Viele Kinder werden an ihrer Wunschgrundschule abgewiesen - einige Eltern wollen das nicht akzeptieren

Wellingsbüttel/Eimsbüttel . Wenn die Kinder aus der Nachbarschaft nach dem Sommer in die Grundschule Kielortallee gehen, darf die sechsjährige Tochter von Christophe Stoll nicht mit. Wegen zwei Metern. Denn die Stolls wohnen diese 200 Zentimeter zu weit weg von der Wunschgrundschule. Gerade haben sie einen Ablehnungsbescheid bekommen. So wie 663 andere Familien von zukünftigen Erstklässlern auch. Zwar ist das bei 13.221 Kindern, die eingeschult werden, nur ein geringer Teil und Schulsenator Ties Rabe, SPD, freut sich dass 95 Prozent der Erstwünsche erfüllt werden. Für die abgelehnten Eltern aber ist es häufig schwer nachzuvollziehen.

"Wir wollten, dass sich unsere Tochter den Schulweg mit den Nachbarskindern teilt", sagt Christophe Stoll, der am Grindelhof in Rotherbaum wohnt. Nach Berechnungen der Schulbehörde ist die Wohnung der Stolls 982 Meter von der Kielortallee entfernt, die anderen Kinder wohnen ein paar Meter näher dran. Die Grenze für die Schulaufnahme liegt bei 980 Metern. Nun sollen die Stolls ihre Tochter an der Grundschule Hoheluft anmelden -2227 Meter vom Grindelhof entfernt.

"Mir geht es um die Stadtteilfrage: Muss man grundsätzlich bangen, mit den Nachbarskindern auf dieselbe Schule zu kommen?", fragt sich Christophe Stoll. Seine Tochter besucht die Vorschule an der Kielortallee und wird dennoch nicht für die erste Klasse dort zugelassen. Schulleiter Frank Behrens musste 27 Familien eine Absage erteilen. Auf 92 Plätze gab es 119 Anmeldungen. "Das eigentliche Problem ist die Knappheit von Schulraum in Eimsbüttel insgesamt. Die umliegenden Schulen (Sternschanze, Isebek) sind ebenfalls voll, sodass Schulen im weiteren Umkreis gesucht werden mussten", sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. So könne es zum Teil zu längeren Schulwegen kommen. "Das ist für Eltern natürlich schwer nachvollziehbar."

Zwölf Eltern der Schule Kielortallee haben Widerspruch eingelegt. Und es werden noch mehr, da die Frist bis zum 8. Mai dauert. Eine weitere Klasse könne nicht eingerichtet werden, da der Raum fehle, heißt es. An anderen Standorten hingegen wird die Behörde 39 zusätzliche Klassencontainer aufstellen.

Viele Eltern glauben, dass ein Kind, das bereits die Vorschule besucht, auch ein Anrecht darauf hat, dort in die erste Klasse gehen zu können. Doch dem ist nicht so. Die Kriterien sind im Schulgesetz festgelegt: Vorrang haben Härtefälle, es folgen Geschwisterkinder, die Schulweglänge und dann der Besuch der Vorschule. Die betroffenen Eltern hinterfragen diese Regeln: "Es geht anscheinend nicht mehr um das Wohl des Kindes", heißt es vom Elternrat der Grundschule Kielortallee.

Auch an der Grundschule Strenge in Wellingsbüttel werden 21 juristische Auseinandersetzungen erwartet. Dort ist die Zahl mit 33 Ablehnungen so hoch wie nie. Die sechsjährige Johanna schmiedete schon Pläne mit der Freundin, die einen Platz bekommen hat, für die gemeinsame Schulzeit. Nach dem Willen der Schulbehörde muss Johanna ab Sommer aber mehr als drei Kilometer weit zu der ihr zugewiesenen Schule gehen - ein Ziel, das sie bis zum Ende ihrer Grundschulzeit kaum allein erreichen könne. Auch die Eltern von Josefine und Lucie, die nebeneinander wohnen, haben eine Absage erhalten. Sie sollen die Grundschule Karlshöhe besuchen. "Der Weg ist für uns doppelt so weit und führt über die Bundesstraße 434 und entlang stark befahrener Straßen", sagt Josefines Mutter Stefanie Lautenschläger. Statt 1100 Meter durch ruhige Seitenstraßen bis zur Schule Strenge müssten die beiden Erstklässler doppelt so weit laufen. "Und das trotz des Konzeptes kurze Beine, kurze Wege", so Frau Lautenschläger.

Die Schule Strenge sei immer die Schule der Wahl gewesen, eben weil sie im Stadtteil verankert sei: Die Einladung zur Viereinhalbjährigen-Untersuchung, die Anmeldung für die Einschulung - immer seien die Briefe von der Schule Strenge gekommen. Die fortschreitende Bebauung in Wellingsbüttel führe außerdem zu einem dauerhaft erhöhten Bedarf an Schulplätzen, sagen die Eltern. "Bei den gegenwärtig hohen Anmeldezahlen handelt es sich aber um einen kurzfristigen Spitzenbedarf, der voraussichtlich bereits zum Schuljahr 2015/16 zurückgehen wird. Daher kommt ein dauerhafter Ausbau der besonders nachgefragten Schulstandorte nicht in Betracht", so Behördensprecher Albrecht. Die Eltern der Schule Strenge fordern Schulsenator Rabe nun in einem Schreiben auf, eine zusätzliche Klasse einzurichten.

Die durchschnittliche Klassengröße an Grundschulen liegt bei 20,9 Schülern, in sozial benachteiligten Stadtteilen bei 18,3 Schülern. 41 Grundschulklassen haben, auch um unzumutbare lange Schulwege zu vermeiden, jeweils einen Schüler über die Klassenobergrenze von 19 beziehungsweise 23 Schülern hinaus aufgenommen.

Christophe Stoll aus Rotherbaum hadert derweil auch mit der Berechnung der Entfernung zur Schule, die sich über die Internetseite www.hamburg.de/schulweg offiziell berechnen lässt. Denn für seine Adresse werden drei verschiedene Häuser angegeben, obwohl es laut Stoll nur eines dort gibt. So kommt es, dass er mal 885 Meter, mal 906 Meter oder 982 Meter von der Kielortallee entfernt wohnt. "Die Behörde hat mich bei 982 Metern eingestuft", so Stoll. Zwei Meter zu weit.