Sozialsenator Detlef Scheele ist zur Stelle, wenn jemand aus dem Senat bei heiklen Angelegenheiten in die Bresche springen muss.

Es kann manchmal ganz hilfreich, vermeintlich Bekanntes noch einmal ausdrücklich zu betonen. "Ich spreche hier als Sozialsenator", sagte Detlef Scheele (SPD) in der Bürgerschaft zur Lage der rund 300 Flüchtlinge aus Libyen, die in Hamburg gestrandet sind. Er habe sich mit Innensenator Michael Neumann (SPD) darüber abgestimmt, dass er sich zu diesem Thema äußern werde. Man sei da ohnehin einer Meinung. Und so sprach der Sozialsenator - und hielt eine ziemlich innenpolitische Rede.

Die libyschen Flüchtlinge hätten in Hamburg keine Perspektive, sagte Scheele. Er verkenne auch nicht, dass "das Leben auf der Straße unbarmherzig ist", deshalb würden die Flüchtlinge in den Tagesaufenthaltsstätten auch mit Essen und Kleidung versorgt. Es gebe aber keinen Anspruch auf Sozialleistungen, da sie über ein "sicheres Drittland", nämlich Italien, eingereist seien.

Detlef Scheele ist zur Stelle, wenn in die Bresche gesprungen werden muss

Das alles waren unangenehme Wahrheiten in einer angespannten Woche für Scheele, der wie so oft, wenn jemand aus dem Senat in die Bresche springen muss, als erster "hier" rief. So ging er etwa vor gut einem Jahr als erster Ressortchef nach vorn, um die Sparpläne zu präsentieren. Scheele war auch derjenige, der im vergangenen Sommer die Unterbringung von ehemaligen Sicherungsverwahrten in Moorburg nach Außen verteidigte. Zuständig wären auch Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) oder abermals Innensenator Neumann gewesen. "Das ist auch kein reines Sozialthema", sagt eine SPD-Abgeordnete. Dass es aber Scheele war, den Job übernahm, hat zum einen damit zu tun, dass die Sozialbehörde am Ende immer irgendwie zuständig ist. "Bei dieser Behörde kommt keine große Freude auf, da kann man nur verlieren", sagt jemand aus der SPD-Fraktion. "Alles, was die Sozialbehörde tut, macht sie eben auch unter innenpolitischen Gesichtspunkten."

"Er ist ein Technokrat. Man erkennt nicht das Herz, das man bei einem Sozialsenator erwarten würde. Scheele ist jemand, der Vorschriften exekutiert", sagt ein Vertreter der CDU-Bürgerschaftsfraktion. "Und er genießt die Aufmerksamkeit, die er damit erzielt, wenn er gegen den Strich bürstet." Die immer wieder unterstellte Herzlosigkeit ärgert Scheele, der von sich sagt, dass er sich eher als Sozial- denn als Arbeitssenator sieht, der er ja auch ist.

Von Parteifreunden ist aber auch zu vernehmen, dass Scheele eben jemand sei, der Herausforderungen annehme. "Der denkt nicht strategisch darüber nach, ob er sich damit schaden würde, sondern hat das Pflichtbewusstsein, der politischen Sache ein Gesicht zu verleihen und anzupacken." Und selbst vom politischen Gegner ist zu hören, dass der Sozialsenator niemand sei, der sich wegducke, damit jemand anderes getroffen werde. "Scheele sieht das Dilemma, dass gutes Tun nicht gleichbedeutend ist mit einer guten Wirkung", heißt es anerkennend aus der CDU.

Damit ist gemeint, dass der Sozialsenator sich durchaus bewusst darüber ist, welche Sogwirkung es hätte, den Flüchtlingen aus Libyen eine Perspektive zu versprechen, nur um erst einmal Ruhe zu haben. Denn zur Wahrheit des Flüchtlingsdilemmas gehört auch: Je besser das Hilfsprogramm, desto mehr Menschen kommen in die Stadt, um davon zu profitieren. Hamburg hat Mühe, abgesehen von dem Leid der Flüchtlinge, nicht selber Leidtragender der verfehlten Flüchtlingspolitik Italiens zu werden. Deren Regierung hatte temporäre Aufnahmeeinrichtungen geschlossen und den libyschen Flüchtlingen 500 Euro Prämie ausgezahlt, damit diese die Lager verlassen. Dass diese nach Deutschland reisten, hat Italien zwar nicht aktiv unterstützt, aber gern in Kauf genommen. Völlig klar ist die rechtliche Lage, nach der der italienische Staat für die Versorgung dieser in Not geratenen Menschen zuständig ist.

Es stellt sich also die Frage, warum der Sozialsenator bei den heiklen internationalen Angelegenheiten nach vorne prescht und nicht der Innensenator, der auch oberster Chef der Ausländerbehörde ist. "Detlef Scheele hat ausgesprochen, was auch Michael Neumann hätte sagen können - und müssen", sagt denn auch eine SPD-Abgeordnete. In diesem Fall, wo es ohnehin keine Herzlichkeiten zu verteilen gab, hätte das dazu beitragen können, Scheeles Image vom Mann fürs Grobe nicht weiter zu verfestigen.

Neumann will als Sportsenator, nicht als Innensenator wahrgenommen werden

Stattdessen hielt sich der Innensenator weiter an seine Maxime, nach der er in der Öffentlichkeit weniger als Innensenator, sondern eher als Sportsenator - der er ja auch ist - wahrgenommen werden möchte. Das Prinzip lautet: Wenn die Innere Sicherheit kein öffentliches Thema ist, dann gibt es mit ihr auch kein Problem. Was den Wunsch nach der eigenen Wahrnehmung angeht, da gleichen sich Scheele und Neumann. Ein Unterschied besteht allerdings bei den Motiven. Ein Kernsatz von Neumann, der sich aus bitterer Erfahrung speist, ist, dass die SPD mit Innenpolitik keine Wahlen gewinnen, sehr wohl aber verlieren kann.

So gesehen, war es eine gute Woche für Neumann. Er war dabei, als der neue HSV-Campus vorgestellt wurde. Und wenn er als Innensenator auftrat, dann bei der Eröffnung der Verkehrsleitzentrale - der modernsten in Europa.