union, Weinberg müsse nach dem 11,2-Prozent-Wahldesaster der CDU von den Sondierungsgesprächen mit der SPD über die Bildung des neuen Senats ausgeschlossen werden. „Wer die Inhalte der CDU im Wahlkampf nicht erfolgreich vermitteln konnte, kann dies auch in Koalitionsgesprächen kaum erfolgreich schaffen“, heißt es in einer Erklärung des Nachwuchsverbandes.
Auch wenn Heißner mit seinem Vorstoß in der CDU ziemlich allein blieb, zeigte der Vorgang doch die nach dem Wahldebakel sehr angespannte Stimmung in der Partei, die sich eben auch gegen Weinberg richtet. Damit nicht genug: Während sich der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion längst wieder der parlamentarischen Arbeit in Berlin widmet, beginnen seine Hamburger Parteifreunde hinter den Kulissen bereits mit den Planungen für die Ende des Jahres anstehende Kandidatenaufstellung zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021. Es könnte eng werden für Weinberg.
Die CDU-Kreise Wandsbek und Nord arbeiten eng zusammen
Aber der Reihe nach: Im Juni wählt die CDU turnusgemäß einen neuen Landesvorstand. Parteichef Roland Heintze hat noch nicht erklärt, ob er erneut antreten will. Parteiintern gilt aber als ausgesprochen wahrscheinlich, dass ein anderer seine Ansprüche anmelden wird: Christoph Ploß, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des einflussreichen CDU-Kreisverbands Hamburg-Nord. Ploß ist schon jetzt trotz seines jungen Alters von 34 Jahren ein machtpolitisches Schwergewicht in der Elb-CDU.
Ihn verbindet mit dem künftigen Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering, Vorsitzender des mitgliederstärksten CDU-Kreisverbands Wandsbek, eine enge politische Zusammenarbeit, ja Freundschaft. Beide sind in der Partei gut vernetzt. Und: Die Delegierten aus Nord und Wandsbek stellen zusammen fast schon die Mehrheit auf dem Landesparteitag. Mit anderen Worten: Wenn Ploß antritt, ist seine Wahl zum Landesvorsitzenden sehr wahrscheinlich.
Auf Platz zwei muss eine Frau kandidieren
Ploß erweist sich bislang als gelehriger Schüler seines politischen Ziehvaters Dirk Fischer. Der 76 Jahre alte Fischer war 37 Jahre lang bis 2017 Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Hamburg-Nord/Alstertal, Nachfolger ist Ploß. Fischer war zu Beginn seiner Karriere CDU-Nord-Kreischef wie Ploß. Und Fischer war 15 Jahre lang CDU-Landeschef, was ihm nach einer ungeschriebenen Regel Listenplatz eins bei den Bundestagswahlen sicherte. Das würde Ploß als Parteichef auch für sich beanspruchen.
Die feste Vereinbarung nicht nur der CDU-Spitze ist, dass auf Platz zwei in jedem Fall eine Frau kandidieren soll. Dass die Hamburger Union ein Frauenproblem hat, ist hinlänglich beschrieben worden. Trotzdem war die Blamage sehr groß, als sich bei der Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl 2017 auf den ersten vier Plätzen nur Männer durchsetzten – gegen den erbitterten Widerstand vieler Frauen.
Favoritin ist Franziska Hoppermann
Favoritin für den attraktiven Listenplatz zwei ist Franziska Hoppermann, die Landeschefin der Frauen Union. Im Kompetenzteam von Marcus Weinberg für die Bürgerschaftswahl war Hoppermann für den Bereich „Zusammenhalt“ zuständig. Seit 2019 ist die Abteilungsleiterin in der Justizbehörde Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung Wandsbek. Dass Hoppermanns politische Heimat im Nordosten der Stadt liegt, ist dabei von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Die mächtige Wandsbeker CDU stellt aktuell keinen der vier CDU-Bundestagsabgeordneten. Es ist Therings Anspruch, das zu ändern, umso besser, wenn es eine Frau ist. So wie die Wandsbeker die Wahl von Ploß zum Landeschef und auf Listenplatz eins unterstützen könnten, könnte die Nord-CDU die Kandidatur von Hoppermann auf Platz zwei mit Stimmen befördern.
Für die verbleibenden aktuellen Abgeordneten Weinberg, Rüdiger Kruse (Eimsbüttel) und Christoph de Vries (Mitte) wird es dadurch enger. Als sicher gilt derzeit nur noch Listenplatz drei. Nach Lage der Dinge ist folgendes Szenario als wahrscheinlich: De Vries kandidiert auf Platz drei und wird dabei von Ploß und Thering unterstützt.
Konservative und Liberale stehen sich gegenüber
Dazu zwei Überlegungen: Ploß und Thering haben nach dem Wahldebakel einen Neuanfang der CDU ausgerufen, gemeint ist damit eine Verjüngung an der Spitze. Ploß, Thering und Hoppermann sind deutlich unter 40 Jahren, de Vries auch erst 45 Jahre alt. Ploß und de Vries sitzen erst seit 2017 im Bundestag, Weinberg seit 2005, Kruse seit 2009.
Zweitens: Der Bürgerschaftswahlkampf hat die Gräben zwischen eher Konservativen und eher Liberalen in der Partei vertieft. In der CDU selbst wird diese Trennung nach Lagern mittlerweile vorgenommen. Konservative sind in der Regel für Friedrich Merz als künftigen Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten, Liberale eher für Armin Laschet. Liberale wie Weinberg und Kruse waren im Wahlkampf lange offen für ein grün-schwarzes Bündnis, die Konservativen um Ploß, Thering und de Vries setzten dagegen kurz vor der Wahl die Abgrenzung von den Grünen und die Präferenz für ein Bündnis mit der SPD durch.
Müssen sich Weinberg und Kruse um Platz vier streiten?
Das alles bedeutet, dass de Vries aus dem kleinen Kreisverband Hamburg-Mitte mit Unterstützung der Parteifreunde aus Wandsbek und Nord tatsächlich auf Platz drei gewählt werden könnte. Dann müssten sich Weinberg und Kruse um den unattraktiveren Platz vier streiten. Allerdings: Das würde bedeuten, dass sich die Konservativen auf ganzer Linie durchgesetzt hätten. Es ist die Frage, ob das für das Gesamterscheinungsbild der CDU – Stichwort moderne Großstadtpartei – zuträglich wäre.
Und: Weinberg, 2017 noch auf Platz eins, könnte sein bundespolitisches Gewicht als CDU-Familienpolitiker in die Waagschale werfen und zudem die Solidarität der Parteifreunde einfordern, schließlich hatte er sich als Spitzenkandidat nicht aufgedrängt und den undankbaren Job, den kein anderer wollte, in schwieriger Lage übernommen. Sollten die sich nicht darauf einlassen, könnte es zur Kampfkandidatur zwischen de Vries und Weinberg um Platz drei kommen.
Hamburger CDU-Abgeordnete im Bundestag: alles offen
Auch Kruse könnte sich um Platz drei bemühen, vorausgesetzt, er setzt sich in Eimsbüttel als Direktkandidat durch. Kolportiert wird, dass sich JU-Chef Heißner in Eimsbüttel um ein Mandat bemühen könnte. Ploß hat Heißner am Wochenanfang als „eines unserer größten politischen Talente“ gelobt ...
Alle Strategien könnten noch einmal durchkreuzt werden, wenn es doch zu einer Senatsbeteiligung der CDU kommen sollte, wonach es derzeit eher nicht aussieht. Diese offene Lage ist ein Grund, warum sich keiner der Erwähnten öffentlich zu seinen Ambitionen äußern wollte. Am Montag sitzen Weinberg und Thering mit Heintze und der Vize-Landeschefin Anke Frieling der SPD beim Sondierungsgespräch gegenüber.
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