Mit der Bundestagswahl und dem gleichzeitig stattfindenden Volksentscheid zum Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze steht dem politischen Personal der Stadt ein heißer Spätsommer bevor.

Marcus Weinberg, Altonas CDU-Direktkandidat für den Bundestag, macht Urlaub. Gut, es ist nur eine Woche. Und richtig weit weg fährt Weinberg auch nicht. Es geht an den Timmendorfer Strand. Falls der Landeschef gefragt ist, wäre er innerhalb von einer Stunde wieder in Hamburg. Damit er nichts verpasst, hat Weinberg sein iPad dabei, das Handy sowieso. Es ist schließlich Wahlkampfzeit.

Mit der Bundestagswahl und dem gleichzeitig stattfindenden Volksentscheid zum Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze steht dem politischen Personal der Stadt ein heißer Spätsommer bevor. Und deshalb sind diese Sommerferien – noch mehr als jene in entscheidungsärmeren Jahren – gespickt mit Terminen. Eigentlich wollte Weinberg wegen des Wahlkampfs gar keinen Urlaub machen. „Ich habe aber festgestellt, dass ich in einer Juliwoche überhaupt keine Termine habe“, sagt Weinberg. „Da haben wir dann gleich gebucht.“ Eine Woche wolle er „Luft holen“. Doch bis dahin dauert es noch ein wenig. 160 Plakate will der CDU-Chef an diesem Wochenende aufstellen. „Die Organisationsarbeit zieht sich noch bis Mitte Juli hin.“

Die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt im August. Infotische auf der Straße, Bürgergespräche in den Stadtteilen, Diskussionsveranstaltungen. Für Weinberg ist das alles zwar nicht neu. „Das ist bereits mein vierter Bundestagswahlkampf.“ Aber ohne die Bundestagswahl wäre der Urlaub in diesem Jahr wohl ein wenig üppiger ausgefallen.

Informieren wird auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Seine Sommertour durch alle 17 Hamburger Wahlkreise hat mittlerweile Tradition. 100 Termine im Juli stehen bereits fest. Und so sind statt Strandurlaub Stippvisiten mit der Familie angesagt. An diesem Wochenende etwa ein Besuch in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen. „Unseren Sommerurlaub haben wir bereits im Mai gemacht“, sagt Dressel.

Der Parteisoldat plant seinen Sommerurlaub schon im Mai

So plant der Parteisoldat. Bis Mitte Juli warten noch ein halbes Dutzend Veranstaltungen, auf denen Dressel erklären will, warum die Stadt doch nicht 100 Prozent die Versorgungsnetze zurückkaufen sollte. Außerdem wolle er unbedingt mit Frau und Kindern die Gartenschau in Wilhelmsburg besuchen. Nachdem in dieser Woche kritisiert wurde, dass die Besucherzahlen weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, „wollen wir mit fünf zusätzlichen Gästen unseren Beitrag leisten“, sagt Dressel augenzwinkernd.

Mareile Kirsch, Gründerin der Initiative „G9-Jetzt-HH“, lässt den Sommer vergleichsweise entspannt angehen. Sie hat auch noch ein wenig mehr Zeit, ihr Ziel zu erreichen. Denn sie muss nicht am Tag der Bundestagswahl die 10.000 Stimmen zusammenbekommen, um eine Volksinitiative für das neunjährige Gymnasium zu erwirken, sondern hat Zeit bis November. „Wir mögen die G8-Hektik nicht so und wollen uns Zeit nehmen“, sagt Kirsch. So könne man jetzt länger mit den Leuten über das Thema zu sprechen, seit Ferienbeginn laufe alles ein wenig gemächlicher. Und so sind auch zwei Wochen Südfrankreich mit der Familie drin.

Urlaub kommt für Metin Hakverdi, SPD-Direktkandidat für Bergedorf-Harburg, nicht infrage. „Vielleicht vier Tage irgendwo an der Nordsee.“ Der Wilhemsburger ist nicht über einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl abgesichert. Der Einzug in das Parlament führt nämlich nur an einer sehr starken Gegnerin, Herlind Gundelach von der CDU, vorbei. Allein in der kommenden Wochen warten auf den SPD-Politiker Metin Hakverdi mindestens ein Dutzend Wahlkampftermine.

Viele davon hat sein Landeschef Olaf Scholz bereits hinter sich gebracht. In seiner Eigenschaft als stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender wird er erst nach den Sommerferien wieder in den Bundestagswahlkampf einsteigen. Zwischen dem 8. und 26. Juli hat der Bürgermeister keine Termine. Zwei Wochen davon wird er in Skandinavien urlauben. Zwar hat er Smartphone und iPad dabei, doch ihm machen Bundestagswahl und Volksentscheid keinen Strich durch die Rechnung.

Gleiches gilt auch für FDP-Fraktionschefin Katja Suding. Sie verbringt die kommende Woche mit ihren beiden Kindern in St. Peter-Ording. Anschließend geht es zwei Wochen in die USA. Die FDP-Politikerin nimmt an einem Austauschprogramm des US-Außenministeriums teil. Weniger Zeit hat dagegen Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank. Der Wahlkampf ihrer Partei verlangt nach Ideen, Aktionen und Organisation. „Ende Juli fahre ich eine Woche weg, aber wohin, ist noch nicht klar.“

Manfred Braasch vom BUND zieht es dafür mit der Familie in die Provence. „Natürlich mit dem Zug“, wie er betont. „Kraft tanken“ vor dem Volksentscheid, den er erwirkt hat. Drei Wochen nimmt Braasch sich frei. Seinen ersten Termin nach den Ferien am 25. Juli in der Handwerkskammer hat er schon fest im Blick. „Auch der August läuft mit Terminen schon voll.“ Aber bis dahin freut er sich auf die „Lavendel-Blüte, den Wein und das gute Essen“.

Bei so viel Savoir-vivre kommt bei manchem Wahlkämpfer und Volksentscheidgegner von der SPD Neid auf. „Was, der macht so lange frei?“, platzt es aus einem Sozialdemokraten heraus. Braasch kann es sich leisten. Fast zwei Drittel aller Hamburger unterstützen seinen Kurs.

Sascha Balasko ist landespolitischer Redakteur