Ex-Bürgerschaftsvizepräsidentin Güçlü trat bei Rechtsextremen „Grauen Wölfen“ auf

Hamburg. Damit hatte Nebahat Güçlü offenbar nicht gerechnet. Nachdem bekannt wurde, dass die frühere Vizepräsidentin der Bürgerschaft und aktuelle Vorsitzende der Türkischen Gemeinde bei einer rechtsnationalistischen türkischen Organisation Wahlkampf gemacht hat, forderte die Grünenspitze am Montag von ihr den Verzicht auf ihre Bürgerschaftskandidatur. Weil sie ablehnte, wollen die Grünen sie nun aus der Partei werfen. Am 18. Januar war Güçlü, die seit zwei Jahren Vorsitzende der türkischen Gemeinde Hamburg ist, als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ aufgetreten, zu der Verfassungsschutz auch die „Ülküçü“-Bewegung zählen, deren Mitglieder sich auch als „Graue Wölfe“ bezeichnen.

„Dieser Auftritt fand ohne unser Wissen statt“, schrieben die Grünen-Spitzenkandidaten Katharina Fegebank und Jens Kerstan. „Für uns ist es inakzeptabel, wenn eine grüne Kandidatin bei offen nationalistischen Gruppierungen auftritt. Das ist unvereinbar mit unseren grünen Grundwerten und unserem Engagement gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Für uns ist klar: Wir werben nicht um Stimmen am rechten Rand. Wir erwarten, dass Nebahat Güçlü ihre Kandidatur zurückzieht.“

Das aber sah Güçlü offenbar nicht ein. „An der Veranstaltung haben über 1500 Hamburgerinnen und Hamburger Einwanderer teilgenommen, die sich sicher mit aller Entschiedenheit dagegen verwehren würden, als Rechtsextreme oder gar ‚Anhänger der Grauen Wölfe‘ bezeichnet zu werden“, hatte sie bereits zuvor in einer Erklärung auf Facebook verbreitet. Und hinzugefügt: „Um Missverständnissen vorzubeugen, ich distanziere mich ABSOLUT von den ‚Grauen Wölfen‘ und deren Ideologie!!!“ Gleichzeitig aber verteidigte sie die Veranstaltung der radikalen Nationalisten. „Aus Sicht mancher kurdischen und PKK-nahestehenden Personen und Organisationen ist allein der Begriff ‚Türke‘ oder ‚türkisch‘ inzwischen zu einem extrem negativ konnotierten Begriff geworden und Organisationen sowie Veranstaltungen, die in irgendeiner Weise einen Namen tragen, in dem das Wort ‚türkisch‘ vorkommt, werden sehr leichtfertig als rassistisch erklärt.“

Laut Verfassungsschutz ist der „Graue Wolf“ (Bozkurt) das Symbol der Bewegung, bei der Güçlü auftrat. Anhänger der Bewegung erkennen einander demnach am „Wolfsgruß“ bei dem der rechte Arm ausgestreckt werde und Daumen und Finger den Kopf eines Wolfs formen. „Die ‚Ülkücü‘-Ideologie fördert in Deutschland das Entstehen einer eigenen rechtsextremistischen Jugendbewegung, wirkt stark integrationshemmend und steht nicht im Einklang mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, so die Verfassungsschützer.

Der stellvertretende Landesvorsitzende der Hamburger Grünen, Manuel Sarrazin schrieb bei Facebook: „Ein Auftritt dort ist für jede Grüne und jeden Grünen inakzeptabel. Auch die persönliche Erklärung von Frau Güçlü reicht hier nicht aus. Sie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet.“

Bei einer Telefonkonferenz am Montag um 17 Uhr schilderte Güçlü ihre Sicht der Dinge – wies aber die Forderung zurück, auf ihre Kandidatur auf der Landesliste der Grünen zu verzichten. Deswegen will die Parteiführung nun das Ausschlussverfahren einleiten.

Ali Yildiz, Sprecher des christlich-alevitischen Freundeskreises der CDU, warf Güçlü vor, sie habe „den Konsens der demokratischen Parteien verlassen, als sie die Veranstaltung besuchte und trotz der eindeutigen Symbole und Bilder vor Ort ihre Rede hielt“. Im Schatten der Debatte über den Dschihadismus, werde der vermeintlich waffenfreie Islamismus derzeit kleingeredet. Dies sei „auch der Nährboden für den dschihadistischen Islamismus“.

Auch bei Facebook hatten viele Kommentarschreiber kein Verständnis für Güçlüs Erklärungen. „Komisch, die türkischen Oberfaschos sind riesig an der Wand abgebildet und sie merkt nichts... Kein Kommentar!“, schrieb einer. Andere Diskussionsteilnehmer warfen Güçlü Naivität vor – oder nahmen ihr gerade diese angebliche Naivität nicht ab. Tenor der Kritiker: Was ist eigentlich schlimmer – zu den bekannten Rechtsextremisten zu gehen, oder als Spitzenpolitikerin und Chefin der türkischen Gemeinde nicht zu wissen, dass man zu Rechtsextremisten geht?