Nach dem Urnengang wollen die Parteien über eine Reform des Verfahrens beraten

Hamburg. Restlos zufrieden ist derzeit offenbar keine Partei mit dem Hamburger Zehn-Stimmen-Wahlrecht. Selbst bei den Reforminitiatoren von Mehr Demokratie sieht man zumindest eine Schwäche: Die allermeisten Kandidaten auf den langen Wahllisten sind den Wählern gar nicht bekannt. Das liege allerdings daran, dass die Parteien verhinderten, dass Bewerber aus den hinteren Reihen für sich würben, sagte Manfred Brandt von dem Verein. Deswegen solle künftig jeder Kandidat die Möglichkeit haben, seine Anliegen auf einer halben Seite in einer Broschüre darzustellen, die dann mit den Wahlunterlagen verschickt werde, so der Mitbegründer von Mehr Demokratie. Nur unter dieser Bedingung sei der Verein bereit, erneut über eine Reform zu verhandeln. „Es muss verhindert werden, dass die Parteien das Wahlrecht unterlaufen“, so Brandt. Insgesamt sei das Verfahren einfacher als das Kommunalwahlrecht in anderen Regionen.

„In diesen Wochen sollten wir uns darauf konzentrieren, den Menschen das Wahlrecht zu erklären und sie zur Wahlteilnahme zu motivieren“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel „Vor allem sind wir alle in der Pflicht mitzuhelfen, dass die Schere bei der Wahlbeteiligung nicht weiter auseinandergeht: in Stadtteilen mit hohem Durchschnittseinkommen traditionell hoch, in Stadtteilen mit niedrigem Einkommen immer geringer.“ Ob und wie ein Konsens zur Vereinfachung des Wahlrechts erzielbar sei, „können wir in der nächsten Wahlperiode ohne Hektik und unter sorgfältiger Auswertung der Bezirks- und Bürgerschaftswahlen ausloten“, so Dressel. „Das muss breit diskutiert werden.“

Dabei wolle die SPD „auch darüber sprechen, welche weiteren Möglichkeiten bestehen, die gesunkene Wahlbeteiligung wieder zu steigern“, so Dressel. „Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass die Stadt zukünftig während der Wochen der Briefwahl ein für alle gut erreichbares Ladengeschäft mitten in der City anmietet, in dem man sich über die Wahlen informieren und gleich vor Ort mit seiner Wahlbenachrichtigung wählen kann.“

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sagte, sie verbringe am Infostand oft mehr Zeit damit, das Wahlrecht zu erklären, als über Politik zu sprechen. „Ich bitte alle Hamburgerinnen und Hamburger, sich zu informieren und am 15.Februar von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen“, so Veit. CDU-Verfassungspolitiker André Trepoll warf der SPD vor, zwar über Probleme des Wahlrechts zu sprechen, aber nicht zu Änderungen bereit zu sein. Christiane Schneider von den Linken sagte, die Diskussion in ihrer Partei sei zu dem Thema noch nicht abgeschlossen. Das Wahlrecht schränke den Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung der Bürgerschaft ein, indem es den Einfluss der Wähler stärke. „Das ist für Parteiführungen vielleicht unangenehm, aber für die Demokratie eher gut.“ Da das neue Wahlrecht letztlich auf einen Volksentscheid zurückgehe, „sollte die Entscheidung über eine mögliche Änderung auch den Bürgern vorbehalten bleiben“, so Schneider.

Auch FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding betonte, dass das „auf Wunsch der Hamburgerinnen und Hamburger eingeführte Wahlrecht eine differenzierte Wahlentscheidung“ ermögliche. „Das ist positiv. Auch die Zahl der ungültigen Stimmen ist zuletzt gesunken, was zeigt, dass die Anlaufschwierigkeiten überwunden sind“, so Suding. „Die Hamburger verstehen das Wahlrecht weitaus besser, als mancher Politiker meint.“ Der richtige Zeitpunkt für eine Diskussion sei nach der Auswertung der Bürgerschaftswahl, so die FDP-Politikerin. „Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht das Abschneiden der großen Parteien, was die aktuelle Debatte hingegen vermuten lässt.“