Der Parteienforscher Prof. Elmar Wiesendahl sieht Olaf Scholz’ Pragmatismus als Hauptgrund für den Erfolg der SPD. Die CDU habe kaum Chancen bei der Wahl

Hamburg. Wenn Olaf Scholz seinen Regierungsstil so fortsetzt wie bisher und schwere Pannen vermeidet, wird er 2015 einen großen Wahlsieg einfahren. Mehr noch: Solange Scholz für die SPD als Bürgermeister bereitsteht, wird es für die Opposition sehr schwer, ihn zu schlagen. Das glaubt der Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl, langjähriger Professor an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Er berät mit seiner Agentur für politische Strategie Parteien und politische Einrichtungen.

Der enorme Zuspruch, den die SPD laut der jüngsten Umfrage im Auftrag des Abendblatts auch drei Jahre nach der Bürgerschaftswahl bekommt – trotz der Kritik der vergangenen Monate an der Flüchtlingspolitik des Senats und der Einrichtung der Gefahrengebiete –, findet auch der Parteienforscher bemerkenswert: „Es ist überraschend, dass kleine Affären und Pannen keine Spuren in der Popularität des Senats hinterlassen“, sagt er. „Das mag auch damit zu tun haben, dass die Opposition wie betoniert im tiefen Tal steht.“

Vor allem aber liege es an einem simplen Erfolgsrezept der SPD, die einen Namen hat: Olaf Scholz. „Ausschlaggebend ist der Erste Bürgermeister“, so Wiesendahl. Scholz spreche die Hamburger mit seinem Politikstil offenbar in einer Art und Weise an, die die Umfragewerte in die Höhe treibt. Das Etikett „König Olaf“ sei dennoch falsch. „Scholz agiert eher wie ein Top-Manager. Man könnte sagen: Er ist der Vorstandsvorsitzende des Konzerns Hamburg. Er ist der Felix Magath der Politik. Er treibt an, setzt klare Ziele und achtet streng darauf, dass sie umgesetzt werden.“ In dieser Rolle sei der Sozialdemokrat, dem früher das Etikett „Scholzomat“ anheftete, authentisch. Die Wählerschaft sei heute stark entpolitisiert, Ideologie spiele keine Rolle mehr. Scholz passe in diese Zeit, weil er völlig unideologisch sei und pragmatisch Der Politikstil des Olaf Scholz habe aber auch Nachteile: „Die Partei, die SPD, die mal streitbar war, Diskurse führte und einst Werkstatt der Politik war, ist völlig stillgelegt.“ Politik versäume es mit diesem Ansatz, über den Tellerrand zu blicken und einen Entwurf für die Zukunft zu entwickeln.

Der Opposition gibt der Parteienforscher, der selbst einmal Mitglied der CDU war und im Streit mit dem damaligen CDU-Patriarchen Jürgen Echternach austrat, wenig Chancen. „CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich ist nicht wirklich ein Rivale, Scholz hat bei den Wählern fünfmal so viel Zustimmung wie er.“ Deshalb könne er ein Duell nicht gewinnen – auch weil er sich von seinem Persönlichkeitsprofil nicht genug von Scholz absetze, um wie eine wirkliche Alternative zu wirken. „Wersich ist weder der harte Kämpfer, noch der reine Pragmatiker. Er ist nett – aber auch ein bisschen langweilig“, sagt Wiesendahl. Wersich sei mit seinem Profil aber sicherlich ein besserer Spitzenkandidat als ein konservativer Law-and-Order-Konkurrent. „Dieses Experiment ist mit dem Kurzzeit-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gescheitert“, so Wiesendahl. Wersich vertrete zusammen mit Parteichef Marcus Weinberg eine Richtung in der Partei, die den größten Wählerrückhalt finden könne. „Aber die Partei ist nicht in der Lage, ein echtes Profil zu entwickeln.“ Der 68-jährige Politikberater empfiehlt der CDU: „Sie muss den liberal-konservativen Kurs weiter verfolgen, aber auf einige, wenige Themen setzen, die sie hart gegen den Senat verficht. Sie sollte sich zudem fragen, ob sie als Herausforderer des Bürgermeisters nicht eine Kontrafigur zu Scholz setzen sollte anstatt eines Abbildes.“

Wiesendahl glaubt nicht, dass der Streit um die Wiedereinführung einer neunjährigen Schulzeit an Gymnasien eine ähnliche politische Sprengkraft entfalten wird wie die Diskussion um die Einführung der Primarschule. Der Senat habe beim Rückkauf der Energienetze gezeigt, dass er – wenn es denn zum Volksentscheid kommt – das Ergebnis kompromisslos umsetze. Es werde aber schwer, mit der Initiative G9-Jetzt eine Einigung zu erzielen. „Eine so deutliche Mehrheit von 70 Prozent begründet zudem eine größere Erwartung, als dass nur das ein oder andere neunjährige Gymnasium eingerichtet wird.“ Wenn eine deutliche Mehrheit der Bürger zurück zu G9 wolle, diese Position aber von keiner der fünf Bürgerschaftsparteien geteilt werde, zeige dies, dass es eine wachsende Kluft gebe zwischen den Wünschen der Bürger und dem, was die Politik tut.