Wie Bezirksamtsleiter Arne Dornquast Lübeck und Lüneburg Konkurrenz machen will. „Wir werden in Bergedorf weiterhin alles wohltuend und zurückhaltend gestalten. Alles muss auch stimmig sein.“

Hamburg. Hamburger, die zum Einkaufen nach Bergedorf fahren anstatt nach Lübeck, ein klares Ja zur Windenergie und ein deutliches Nein zum Fracking, der umstrittenen Methode zur Gasförderung. So sieht Bergedorfs Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (SPD) die Zukunft. Er befürwortet auch die bis zu 180 Meter großen Windräder, die neben der Autobahn 25 auf dem sogenannten Energie-Campus errichtet werden sollen.

„Windkraft ist die Energiewende schlechthin. Und in Bergedorf wird der Abstand der Windräder zu den Nachbarn groß genug sein“, sagt er und verweist auf alte Karten. „Dort sind Hunderte von Windmühlen zu sehen, die damals die Marsch entwässerten.“ Windkraft böte eine Chance für Bergedorf. Es solle vier Schwerpunkte mit Windenergieanlagen geben; drei mit einer Höhenbegrenzung auf 150 Meter, eine mit 180 Metern. „Das halte ich für eine vernünftige Größenordnung.“ Das sehen drei Bürgerinitiativen anders. Noch bis zum heutigen Donnerstag können die Wahlberechtigten in Bergedorf über ein Bürgerbegehren abstimmen, mit dem die 150 Meter hohen Windturbinen in Altengamme, Neuengamme und Ochsenwerder verhindert werden sollen.

Dornquast verweist auch auf die Möglichkeit, Strom in der Nähe zu speichern. „Wir haben in Geesthacht ein Pumpspeicherwerk. Die Hochspannungsleitung führt nach Geesthacht, sodass wir den Windstrom einfach speichern können“, sagt der Amtschef.

Fracking sei genau das Gegenteil. Gegen die Möglichkeit, Erdgas aus Gesteinen zu gewinnen, in dem man Flüssigkeiten ins Gestein einpresst, um es für die darin gelösten Stoffe durchlässiger zu machen, wendet sich Dornquast deutlich. „Es gibt klare Richtlinien der Politik, die ich für richtig halte. Wir wissen nicht, ob die Risiken beherrschbar sind, also sollen wir es bleiben lassen. Die Auswirkungen, die man ahnt, wenn man das nicht ordentlich macht, die sind so negativ, dass man es gar nicht erst versuchen sollte“, sagt Arne Dornquast. „Die Auswirkungen, zum Beispiel auf das Grundwasser können extrem schädlich sein.“

Im Bezirk Bergedorf prüft der Energiekonzern Exxon Mobil, ob es sich lohnt, in den Vier- und Marschlanden mithilfe der umstrittenen Fördermethode Erdgas zu gewinnen. Die Vorprüfung mittels alter Gesteinsproben und unterschiedlicher Studien ist vom Senat genehmigt worden. In der Hamburger Politik wird das Vorhaben mehrheitlich kritisch gesehen. In Bergedorf gibt es schon massiven Protest.

Wichtig bei allen Planungen für den Bezirk sei der „Bergedorfer Maßstab“. „Die Menschen leben einfach gern hier, weil man etwas von der Großstadt hat, aber auch noch die Zusammenhänge versteht; man geht hier nicht verloren. Alles ist überschaubar und hat einen kleinstädtischen Charakter, ohne ins Provinzielle zu gleiten“, sagt Dornquast. Das sei zwar „doof, wenn man zwischen 15 und 30 Jahre alt ist“. Dornquast: „Doch wenn man eine Familie hat, ist Bergedorf ein herrlicher Ort.“

Stolz und selbstbewusst sind sie, die Bergedorfer, reden gern von „Hamburg“, wenn sie den Rest der Stadt meinen. Und selbstbewusst möchten sie in Zukunft auch in einer Liga mit Lübeck und Lüneburg spielen.“ Und zwar mit dem historischen Kern rund um das alte Bergedorfer Schloss, die Fußgängerzone und den Bahnhof. „Viele Hamburger fahren nach Lüneburg oder Lübeck zum Einkaufen – einfach, weil es dort ein schönes Einkaufserlebnis gibt.“ Doch auch mit dem „Bergedorfer Maßstab“ könne man die Menschen in den Kern der ehemaligen Kleinstadt locken. „Wir haben zum Beispiel ein sehr klares Gestaltungskonzept. So ist der Bahnhofsvorplatz völlig frei von Werbung. Es gibt keine aufstellbaren Klapptafeln, sogenannte Kundenstopper, keinen Werbewildwuchs, und selbst alle Mülleimer sind in Bergedorf Designstücke.“

Der historische Kern solle „wohltuend und zurückhaltend“ gestaltet werden

Die Folge sei ein Wohlgefühl beim Einkaufen, das „man auch zu Fuß ablaufen kann“. Dornquast: „Wir werden in Bergedorf weiterhin alles wohltuend und zurückhaltend gestalten. Alles muss auch stimmig sein.“ Das Selbstbewusstsein in Hamburgs Osten hat auch finanzielle Gründe. „Hier ist richtig Geld da“, sagt der Amtschef. 300.000 Menschen lebten im Einzugsbereich, und die hätten eine Kaufkraft wie die Kundschaft im Alstertal-Einkaufs-Zentrum (AEZ) in Poppenbüttel.

Ebenso selbstbewusst, aber nicht so deutlich, nimmt Arne Dornquast sein neues Amt bei den Bergedorfer Museen wahr. Das Rieckhaus und das Schloss wurden aus der Stiftung Historische Museen herausgelöst und beim Amtsleiter angesiedelt. „Es genügt nicht, alte Uniformen zu zeigen. Heute muss der Besucher Erkenntnisse aus dem Museum mitnehmen, die ihn berühren, und das darf auch gern unterhaltsam sein.“