Seit einem Jahr akzeptiert Hamburg viele ausländische Berufsabschlüsse. So gewinnt die Hansestadt neue Fachkräfte

Hamburg. Sie müsse noch einmal studieren, wenn sie als Lehrerin in Hamburg arbeiten wolle, sagte man Nurten Kublay. Dabei hatte die 35-jährige Türkin nicht nur ein Lehramtsstudium in ihrer Heimatstadt Izmir erfolgreich abgeschlossen, sondern dort auch schon als Deutschlehrerin unterrichtet.

Doch weder der Abschluss noch ihre Erfahrung halfen bei einer Anerkennung ihres Berufs. Also schlug sich Kublay als Honorarkraft durch. Bis Hamburg vor einem Jahr das Anerkennungsgesetz einführte. Das gibt Einwanderern den Rechtsanspruch, dass ihre im Heimatland erworbenen Berufsabschlüsse auf Gleichwertigkeit mit den deutschen Abschlüssen geprüft wird.

Seitdem sind 432 Anträge vor allem in Sozial-, Gesundheits- und Lehramtsberufen voll anerkannt worden. Rund 400 weitere zum Teil, beispielsweise weil Zusatzqualifikationen wie etwa ein Referendariat noch fehlten. Allein 2810 Beratungsgespräche fanden in den vergangenen zwölf Monaten statt. Für Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) ist das ein Erfolg. „Das Anerkennungsgesetz leistet einerseits einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs und ist andererseits ein wichtiges Signal und eine Aufforderung an Zuwanderer: Wir brauchen Ihre Qualifikationen und Ihre Erfahrungen.“

Im April 2012 hatte die Bundesregierung das Anerkennungsgesetz verabschiedet. Dieses betrifft jedoch nur die Anerkennungssituation von bundesgesetzlich geregelten Berufen. Berufe wie Lehrer, Erzieher oder Ingenieure werden dagegen von den Ländern geregelt. Deshalb müssen die Länder für diese Berufsgruppen wiederum ein eigenes Gesetz erlassen. Hamburg war das erste Bundesland, das dies getan hat.

„Das Gesetz ist wie maßgeschneidert für mich“, sagt Nurten Kublay. Drei Monate habe es gedauert, bis ihr Abschluss an der Dokuz Eygül Universität von Izmir schließlich auch in Hamburg anerkannt wurde. „Endlich kann ich meinen Beruf ausüben. Endlich gehöre ich richtig dazu. Als Lehrerin im Klassenzimmer und zu dem Land, in dem ich lebe.“ Jetzt ist sie Lehrerin an der Ganztagsgrundschule Sternschanze.

Ähnliches hat auch Miguel Hernandez Montoya zu berichten. Der 25 Jahre alte Bauingenieur aus Murcia in Spanien schlug sich in Hamburg zunächst als Hilfskraft bei McDonald’s durch. Ein ehrenwerter Job zwar, aber nicht das, was er sich von seinem spanischen Examen versprochen hatte. „Alles, was ich in Spanien gelernt habe, konnte ich nicht gebrauchen.“ Weder in seiner Heimat, weil dort das Ende seines Studiums zeitlich auf den Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise fiel. Noch in Hamburg, wo sein Abschluss nicht anerkannt wurde. Heute arbeitet er als Bauleiter bei einer Hamburger Baufirma und verantwortet derzeit eine Baustelle in Sachsen. „Das ist gut für meine Zukunft.“

Sozialsenator Scheele sagte, dass mit dem Anerkennungsgesetz nicht nur der Fachkräftebedarf gesichert werden solle, sondern es auch „ein Teil der Willkommenskultur“ in Hamburg sein solle. Die Parlamentarier konnten der Ein-Jahres-Bilanz ebenfalls Positives abgewinnen. Kazim Abaci, Integrationssprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion sagte: „Für die Menschen, die von dem Gesetz profitieren, bedeutet dies Anerkennung im wörtlichsten Sinne. Denn damit werden ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen wertgeschätzt und bestätigt.“

Thomas-Sönke Kluth (FDP) sagte: „6000 qualifizierte Migranten leben in Hamburg, die nach den neuen gesetzlichen Möglichkeiten, die Bundesregierung und Senat geschaffen haben, ihre ausländischen Abschlüsse anerkennen lassen könnten. Einige Hundert haben dies nun erfolgreich genutzt. Das ist ein Anfang, aber Hamburg kann noch viel mehr tun.“

Seine Fraktion werde in der Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche deshalb einen Antrag stellen. Danach solle der Senat erheben, wie groß bei Migranten das Gründungsinteresse innerhalb einer Unternehmensnachfolge ist. Bis zum Jahr 2014 würden rund 3500 Inhaber- oder Familien-geführte Unternehmen in Hamburg ihre Nachfolge klären müssen. „Um diese Herausforderung zu bestehen, brauchen wir auch und gerade Menschen aus anderen Ländern und Kulturen, die mit Herz und Hand ihren Beitrag zum Wohlstand unserer Stadt leisten wollen.“

Auch Filiz Demirel (Grüne) zeigte sich zufrieden: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Allerdings verlaufe nicht alles problemlos. Die Finanzierung des Anerkennungsverfahrens sei immer noch nicht geklärt. Demirel: „Der Bund kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen und die Finanzierung den Ländern überlassen. Der Senat unternimmt hier nichts.“