Gut zwei Jahre nach dem Start der Hamburger SPD-Regierung stehen an der Spitze aller sieben Bezirksämter wieder die Sozialdemokraten.

Am Donnerstagabend gegen 18.30 Uhr hatte sich der Kreis geschlossen: Mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit wählte die Bezirksversammlung Altona die 60 Jahre alte Verwaltungsbeamtin Liane Melzer zur neuen Bezirksamtsleiterin. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wurde sofort per SMS informiert. Den Senatschef erreichte die Nachricht in Berlin, wo er in der Landesvertretung mit Botschaftern aus den arabischen Staaten sprach.

Mit der Sozialdemokratin als einziger Frau haben nur gut zwei Jahre nach dem Start der SPD-Alleinregierung alle sieben Bezirksamtsleiter (wieder) ein SPD-Parteibuch. Zuvor waren bereits mit Thomas Ritzenhoff (Wandsbek) und Thomas Völsch (Harburg) zwei Sozial- an die Stelle von Christdemokraten gerückt. In Mitte und Nord waren Neuwahlen nötig - auch hier stehen mit Harald Rösler und Andy Grote Sozialdemokraten an der Spitze.

Ausgerechnet Scholz' politische Heimat Altona erwies sich als schwierigster Fall. SPD und Grüne hatten sich über Monate so verhakt, dass ein Scheitern aller Bemühungen durchaus realistisch war. Um zu einer Einigung mit den sperrigen Grünen zu kommen, mussten die SPD und ihr neuer Kreisvorsitzender Mathias Petersen sogar den eigenen Favoriten, Bezirks-Fraktionschef Thomas Adrian, "opfern".

Die Altonaer Grünen hätten den parteilosen Bezirkschef Jürgen Warmke-Rose, dessen Amtszeit abgelaufen ist, gern wiedergewählt. Aber die SPD bestand auf einem Wechsel. Dabei behaupten auch eingefleischte Sozialdemokraten nicht, dass in der Hamburgischen Verfassung steht, alle Bezirksamtsleiter müssten ein SPD-Parteibuch haben... Und Bürgermeister Scholz hat diesen Umbau der Verwaltung auch nicht in seiner Regierungserklärung angekündigt.

Kein führender Sozialdemokrat würde sich offen zu dieser Form der Parteibuchwirtschaft bekennen, aber drei wesentliche Gründe dürften ausschlaggebend sein, dass es regelmäßig passiert: Erstens gilt es als einfacher, zum Beispiel den Sparkurs des SPD-Senats mit einem SPD-Bezirksamtsleiter vor Ort durchzusetzen, weil nun einmal unter Parteifreunden eine zweite Loyalitätsebene besteht. Zweitens gibt es in der SPD die Erwartung, dass sich die Mehrheiten in den Bezirksversammlungen auch an der Spitze der Verwaltung, also bei der Besetzung der Bezirksamtsleiter, widerspiegeln. Und die SPD "regiert" seit 2011 in allen Bezirken, allerdings meist in Koalitionen.

Drittens sieht Scholz die Bezirksamtsleiter als eine Art Führungsreserve für höhere Aufgaben an: zum Beispiel für den Posten eines Staatsrats. Da ist es gut, möglichst viele Eisen im Feuer zu haben. Und Scholz hat diese Karte schon einmal gezogen, indem er Wolfgang Kopitzsch, damals Nord-Bezirksamtsleiter, Anfang 2012 als Polizeipräsident durchsetzte. Doch nicht immer bietet die Wahl eines Sozialdemokraten die Gewähr für die reibungslose Erledigung der Geschäfte. Was Kopitzsch angeht, ist inzwischen durchaus eine gewisse Ernüchterung eingekehrt.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass sein Verhältnis zu Innensenator Michael Neumann (SPD) angespannt ist. Die beiden sind sehr unterschiedliche Charaktere. Während Neumann von eher zupackendem Wesen ist, kann der Polizeipräsident den Wissenschaftler in sich nicht vergessen machen. Der eher leise, reflektierte Auftritt Kopitzschs entspricht auch nicht den Erwartungen vieler Polizeibeamter, die sich häufig eine besonders kernige Ausprägung ihresgleichen als obersten Repräsentanten wünschen.

Vor allem werden intern die Management-Defizite Kopitzschs gesehen, der keine Erfahrung im Vollzugsbereich der Polizei hat und den die Komplexität der Führungsaufgabe möglicherweise überrascht hat. Auf der anderen Seite ist klar, dass Neumann und Kopitzsch miteinander auskommen müssen. Alles andere wäre das Eingeständnis einer falschen Personalentscheidung und würde auf Olaf Scholz zurückfallen.

Dabei hilft Neumann die Tatsache, dass Kopitzsch ohnehin ein Polizeipräsident des Übergangs ist. Der Sozialdemokrat wird im Januar 2014 65 Jahre alt und steht damit kurz vor seiner Pensionierung. Das trifft auch auf Manfred Murck zu, Sozialdemokrat und Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auch Murcks Verhältnis zu Neumann ist nicht spannungsfrei, was in dieser Woche deutlich wurde. Murck will die rund zehnprozentige Einsparverpflichtung von einer Million Euro für sein Amt nicht akzeptieren, zumal Polizei und Feuerwehr ungeschoren davonkommen werden. Die Kürzung bedeutet, dass bis zu 20 der 154 Geheimdienstler ihren Schlapphut nehmen müssen. Auch wenn Neumann und Murck bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2012 am Donnerstag jede Dissonanz vermieden, brodelt es hinter den Kulissen.

Murck gilt als sehr guter Analytiker, aber durchaus als schwierig im Umgang mit Mitarbeitern. Außerdem neigt der Verfassungsschutz-Chef zu längeren Monologen, was Neumann bisweilen ungeduldig werden lässt. Dann ist da noch die Sache mit der türkischen Organisation Milli Görüs: Murck hält es für möglich, auf eine Beobachtung der fundamentalistischen Gruppierung zu verzichten, weil sie in Hamburg betont gemäßigt auftritt. Neumann will davon nichts wissen. Dabei wird die Bürgerschaft am Donnerstag voraussichtlich den vom Senat ausgehandelten Vertrag mit den islamischen Verbänden beschließen, den auch Milli-Görüs-Vertreter unterzeichnet haben.

Eine "Querversetzung" in der Behörde wie im Fall von Ralph Bornhöft scheidet für Murck jedenfalls aus. Neumann hatte den 59-jährigen Sozialdemokraten vor einem Jahr von der Spitze des Einwohnerzentralamts abberufen. Seitdem ist Bornhöft stellvertretender Leiter des Amtes für Innere Verwaltung und Planung - ein Posten, den es vorher gar nicht gab. Die Ablösung geschah jedoch auf Druck aus der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Einigen Abgeordneten war Bornhöft, dem auch die Ausländerbehörde unterstand und der als "Hardliner" gilt, zu unflexibel bei heiklen Abschiebefällen, etwa Schülern, die hier kurz vor ihrem Abschluss stehen.

Pikant, aber durchaus strategisch geschickt hat die SPD die Nachfolge für Bornhöft geregelt: Amtsleiterin Johanna Westphalen ist Grüne. In dieser Partei finden sich die härtesten Kritiker der Hamburger Abschiebepraxis.