CDU will Abkehr von umstrittener Lernmethode „Lesen durch Schreiben“ und verbindlichen Wortschatz einführen

Hamburg. Die CDU hat als erste Bürgerschaftsfraktion Konsequenzen aus der Expertenanhörung des Schulausschusses zum Rechtschreibunterricht in der Grundschule gezogen. Die Unions-Abgeordneten haben einen Bürgerschaftsantrag beschlossen, in dem umfangreiche Änderungen des Bildungsplans Deutsch gefordert werden. Unter anderem verlangt die Union die Festlegung eines verbindlichen Grundwortschatzes für die Klassen eins bis vier, der „mindestens 700 häufige, regel- und kindbedeutsame Wörter“ umfassen soll, wie es in dem Antrag heißt, der dem Abendblatt vorliegt.

Als Vorbild gilt der Union zum Beispiel Bayern, wo es einen solchen Wörterkanon gibt. „Das sichere Erlernen des Grundwortschatzes bis Ende Klasse vier ist als Lernziel in den Bildungsplan aufzunehmen“, heißt es in dem CDU-Antrag. „Die Bildungspläne des SPD-Senats formulieren zu geringe Anforderungen und Ziele im Bereich der Rechtschreibung“, sagt CDU-Bildungspolitikerin Karin Prien. Mit dem bayerischen Grundwortschatz werde wieder „eine konkrete Zielvorgabe für Lehrer, Eltern und Schüler“ definiert.

Wie berichtet, hat sich die Kritik an den Rechtschreibleistungen der Grundschüler verschärft. In diesem Zusammenhang ist gelegentlich auch von einer „Rechtschreibkatastrophe“ die Rede, für die unter anderem die umstrittene Lernmethode „Lesen durch Schreiben“ verantwortlich gemacht wird. Bei diesem Verfahren schreiben die Schüler die Wörter zunächst so, wie sie sie hören, ohne dass der Lehrer Fehler korrigiert. Auch in etlichen Hamburger Grundschulen wird auf diese Methode zumindest teilweise zurückgegriffen.

In einer Expertenanhörung des Schulausschusses Anfang Dezember lehnten einige Wissenschaftler „Lesen durch Schreiben“ als veraltete Methode ab und forderten ein ausdrückliches Verbot. Andere Experten halten eine Ergänzung der umstrittenen Methode für sinnvoller.

Nach dem Willen der CDU soll die Methode „Lesen durch Schreiben“ nicht länger an Grundschulen verwendet werden. Die Schulbehörde müsse den Schulen außerdem eine einheitliche Anlauttabelle zur Verfügung stellen, „die dem Stand der Wissenschaft entspricht“. Solche Tabellen, die auch bei „Lesen durch Schreiben“ eingesetzt werden, versehen jeden Buchstaben mit einem Bild von einem Begriff, der mit diesem Buchstaben anfängt (zum Beispiel Qualle für Qu oder Rad für R, die Red.). Die CDU will die Bedeutung der Anlauttabelle als Hilfsmittel herabstufen. Bislang wird den Bild-Wort-Übersichten im Bildungsplan Deutsch eine „wichtige Rolle“ zugewiesen. Die Union drängt auch darauf, dass die Schüler „von Anfang an“ lernen sollen, richtig zu schreiben, statt nur „zunehmend“, wie es der aktuelle Bildungsplan viel vorsichtiger formuliert.

Die Oppositionsfraktion will die Bedeutung des korrekten Schreibens grundsätzlich stärken. Alle Formulierungen, die auf eine Geringschätzung der Rechtschreibung hindeuten können, sollen aus dem Bildungsplan Deutsch gestrichen werden. Ein Beispiel: „Rechtschreibung sollte ... nicht als Selbstzweck, sondern in ihrer dienenden Funktion gesehen werden“, heißt es im Bildungsplan. Diesen Passus möchte die Union ersatzlos streichen.

Die Rechtschreibung soll nach dem Willen der CDU stärker als bisher benotet werden. So sollen Orthografie und Interpunktion bei allen schriftlichen „Lernerfolgskontrollen“ zunehmend von Klasse drei an korrigiert und bewertet werden. Bislang sind Noten für die Rechtschreibung nur bei Diktaten, nicht bei freien Texten vorgesehen.

Eine klare Vorgabe der Lernstände, die in der Regel am Ende der ersten und der zweiten Klasse erreicht sein sollen, erlauben auch Eltern, mögliche Defizite ihres Nachwuchses frühzeitig zu erkennen. „Die Grundschule muss unseren Kinder mehr zutrauen, aber auch mehr abverlangen“, sagt CDU-Politikerin Prien. Die jetzigen Bildungspläne gäben „den Lehrern zu wenig methodische und didaktische Leitplanken, an denen sie sich orientieren können“.

Im Prinzip ziehen jetzt viele an einem Strang in Sachen Rechtschreibung. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte bereits unmittelbar nach der Expertenanhörung angekündigt, den Bildungsplan Deutsch für die Grundschule überarbeiten zu wollen. „Wir werden noch einmal klarstellen, dass das richtige Schreiben von Anfang an zum Deutschunterricht gehört“, hatte Rabe gesagt, doch Prien findet das „zu kurz gesprungen“. Die FDP-Fraktion hatte schon im Sommer methodische Vorgaben für den Rechtschreibunterricht und das Verbot von „Lesen durch Schreiben“ gefordert.