Hans von Storch kritisiert “Klimawandel-Panikmache“ seiner Kollegen - und das jüngste Gutachten zur Elbvertiefung

Hamburg. Der Hamburger Klimaforscher Hans von Storch hat scharfe Kritik an dem neuen Gutachten zu möglichen Folgen der Elbvertiefung geübt. In der holländischen Studie wird vor einem "Umkippen" der Elbe im Mündungsbereich gewarnt (wir berichteten). "Was ich da in der Presse lese, belustigt mich", sagte der Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht im Gespräch mit dem Abendblatt. Die Wirkungen der letzten Elbvertiefungen seien deutlich geringer ausgefallen als die früherer Ausbaggerungen. Wer jetzt behaupte, eine kleine weitere Veränderung könne plötzlich eine sehr große negative Wirkung entfalten, argumentiere mit der Chaostheorie. "Dieses System ist aber hochdimensional und stochastisch, sodass die Bestimmung von solchen Kipppunkten praktisch unmöglich ist", so von Storch. Die Aussagen des Gutachtens "klingen nach Hollywood", so der Klimaforscher.

Nach Ansicht von Storchs hätte eine neuerliche Fahrrinnenanpassung "keine gravierenden Folgen". Die Salzwassergrenze werde sich wohl "ein Stück weiter stromauf verschieben", so der Forscher. "Die Wirkung ist aber deutlich geringer als die der Vertiefungen, die wir in der Vergangenheit hatten. Zwischen 1962, der ersten Vertiefung, und 1980 hat sich die Differenz der Sturmfluthöhen zwischen Cuxhaven und Hamburg um 70 Zentimeter auf einen Meter erhöht. Seit 1980 ist es bei einem Meter geblieben. Das liegt daran, dass die Elbe zu einem Kanal umgebaut und die Fahrrinne vertieft worden ist. Eine Sturmflutwelle kommt deswegen besser und schneller durch."

Dennoch könne er die Kritik der Grünen und der Naturschutzverbände durchaus nachvollziehen, so der 63-Jährige. Man müsse sie aber nicht zwangsläufig teilen. "Eine weitere Elbvertiefung kann negative Auswirkungen auf die Natur haben. Naturschützer haben deshalb legitime Gründe für ihre Sorgen", so von Storch. "Denn sie haben ja ein Idealbild von der Elbe, das naturnäher ist. Ich kann aber natürlich auch das Idealbild haben, dass die Elbe gerade auch die Lebensader des Hamburger Hafens ist. Da treffen zwei verschiedene Weltbilder aufeinander." Der Wissenschaft stehe es aber nicht zu sagen: Dieses Bild ist besser als jenes.

Von Storch geht in seinem neuen Buch "Die Klimafalle" (Carl Hanser Verlag, 19,90 Euro) mit seinen Kollegen hart ins Gericht. "Es gibt leider in der Klimaforschung die Tendenz, absolute Wahrheiten zu verkünden und diese gleich mit Handlungsanweisungen zu verknüpfen", sagte von Storch. "Der Klimapapst sagt, was zu tun ist, und für die Bürger gilt: Maul halten. Wissenschaftler nehmen mittlerweile die Rolle von Schamanen oder Priestern ein. Das ist nicht ihre Aufgabe. Wissenschaft soll helfen, Probleme zu verstehen. Und Möglichkeiten zeigen, damit umzugehen, am besten viele Möglichkeiten. Danach muss der politische Prozess entscheiden, welchen Weg wir nehmen."

Einige seiner Forscherkollegen verwendeten aber gerne "Storys, die hin zur Katastrophe weisen", so der Professor für Meteorologie. Ein Beispiel sei die Annahme, wir würden in unserer Region "mörderisch heftige Stürme" bekommen. Dafür gebe es aber überhaupt keine Hinweise. "Das Ganze hat auch einen kulturellen, anthropologischen Hintergrund", sagte von Storch. "Wenn man sündigt, wird man bestraft. Früher ging es um Gottes Strafe, heute um eine Strafe der Natur. Und dazu sehen wir dann idiotische Filme wie 'The Day After Tomorrow'." Mit "peppigen" und verkürzten Aussagen setzten die "Lautsprecher" unter den Forschern die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft insgesamt aufs Spiel. Der Klimawandel durch Treibhausgase, den auch von Storch konstatiert, sei nicht automatisch als das größte Problem der Menschheit einzuordnen. "Manch einer wird sagen, dass die Armut auf der Südhalbkugel ein größeres Problem ist." Der Klimawandel bedeute auch nicht das Ende der Menschheit. "Die Klimapolitik hat sich mit solchen Untergangsszenarien selbst in eine Sackgasse manövriert. Und die Wissenschaft ist daran mit schuld. Es wird so getan, als gebe es nur eine einzige Lösung für das Problem, nämlich die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad. Wenn wir das nicht hinkriegen, dann ist es aus mit uns, wird suggeriert. Dabei zeigt sich längst, dass wir dieses Ziel gar nicht mehr erreichen können."

In den kommenden zehn Jahren werde sich wahrnehmbar kaum etwas am Klima verändern, sagte von Storch. "Die Bewegung hin zu wärmeren Bedingungen wird sich im Laufe des Jahrhunderts aber deutlicher zeigen." Sein Institut gehe davon aus, dass Hamburg für die Zeit um 2030 mit höchstens 30 Zentimetern höheren Pegelständen zu rechnen habe. "Danach kann sich die Entwicklung beschleunigen. Darauf müssen wir uns einstellen." Es sei wichtig, den Küstenschutz in Ordnung zu halten. "Es ist klug, so zu bauen, dass wir noch einen Meter oben drauflegen können." Außerdem müssten die Abwassersysteme für mehr Starkregen ausgelegt werden.