Wilhelmsburg soll durch IBA und Internationale Gartenschau aufblühen. An den Häusern der Gagfah geht der Aufschwung aber weitgehend vorbei.

Wilhelmsburg. Der Stadtteil soll ein Vorbild werden. "Ein Vorbild für nachhaltige, zukunftsorientierte Innenentwicklung", sagt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD). Und möglich machen es die Internationale Bauausstellung und die Internationale Gartenschau, die in diesem Jahr in Wilhelmsburg stattfinden. Die Hoffnung des Senats: Die beiden Großausstellungen verwandeln die manchmal doch recht rauen Straßenzüge in blühende Landschaften.

Blühende Landschaften? Das Einzige, was in der Wohnung der Familie Nuhiu an der Korallusstraße blüht, ist der Schimmel. Der Schimmel hat sich im Wohnzimmer ausgebreitet, im Schlafzimmer, in der Küche. Die Nuhius leben in einer Wohnung der Wohnungsgesellschaft Gagfah. Die Gagfah ist nicht nur in Hamburg einschlägig bekannt. Bundesweit hat der Konzern 145.000 Wohnungen, davon 9200 in Hamburg und 1300 in Wilhelmsburg.

Das Wohnungsunternehmen war in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten, nachdem Mieter beklagt hatten, dass ihre Wohnungen verschimmeln und verfallen. Eigentlich hatte die Gagfah mal einen guten Namen, denn das Unternehmen gehörte einst dem Staat. Im Jahr 2004 wurde die Gesellschaft an den amerikanischen Hedgefonds Fortress verkauft, der das Unternehmen an die Börse brachte. Seitdem gibt es Ärger. Der Vorwurf: Die Gagfah investiert viel zu wenig in die Sanierung ihrer Wohnungen. Trotzdem zahlte die Gagfah ihren Aktionären in der Vergangenheit hohe Renditen. Nachdem Mieter vor zwei Jahren wütend gegen die Gagfah auf die Straße gegangen waren und auch die Medien berichteten, gelobte der Wohnungskonzern Besserung. Die Dividenden für die Aktionäre wurden gestrichen, Führungspersonal ausgetauscht. Zuletzt teilte die Gagfah dann mit, der Konzern habe 2012 einen Gewinn von 47,7 Millionen Euro gemacht - nach Verlusten im Vorjahr.

Doch jetzt häufen sich wieder die Beschwerden Hamburger Mieter. Beim Mieterverein zu Hamburg laufen 200 Fälle von Mietern, die wegen Verwahrlosung oder Streit um die Betriebskosten gegen die Gagfah vorgehen.

Familie Nuhiu zog vor zwei Jahren an die Korallusstraße. Freunde hatten den Tipp mit der Gagfah gegeben. Es ist schwer, in Hamburg eine Wohnung zu finden. Und Gagfah-Wohnungen sind vergleichsweise günstig. Für vier Zimmer, 84 Quadratmeter, zahlt die Familie 725 Euro warm. Zwei Monate nach dem Einzug kam der Schimmel. "Ich habe immer wieder sauber gemacht", sagt Merita Nuhiu. Die Mutter von zwei Kindern schämte sich für den Schimmel - und putzte dagegen an. In ihrer Wohnung ist es sauber, mit Straßenschuhen kommt hier keiner rein. Sogar über den Teppich hat sie eine Schutzfolie gelegt. Doch gegen den Schimmel kann sie nichts machen. Das Dach ist kaputt, das Wasser läuft in die Wände. Vor einem Dreivierteljahr haben die Nuhius die Tapete im Wohnzimmer abgenommen. Die ganze Wand, die zum Vorschein kam, ist schwarz vor Schimmel. Es riecht faulig. "Mein Sohn hustet den ganzen Tag. Der Arzt sagt, dass wir nicht bleiben dürfen", sagt Merita Nuhiu.

Kurz nach Auftreten des Schimmels habe sie sich bei der Gagfah beschwert. Mehrere Mitarbeiter erschienen. Zwischenzeitlich schickte die Gagfah Maler in die Wohnung. Diese rückten nur mit Mundschutz in die Wohnung an, in der die Eltern mit ihren beiden Kindern ohne Mundschutz leben. Gegen den Schimmel konnten die Maler nichts machen. Die Nuhius wollen raus aus der Wohnung. 20 Wohnungsbesichtigungen haben sie nun schon hinter sich. Es gab nur Absagen. Bei der Gagfah haben sie sich um eine andere Wohnung bemüht - ohne Erfolg.

Auch beim Nachbarn schimmelt es: Ulki Demiri zahlt 900 Euro für seine 105-Quadratmeter-Wohnung an der Korallusstraße. Vor zweieinhalb Jahren zog er mit seiner Frau hier ein, wenig später entdeckten sie den Schimmel. Als der Schimmel dann nicht nur im Wohnzimmer, sondern auch im Schlafzimmer und der Küche war, beschwerte er sich bei der Gagfah. Mitarbeiter erschienen in seiner Wohnung, ein Gerüst wurde an der Außenwand aufgebaut - aber der Schimmel kam immer wieder. "Klagen ist eigentlich nicht meine Art", sagt Demiri. Mittlerweile hat er sich aber einen Anwalt genommen und geht gegen die Wohnungsgesellschaft vor. "Ich war noch nie so häufig krank", sagt Ulki Demiri. Er muss oft husten, der Schimmelgeruch ist für ihn und seine Frau kaum zu ertragen.

Die Gagfah erklärt auf Abendblatt-Anfrage zu den beiden Fällen: "Wir sind bei beiden Familien bei allen gemeldeten Mängelmeldungen direkt tätig geworden. Leider waren die Arbeiten, die unsere Dienstleister oder wir nach den Meldungen geleistet haben, nicht umfänglich erfolgreich." Das Dach solle nun überprüft werden, beiden Mietern werde eine 25-prozentige Mietminderung gewährt.

An der Wittestraße 19 wohnt die Familie Tari. Vier Zimmer, 92 Quadratmeter kosten 618 Euro im Monat. Die Taris leben seit dem Jahr 2000 hier. Vor vier Jahren kam der Schimmel. Im Wohnzimmer tritt Wasser durch die Wand ein, die Tapete fällt ab. Auch im Badezimmer schimmelt es. Mithilfe des Mietervereins haben sich die Taris im Februar 2009 bei der Gagfah beschwert. Mitarbeiter kamen in die Wohnung, mehrfach. "Mal sagen sie, wir sollen das Fenster im Bad den ganzen Tag offen halten. Mal sagen sie, wir sollen das Fenster geschlossen halten", sagt Hacer Tari, Mutter von drei Kindern.

Das Fenster im Zimmer ihres Sohnes Tuncay lässt sich nicht schließen. Wind zieht ins Zimmer, im Winter mussten die Taris dagegen anheizen. Zweimal schon seien Gagfah-Mitarbeiter da gewesen. Sie hätten versprochen, das Fenster auszutauschen. Doch passiert sei nichts, sagt Tuncay Tari.

Die Gagfah räumt ein, "dass bei Starkregen der Schlagregenschutz eventuell nicht ausreichend sein könnte, dies werden wir überprüfen". Allerdings hätten mehrere Sachverständige festgestellt, "dass die Schimmelbildung im Bad Mieterverschulden ist".

Die Saga GWG hat in Wilhelmsburg 8000 Wohnungen. Für 103 Millionen Euro werden diese Wohnungen erneuert, die Mieter konnten über die neuen Grundrisse ihrer alten Wohnungen mitbestimmen. Mehrere Wohnblöcke und Geschäftsräume am Berta-Kröger-Platz werden gerade für 14 Millionen Euro modernisiert.

Und die Gagfah? "Wir investieren täglich und nachhaltig in unseren Bestand, unabhängig von der IBA." In den Jahren 2011 und 2012 habe die Gagfah 1,9 Millionen Euro für Sanierung in Wilhelmsburg investiert. 12 Euro gebe das Unternehmen mittlerweile jährlich im Schnitt für die Sanierung ihrer Wohnungen pro Quadratmeter aus. Das Unternehmen prüfe zurzeit weitere Modernisierungsvorhaben. "Konkrete Projekte können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht nennen", heißt es. Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg hingegen sagt, dass sich die Gagfah aus allen wichtigen Gesprächsrunden zur Verbesserung der Wohnqualität zurückgezogen habe. Chychla zufolge hat sich das Unternehmen nicht geändert: "Die Gagfah versucht, den Eindruck zu erwecken, man kümmert sich um alles. Aber das stimmt nicht. Sie bewegt sich nur, wenn Mieter juristische Schritte androhen", sagt er.