Der einzige Parteilose unter den sieben Bezirksamtsleitern hat am Dienstag seinen letzten Arbeitstag absolviert. Der neue Altonaer Bezirksamtsleiter wird vermutlich ein SPD-Parteibuch besitzen.

Der einzige Parteilose unter den sieben Bezirksamtsleitern - sechs haben ein SPD-Parteibuch - hat am Dienstag seinen letzten Arbeitstag absolviert. Jürgen Warmke-Rose, der seit 2007 an der Spitze der Verwaltung im Bezirk Altona stand, hat seinen Schreibtisch im klassizistischen Rathausbau am Platz der Republik bereits geräumt. Ein Nachfolger ist bislang nicht in Sicht, weil sich SPD und Grüne in Hamburgs Westen darüber heillos zerstritten haben. Andererseits gehört keine große prophetische Gabe dazu vorauszusagen, dass der neue Altonaer Bezirksamtsleiter ein SPD-Parteibuch haben wird.

Der Grund ist einfach: Seit Olaf Scholz im März 2011 zum Ersten Bürgermeister gewählt wurde, hat die SPD jede Chance genutzt, um die Top-Ebene der Bezirksverwaltung in ihrem Sinne umzubauen oder, wo das nötig war, erneut mit einem Genossen zu besetzen. In den zwei Jahren war das bereits in fünf der sieben Bezirke so. Den Auftakt machte der frühere SPD-Bezirks-Fraktionschef Thomas Ritzenhoff, der Mitte Juni 2011 zum neuen Wandsbeker Bezirksamtsleiter gewählt wurde und Cornelia Schroeder-Piller (CDU) stürzte.

Anfang Juli setzte sich Arne Dornquast (SPD) gegen eine parteilose Konkurrentin als Bergedorfer Bezirksamtsleiter durch. Ein Heimspiel für Dornquast, denn die SPD regiert in Bergedorf mit absoluter Mehrheit. Die Neuwahl war nötig, weil Scholz Vorgänger Christoph Krupp (SPD) zum Staatsrat und Chef der Senatskanzlei ernannt und ins Rathaus geholt hatte.

Im November wählte die ebenfalls mit absoluter Mehrheit ausgestattete Harburger SPD-Fraktion den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Völsch zum neuen Bezirksamtsleiter. Mit Torsten Meinberg musste auch hier ein Christdemokrat gehen, der noch dazu erst ein Jahr zuvor von der damaligen Mehrheit von CDU und Grünen für sechs Jahre gewählt worden war.

Den einzigen unplanmäßigen Wechsel gab es im Bezirk Mitte: Markus Schreiber (SPD) musste Anfang 2012 von seinem Posten als Bezirksamtsleiter nach dem Tod der elfjährigen Chantal zurücktreten. Das Mädchen lebte unter der Aufsicht des Jugendamts Wilhelmsburg bei ihren drogenabhängigen Pflegeeltern und starb an einer Überdosis Methadon. Im April 2012 wurde der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote unter anderem mit den Stimmen der SPD-FDP-Koalition zum neuen Verwaltungschef in Mitte gewählt.

Im August 2012 war der Bezirk Nord an der Reihe: Hier musste ein Nachfolger für Wolfgang Kopitzsch (SPD) gefunden werden, den Innensenator Michael Neumann (SPD) bereits Anfang des Jahres zum Polizeipräsidenten ernannt hatte. Nach langen Debatten im Bezirk fiel die Wahl auf den Mann, der das Amt als stellvertretender Bezirksamtschef nach Kopitzschs Weggang kommissarisch geleitet hatte: Harald Rösler. Die Besonderheit: Der Sozialdemokrat und Verwaltungsexperte wurde fast einstimmig gewählt.

Mit anderen Worten: Nur ein Bezirksamtsleiter hat den Regierungswechsel im Rathaus im März 2011 "überlebt": Torsten Sevecke, der 2010 von der damaligen rot-grünen Mehrheit in der Bezirksversammlung Eimsbüttel gewählt wurde. Aber Sevecke ist ja auch Sozialdemokrat.

Eigentlich sind die Bezirksamtsleiter nur Beamte, die die politischen Vorgaben des Senats und der Bezirksversammlungen loyal umzusetzen haben. Warum sollten sie also überhaupt ein Parteibuch haben, noch dazu alle dasselbe, das der Regierungspartei? "Bezirksamtsleiter sind ein Stück weit auch politische Beamte", sagt ein führender Sozialdemokrat. "Da ist ganz natürlich, dass man guckt, ob man einen geeigneten Kandidaten im eigenen Verein hat."

Es gibt auch eine filigranere Interpretation. "Bezirksamtsleiter sollen ihren Bezirken dienen, nicht einer Partei", sagt ein anderer Spitzengenosse. "Aber es ist einfacher für einen Bezirksamtsleiter, möglichst viel für seinen Sprengel herauszuholen, wenn er das Senats-Parteibuch hat." Er sei dann kein Fremder im Inneren der Macht. "Und man muss nicht die Sorge haben, dass er Herrschaftswissen zu seiner Partei trägt", sagt der Sozialdemokrat.

Nun ist es nur so, dass Bezirksamtsleiter für sechs Jahre gewählt werden, die Bürgerschaft jedoch alle vier Jahre. Es kann also sein, dass ein Bezirks-Chef plötzlich das falsche Parteibuch hat. "Dann ist es Zeit, einen Neuen zu wählen", sagt der SPD-Mann ungerührt.

Die Ironie der Geschichte: Das Instrument einer Abwahl des Bezirksamtsleiters haben ausgerechnet CDU und Grüne geschaffen - gegen die Stimmen der SPD. Schwarz-Grün nutzte 1997 die Zeit zwischen Bürgerschaftswahl und dem rot-grünen Koalitionsschluss zu einer Gesetzesänderung. Die Sozialdemokraten sind also heute Nutznießer der ersten schwarz-grünen Entscheidung der Bürgerschaft.

Immerhin: Schwarz-Grün hat das selbst geschaffene Instrument auch genutzt - in Altona. Als CDU und Grüne nach der Wahl 2004 im Bezirk die Mehrheit hatten, ersetzten sie den Liberalen Hinnerk Fock 2007 durch den Parteilosen Warmke-Rose. Nur: Schwarz-Grün probierte es immerhin fast drei Jahre mit dem Freidemokraten. Da machen die Sozialdemokraten unter Parteichef Scholz heute kürzeren Prozess. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Der heutige Senatskanzlei-Chef Krupp wurde als Bergedorfer Bezirksamtsleiter 2007 wiedergewählt, als die CDU dort die absolute Mehrheit hatte.

In Altona spricht derzeit vieles für eine Interimslösung: Weil sich SPD und Grüne nicht einigen können und die Grünen den SPD-Favoriten und Bezirks-Fraktionschef Thomas Adrian schroff ablehnen, könnte Amtsvize Kersten Albers den Bezirk kommissarisch leiten. Ach ja, Albers ist Sozialdemokrat. Im Herbst 2014 werden die Bezirksversammlungen neu gewählt. Mancher Sozialdemokrat hofft vielleicht darauf, dass die SPD dann in Altona allein regiert...