Die Gartenschau ist tiefer in die Miesen geraten, als erwartet. Die Verärgerung ist groß, die Verantwortung übernehmen, will aber keiner.

Wenn Jutta Blankau an diesem Sonntag das Ende der Internationalen Gartenschau verkündet, wird es eine bittere Neuigkeit geben: Die Veranstaltung ist noch sehr viel tiefer in den Miesen als angenommen. Kursierte bislang die Zahl von 25 Millionen Euro, dürfte das tatsächliche Defizit irgendwo zwischen 30 und 40 Millionen Euro liegen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist darüber alles andere als erfreut, persönliche Konsequenzen scheint die SPD-Bau- und Umweltsenatorin dennoch nicht fürchten zu müssen. Sie nicht. Aber in ihrer Behörde, so heißt es, wird nach einem Sündenbock gesucht.

Gartenschau-Chef Heiner Baumgarten soll es dem Vernehmen nach auch nicht sein. Für ihn habe man innerhalb der Behörde bereits eine neue Verwendung gefunden. Jemand anderes soll den Kopf für Blankau hinhalten. Jemand, der sie angeblich nicht ausreichend über das drohende Minus informiert hat, wird gesucht. Dass es ein Minus geben wird, stand lange fest. Das gestand Blankau vor zwei Monaten ein. Und sie wusste auch genau, dass ihr Ressort, obwohl es verantwortlich ist, nicht dafür aufkommen wird. Im Abendblatt-Interview sagte sie lapidar: „Es wird eine Deckungslücke geben, die ich aus dem Budget der Stadtentwicklungsbehörde nicht bezahlen kann.“ Aber wer dann?

Die Finanzbehörde sieht sich nicht in der Pflicht, allein schon deshalb, weil es noch keine Anfrage gegeben hat. Dort verweist man darauf, dass die Fachbehörden für sich selbst verantwortlich seien. Offiziell kommentieren mag das kein Vertreter der Finanzbehörde, aber hinter vorgehaltener Hand ist die Verärgerung über Blankau groß: „Wir haben bei uns im Keller keine Geldpresse, mit der wir alle Probleme der Stadt lösen können.“ Dass sie derart unverfroren die Hand aufhielte, werde ihr in der Finanzbehörde übel genommen. „Den Wechsel von der bei Verhandlungen kompromisslosen Gewerkschafterin zur Senatorin hat sie immer noch nicht geschafft“, heißt es dort spitz.

Nun beginnt die Suche nach Geld, welches vielleicht noch irgendwo im Etat schlummert. Das könnten Einnahmen sein oder Rücklagen, die noch nicht ausgegeben wurden. „Denn im Etat der Baubehörde ist jedenfalls nichts mehr“, heißt es auch im Rathaus. Dort zeigt man sich zumindest über den Umstand erleichtert, dass es sich bei dem Minus um „Einmalkosten“ und nicht um dauerhafte handelt. Ziel der Baubehörde dürfte sein, die Bürgerschaft bei der Begleichung des Gartenschau-Defizits herauszuhalten. Sollte es nicht gelingen, das Minus im laufenden Haushalt auszugleichen, müsste das Landesparlament seine Zustimmung für einen entsprechenden Nachtrag geben. Und das würde der Opposition die große Bühne liefern, auf der sie Blankau öffentlich angreifen könnte.

SPD-intern heißt es inzwischen schon, dass an der Bürgerschaft wahrscheinlich kein Weg mehr vorbeiführt – selbst dann, wenn das Defizit mit Haushaltsresten aufgefangen wird. Schließlich sei das zusätzlich benötigte Geld nicht im dafür zuständigen Etat enthalten. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hätte damit jedenfalls kein Problem. „Wir wollen einer parlamentarischen Befassung nicht ausweichen. Sie ist sogar geboten, weil es um öffentliches Geld geht.“ Es müsse transparent gemacht werden, wie das Minus zustande gekommen sei. „Alles andere wäre auch nicht nachvollziehbar.“

Für die mögliche Auseinandersetzung in der Bürgerschaft hebt Dressel aber schon warnend die Hand in Richtung CDU, FDP und Grünen. „Wir tragen alle die Verantwortung. Wir alle haben die Internationale Gartenschau gewollt. Da kann sich niemand vom Acker machen.“ Begonnen hatten die Planungen noch unter Bürgermeister Ortwin Runde (SPD). Und auch die folgenden CDU-geführten Senate gingen entweder von einen Einnahme-Plus oder zumindest von einer Kostendeckung aus.

Dennoch ist auch unter der Verantwortung von Jutta Blankau in den vergangenen zwei Jahren viel schief gelaufen. Es wurden Gutachten zur Gartenschau falsch interpretiert, manche Prognosen darin waren auch schlicht falsch. Auch bei der Werbung hat es gehapert. Viel zu spät setzte eine Diskussion über die Ticketpreise ein. Vor allem aber hakte es bei der Kommunikation. Vor einem knappen halben Jahr verstieg sich Gartenschau-Chef Heiner Baumgarten in der „Bild“-Zeitung in der Diskussion um vergünstigte Familientickets zu der Aussage: „Es ist schwierig, heutzutage eine Familie zu definieren.“ Das nehmen ihm noch heute selbst wohlmeinende Beobachter übel.

Der Rückhalt der meisten eigenen Leute scheint Blankau trotz der erfolglosesten Gartenschau aller Zeiten noch sicher. „Wir sind nicht mit dem Ziel angetreten, die Gartenschau durchzuführen, sondern unser Schwerpunkt ist, mehr für Familie, Kita und Wohnungsbau zu tun“, heißt es in der Partei. Ein Rücktritt der SPD-Politikerin wird auch deshalb nicht erwogen, weil allein die Dimensionen des Defizits nicht annähernd die Gleichen sind, wie die bei der Elbphilharmonie. „Auch emotional kommt die Gartenschau nicht in die Nähe des Konzerthauses.“

Jutta Blankau bekäme erst dann ein echtes Problem, wenn sie die Zielmarke von 6000 neu gebauten Wohnungen im Jahr reißen würde. Danach sieht es bislang nicht aus. Dennoch musste ihre Behörde in dieser Woche eingestehen, dass nirgendwo erfasst wird, wie viele Wohnungen denn tatsächlich zusätzlich entstehen.