Nach einer wochenlangen Schlammschlacht nominiert die FDP Katja Suding dann aber doch mit einem eindeutigen Ergebnis für Bürgerschaftswahl. Parteichefin Canel verzichtet. Die Liberalen wollen Cannabis legalisieren.

Wandsbek. Erst eine wochenlange Schlammschlacht, dann zwei emotionale Tage samt „Pfui“-Rufen für die Spitzenkandidatin und Respektlosigkeiten gegenüber der Parteivorsitzenden, und dann doch ein eindeutiges Ergebnis: Die Hamburger FDP wird erneut mit Katja Suding an der Spitze in den Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl ziehen. Die Partei wählte die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion am Sonntag im Bürgersaal Wandsbek mit deutlicher Mehrheit auf Platz eins der Landesliste.

84 von 112 Delegierten votierten für die 38-Jährige, 23 gegen sie, fünf enthielten sich. Die bis dahin nahezu unbekannte Suding hatte die FDP 2011 als Spitzenkandidatin überraschend zurück in die Bürgerschaft geführt, der die Partei seit 2004 nicht mehr angehörte.

Mit ihrer Nominierung endete eine lange Auseinandersetzung mit der Landesvorsitzenden Sylvia Canel. Die frühere Bundestagsabgeordnete hatte sich lange nicht klar zu ihren Ambitionen auf ein Bürgerschaftsmandat geäußert. Da sich die beiden liberalen Frontfrauen jedoch in herzlicher Abneigung verbunden sind, hatte Suding ihr Antreten davon abhängig gemacht, dass Parteichefin Canel auf einen Platz auf der Landesliste verzichtet.

Dieser Verzicht war erst vor wenigen Wochen unter Vermittlung des FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner zustande gekommen und offiziell verkündet worden – beendet war der auch als „Zickenkrieg“ bekannt gewordene Streit damit nicht. Unter anderem wurde er in sozialen Netzwerken im Internet fortgesetzt. Noch bei dem Parteitag zum Wahlprogramm am Sonnabend gab Canel zu, „Groll“ zu hegen, rief aber gleichzeitig dazu auf, Suding zur Spitzenkandidatin zu küren.

Am Sonntag spitzte sich die Lage dann weiter zu. Nachdem Suding ihre Kandidatur für Platz eins der Liste offiziell angemeldet hatte, fragten Canel und ihr Mitstreiter Burkhardt Müller-Sönksen – ebenfalls bis 2013 Bundestagsabgeordneter – erneut nach, ob Suding ihre Bedingung aufrecht erhalte.

Suding relativierte das nun jedoch: Sie könne niemandem eine Kandidatur verbieten, alles Weitere hätten die Delegierten zu entscheiden. Müller-Sönksen wünschte sie gar „viel Glück“ – er verzichtete jedoch letztlich auf die zu Beginn der Veranstaltung angekündigte Kandidatur. An Canel gewandt, die eingangs gesagt hatte, sie trete nur an, „wenn Frau Suding das wünscht“, richtete Suding dagegen klare Worte: „Ob ich es mir wünsche? Ehrlich gesagt: Ich wünsche es mir nicht.“ Im Gespräch mit Bundesparteichef Lindner sei verabredet worden, dass die Hamburger FDP Canel als Parteivorsitzende stärke und Suding als Spitzenkandidatin. An diese Rollenteilung wolle sie sich halten – und dieser Haltung folgte die große Mehrheit der Delegierten.

Für Wirbel hatte im Vorfeld ein Brief des Ex-FDP-Senators Dieter Biallas an Lindner gesorgt. Darin wirft er Suding und Lindner vor, mit der verabredeten „Bedingung“, dass Canel nicht antreten dürfe, hätten sie der Partei geschadet. Zudem hatte der Parteivize Najib Karim, kürzlich noch Spitzenkandidat für die Europawahl, am Freitag seinen Rücktritt vom Amt und seinen Parteiaustritt bekannt gegeben, weil er die FDP nicht mehr guten Gewissens im Wahlkampf vertreten könne.

Wie tief die innerparteilichen Gräben sind, zeigte sich auch in der Versammlung. Als Biallas Suding fragte, welchen politischen Differenzen sie eigentlich mit Canel und Müller-Sönksen habe, antwortete die ehrlich: „Keine!“ Aber den Zustand, in dem sich die Partei seit Wochen präsentiere, müsse man „schnellstens beenden“, sagte Suding.

Während sie dafür mehrheitlich viel Applaus bekam, rief Müller-Sönksen lauthals „pfui, pfui“ . Zuvor hatte er Suding während ihrer Bewerbungsrede demonstrativ den Rücken zugekehrt. Und als Canel Suding die Frage nach der Bedingung stellen wollte und nicht sofort auf den Punkt kam, wurde sie mit wüsten „Die Frage, die Frage“-Rufen bedrängt – so wenig Respekt wird Parteivorsitzenden selten entgegengebracht. Ob es daran lag oder an Sudings klaren Worten: Canel verzichtete jedenfalls auf eine Kandidatur.

Die Aufstellung der Landesliste verlief daher reibungsloser, als die Vorgeschichte es vermuten ließ. Außer Suding selbst wurden auch ihre engsten Mitstreiter gewählt: Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg kam mit 101 von 110 Stimmen auf Platz zwei, Fraktionsmitarbeiter Michael Kruse setzte sich auf Platz drei mit 78 Stimmen gegen Benjamin Schwanke (17 Stimmen) und Martina Kaesbach (12) durch, und Schulexpertin Anna von Treuenfels sicherte sich Rang vier mit 80 zu 24 Stimmen gegen Kaesbach. Es folgen auf Platz fünf der Eimsbütteler Bezirkspolitiker Jens Meyer, auf Platz sechs der Mittelstandsexperte Ewald Aukes, auf Platz sieben Jennyfer Dutschke. Platz acht ging an den Finanzexperten Robert Bläsing, Platz neun bekam Daniel Oetzel, Landesvorsitzender der FDP-Nachwuchsorganisation JuLis, und auf Platz zehn schaffte es dann Umweltexperte Kurt Duwe.

2011 hatte die FDP 6,7 Prozent der Stimmen errungen und ist seitdem mit neun Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten. Derzeit liegt sie in Umfragen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Sollte sie am 15. Februar 2015 den Einzug knapp schaffen, gelten nur die ersten drei bis vier Plätze auf der Liste als sicher, die anderen könnten die Wähler durch das neue Wahlrecht noch durcheinanderwirbeln. Das dürfte ein Grund sein, warum HSV-Vorstand Carl Jarchow nur auf Platz 16 kandidiert – seine Prominenz könnte ihn weit nach vorn befördern.

Am Tag zuvor hatte die FDP Eckpunkte ihres Bürgerschaftswahlprogramms verabschiedet. Für Aufsehen sorgte dabei die Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis. Diese Forderung hatten die Jungen Liberalen schon häufiger erhoben, sich damit aber nie auf Parteitagen durchsetzen können. An diesem Sonnabend schaffte die Nachwuchsorganisation dies erstmals mit knapper Mehrheit.