Diskussionsreihe zur Bürgerschaftswahl startet am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Jugendliche kritisieren mangelnde Berufsorientierung.

Ohlsdorf. Keine Rede davon, dass sich Jugendliche nicht für Politik interessieren oder zu den Themen, die die Stadt bewegen, keine Haltung hätten: Rund 400 Schülerinnen und Schüler debattierten am Donnerstag am Albert-Schweitzer-Gymnasium engagiert und meinungsstark mit Jungpolitikern zur Bürgerschaftswahl – Auftakt zu einer Reihe von Podiumsdiskussionen an insgesamt 42 Hamburger Schulen, mit denen die Agentur DSA youngstar die Jugendlichen im Rahmen der Kampagne der Bürgerschaft zur Wahl am 15. Februar bewegen möchte. Das Hamburger Abendblatt ist Medienpartner dieser „It’s your choice“-Tour.

„Es genügt nicht, darauf zu warten, dass die jungen Leute zu den manchmal etwas verstaubten Parteiveranstaltungen kommen“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit zu Beginn. „Die Politik muss zu ihnen gehen und ihnen die Möglichkeit geben, auf Augenhöhe über ihre Themen zu diskutieren.“ So wie bei den Schuldiskussionen, in denen die Jugendlichen Politik hautnah erleben konnten. Die meisten von ihnen sind über 16 Jahre alt und dürfen erstmals wählen. Sie hatten die Gelegenheit, den Vertretern der Jugendorganisationen der im Parlament vertretenen Parteien Fragen zu stellen.

Davon machten die Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in der von Abendblatt-Redakteur Ralf Nehmzow moderierten Diskussion regen Gebrauch – besonders beim Thema Bildungspolitik. „Eines der größten Probleme der Schulen ist, dass es zu wenig Vorbereitung auf das Berufsleben und auf das Leben allgemein gibt“, sagte der 17-jährige Robin unter dem tosenden Applaus seiner Mitschüler. Er wünsche sich auch Antworten auf ganz konkrete Fragen: „Wie zahle ich Steuern? Wie schließe ich eine Versicherung ab?“

Mit dieser Meinung ist er nicht allein, wie sich später bei der geheimen Abstimmung zeigte. Gut 82 Prozent der Schüler nannten die mangelnde Berufsvorbereitung an den Schulen als drängendstes Problem. Er wisse nicht, ob es angesichts der vollen Lehrpläne notwendig sei, in der Schule zu lernen, wie man eine Versicherung abschließt, sagte Tobias Lücke von der Jungen Union. „Aber die Vorbereitung auf das Berufsleben muss besser werden.“ Dabei könnten sich die Gymnasien manches von den Stadtteilschulen abgucken, so Maximilian Bierbaum, Landessprecher der Grünen Jugend. Er empfahl den Jugendlichen, sich „in Ruhe auf das Leben vorzubereiten“, vielleicht ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr zu machen. „Die Praxis kommt früh genug.“ Annkathrin Kammeyer von den Jusos versprach, die Forderung nach mehr Berufsorientierung aufzugreifen. Die 24-Jährige sitzt bereits für die SPD in der Bürgerschaft.

Wenig Sympathie für die „Schule für alle“

Wenig Sympathie fand bei den Gymnasiasten das Modell einer „Schule für alle“, für das der Linken-Politiker Rachid Messaoudi unter Verweis auf skandinavische Erfahrungen warb. „Wie soll das gehen, wenn jeder Schüler ein anderes Lerntempo hat?“, fragte Lara-Marie. Applaus bekam Sebastian, als er sagte: „Wenn alle zusammen lernen, werden die guten von den schwachen Schülern heruntergezogen. Auf diesem Weg kann das nichts werden.“

Sorgen bereiten den Schülern aber auch die Inklusion, für deren Umsetzung sie mehr Fachkräfte forderten, und die Lehrpläne, die nach Meinung vieler zu voll sind. Fast jeder Zweite hielt die vollen Lehrpläne bei der Abstimmung für eines der Hauptprobleme der Schulen. Von den Jungpolitikern wollten sie wissen, was sie für mehr soziale Chancengerechtigkeit an Hamburgs Schulen tun wollen. „Das ist für uns Jusos ein wichtiges Thema“, erklärte Annkathrin Kammeyer. Durch die Kostenfreiheit der Kitas wolle die SPD-Regierung dafür sorgen, dass mehr Kinder in der Kita schon früh in den Genuss von Bildung kämen. Auch seien die Studiengebühren abgeschafft worden. „Solange Bildungschancen davon abhängen, wo man herkommt, läuft etwas verkehrt“, kritisierte Daniel Oetzel von den Jungen Liberalen. Er ist dafür, den Übergang zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien flexibler zu gestalten.

Viele Fragen hatten die Jugendlichen aber auch zur Hamburger Olympiabewerbung. Und sie applaudierten lautstark, als Bierbaum kritisierte, es wäre absurd, gewaltige Summen für Olympia auszugeben, aber nicht mehr in die Bildung zu investieren. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten war das Einvernehmen unter den Jungpolitikern gut. Nach der Diskussion fotografierten sie sich gegenseitig vor den Bannern der Veranstaltung. Auch Schulleiter Matthias Schieber war zufrieden. Heute macht die „It´s your choice“-Tour am Gymnasium Bondenwald Station. Das Abendblatt ist wieder dabei.