Sparpläne sehen Privatisierung von öffentlichen Aufgaben vor. Für die Gewerkschaft ist das „neoliberale“ Politik

Hamburg. Das Urteil der Gewerkschaft Ver.di ist eindeutig. „Das hat mit Sozialdemokratie nichts mehr zu tun. Das ist neoliberal“, sagt Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess. Gemeint ist ein Diskussionspapier, verfasst von Führungskräften der Hamburger Verwaltung, in dem über Privatisierungen öffentlicher Aufgaben nachgedacht wird. Hintergrund sind die Sparvorhaben in den Bezirken.

In einem Diskussionspapier heißt es, dass es eine „Frage der Haltung“ sei, bei jeder Aufgabe darüber nachzudenken, ob der Staat sie erledigen müsse. „Nicht jeden unerwünschten Zustand muss der Staat beseitigen – auch Bürger, private Firmen und gesellschaftliche ‚Communitys‘ stehen in der Verantwortung und können manches schneller, besser und vor allem mit größerer Akzeptanz tun“, schreiben die Verfasser. Für Ver.di würde mit der Privatisierung der Verwaltung ein Tabu gebrochen. „Diese im Papier dargestellte Haltung ist für uns völlig inakzeptabel“, sagt Gewerkschafterin Friess. Der Öffentliche Dienst müsse „an seinen Aufgaben betrachtet werden und keinesfalls nur als Kostenfaktor“. Bezirke seien für Bürgernähe und Demokratie zwingend notwendig, so Friess weiter. Sie fordert das Gegenteil von den Vorschlägen ein – die Rekommunalisierung von Aufgaben.

Seit Ende vergangenen Jahres läuft das Projekt „Bezirksverwaltung 2020“, mit dem die Bezirke nach Einsparmöglichkeiten suchen. Ihre Ausgangslage ist klar umrissen: Jährlich steigen die Ausgaben der Bezirksämter um durchschnittlich 1,19 Prozent. Im Rahmen der Schuldenbremse dürfen die Ausgaben aber nur um 0,88 Prozent steigen. Da die Bezirke fast nur an Personal sparen können, müssen bis zum Jahr 2019 bis zu 600 Stellen wegfallen, um das Sparziel zu erreichen.

Torsten Sevecke (SPD), Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel und Mitverfasser des Diskussionspapiers, steht voll hinter den Privatisierungsgedanken. „Ich finde es vollkommen richtig, darüber nachzudenken, ob das, was wir tun, auch richtig ist.“ Als Beispiel nennt er eine Abteilung, die für Belehrungen nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig ist. „Das sind vier Mitarbeiter, die Leuten, die eine Gaststätte eröffnen wollen, unter anderem erklären, wie sie sich richtig die Hände waschen.“ Und da frage er sich, ob es sinnvoll sei, dass der Staat diese Aufgabe übernehme. „Und ich komme zur Antwort, dass ich das nicht sinnvoll finde.“ Es handele sich nicht um einen hoheitlichen Akt. „Anders etwa als bei der Ausstellung eines Personalausweises. Das ist eine staatliche Kernaufgabe.“

Wie berichtet, prüft auch das Bezirksamt Bergedorf, die öffentlichen Wochenmärkte des Bezirks in private Hände zu geben. Das Einsparpotenzial ist ähnlich gering wie in Eimsbüttel. Derzeit kümmern sich dort fünf Mitarbeiter um die Organisation und Durchführung der Märkte. Laut einer Abendblatt-Nachfrage gibt es derartige Überlegungen in keinem anderen Bezirk.

Dennoch wird über andere Privatisierungsmöglichkeiten nachgedacht. Wandsbeks Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) sagt, dass in seinem Bezirksamt fünf Angestellte für die Gebäudereinigung zuständig sind. Diese könnte extern vergeben werden, wenn die Mitarbeiter etwa durch Ruhestand ausscheiden. „Es stellt sich aber immer die Frage, wie hoch der Einspareffekt ist“, sagt Ritzenhoff. Schließlich müsse die Aufgabe weiterhin bezahlt und kontrolliert werden. In diesem Fall könnten die Kosten wohl um ein Viertel verringert werden. „Man muss aber bei jedem Einzelfall darauf schauen, ob sich das auch rechnet“, so Ritzenhoff.

Ähnliches sagt auch Andy Grote (SPD), Bezirksamtsleiter in Mitte. Zwei Volksfeste, je eines in Kirchsteinbek und in Finkenwerder, würde der Bezirk noch als Veranstalter organisieren. Keine Aufgabe, mit der mehrere Mitarbeiter das ganze Jahr lang beschäftigt wären. Der Einspareffekt läge bei einer Viertel-Stelle. „Die Aufgaben verschwinden ja nicht. Bei uns gibt es keine Aufgaben, die man nicht mehr braucht.“ Und auch Harald Rösler (SPD), Bezirksamtsleiter in Nord, sagt: „Wir haben keine Aufgaben mehr, die wir privatisieren können.“ Sein Bezirk habe seit jeher Aufgaben ausgelagert, wenn sie nicht das „Kerngeschäft“ betrafen. Thomas Völsch (SPD), Amtskollege in Harburg, sieht ebenfalls bein Potenzial. „Dass wir künftig im Rathaus auf unseren eigenen Hausmeister verzichten, kann ich mir ernsthaft nicht vorstellen.“ Der Einkauf solcher Dienstleistungen sei häufig teuer und wenig flexibel.

Für Torsten Sevecke ist dieses Mittel ohnehin nur ein „kleiner Baustein“. Den Ver.di-Vorwurf, nicht sozialdemokratisch zu handeln, streitet er ab. Er spare als Bezirksamtsleiter, nicht als Politiker.