Der Sekt war schon kalt gestellt für das große Finale, eine Art Friedensschluss nach Jahren des Streits. Doch es kam am Montagnachmittag wieder einmal anders - wie schon so häufig bei den scheinbar endlosen Verhandlungen um den Weiterbau der Elbphilharmonie. Martin Heyne, der Geschäftsführer der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe) hatte alles vorbereitet. Um 16 Uhr sollten die Verträge zur Neuordnung des Projekts zwischen der Stadt, dem Generalunternehmer Hochtief und den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron in den Büros der ReGe an der Überseeallee in der Hafencity unterschrieben werden - wenige Hundert Meter vom Rathaus entfernt.

Doch dann war die Verblüffung groß: Zwar waren die Verhandlungsgruppen der Stadt unter Leitung von Kulturstaatsrat Nikolas Hill und des Baukonzerns Hochtief mit dem Hamburger Projektleiter Dirk Rehaag erschienen, aber die Generalplaner von Herzog & de Meuron fehlten. Offensichtlich gab es auf Seiten der Architekten noch internen Abstimmungsbedarf.

Nun wird sich die Stadt im Zuge der Neuordnung bekanntlich aus der operativen Verantwortung zurückziehen und das Feld Hochtief und Herzog & de Meuron überlassen. Doch wie die beiden ebenfalls über Jahre zerstrittenen, künftigen Partner in einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) vertraglich zusammenfinden, wollte die Stadt genau wissen. Und zwar bevor auch nur eine Unterschrift unter den Rahmenvertrag mit Hochtief gesetzt würde.

Die Sache zog sich Stunde um Stunde hin. Erst um kurz vor Mitternacht erschienen die Vertreter von Herzog & de Meuron an der Überseeallee. Trotz der nächtlichen Stunde machten sich die Verhandler der Stadt an die Arbeit, die Verträge zu überprüfen. Wichtig war ihnen vor allem, dass die Architekten in der neuen Arge nicht von Hochtief überstimmt werden konnten.

Wie fast zu erwarten bei dem Problemfall Elbphilharmonie, kam es nun plötzlich auch an anderer Stelle zum Streit, obwohl doch alle großen Punkte ausgeräumt waren. Der Rahmenvertrag zwischen der Stadt und Hochtief, das Herzstück der Neuordnung, war "unterschriftsreif", wie es aus dem Rathaus hoffnungsvoll hieß. Als Streithähne entpuppten am Montag dann ausgerechnet Zwei, deren Zusammenarbeit eigentlich reibungslos funktionieren sollte: ReGe-Chef Heyne und Hochtief-Mann Rehaag. Heyne gilt als unbelastet, denn er ist erst seit Anfang des Jahres dabei und hat die Leidengeschichte der vergangenen Jahre nicht miterlebt.

Es ging gewissermaßen ums Kleingedruckte. So wird in den diversen Anhängen des Hauptvertrages unter anderem das Bausoll, das Hochtief zu erbringen hat, konkret festgelegt. Die Details waren umkämpft, aber zum Beispiel war auch die Frage, welche öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen den Bau als Externe kontrollieren sollen - etwa im Hinblick auf den Brandschutz -, im Streit. Ein bisschen ging es wohl auch darum, wer Herr im Haus ist: Heyne als Auftraggeber oder Rehaag als Auftragnehmer.

Vielleicht war die Neigung zum Nachgeben bei Hochtief auch nicht mehr sehr ausgeprägt: Immerhin hatte die Stadt gegenüber der grundsätzlichen Einigung mit Hochtief über die Weiterführung des Baus im Dezember bereits durchgesetzt, dass sie eine Sicherungsreserve in Höhe von 73 Millionen Euro einbehalten kann, falls das Konzerthaus nicht in der vereinbarten Qualität ausgeführt ist. Und entscheidend für diese Beurteilung ist unter anderem der Qualitätsstempel von Herzog & de Meuron ("HdM-Label"), die für den hohen architektonischen Anspruch des Hauses bürgen sollen. Aber auch die japanischen Akustiker von Nagata Acoustics müssen mit der Bauleistung von Hochtief hinsichtlich des Konzertsaals vollständig zufrieden sein, ehe die Stadt den vollen Betrag bezahlt.

Bald war klar, dass es mit dem Vertragsschluss Montagnacht nichts mehr werden würde. Um 4.30 Uhr ging man auseinander. Mit erheblichen politischen Folgen: Denn eigentlich wollte der Senat am nächsten Morgen die Vereinbarung absegnen und an die Bürgerschaft weiterleiten. Nun würde sich alles mindestens um eine Woche verzögern. Auch wenn die Sektflaschen in den ReGe-Büros am Dienstagabend um 23.30 Uhr dann doch noch geöffnet werden konnten, weil alle Verträge unterzeichnet waren: Die Opposition in der Bürgerschaft war auf Zinne, und es kam im Haushaltsausschuss zum Eklat.

CDU, Grüne, FDP und Linke wetterten gegen die offensichtlich zu kurze Beratungsphase für das komplexe Vertragswerk und waren nicht bereit, sich mit der allein regierenden SPD auf einen Zeitplan zu verständigen. In den Verträgen mit Hochtief steht, dass die Bürgerschaft bis zum 30. Juni zugestimmt haben muss.

Mehrfach hatte der Senat seine Zusagen jedoch nicht eingehalten. So hätten die Verträge dem Parlament eigentlich schon Ende Februar vorgelegt werden sollen. Und die Opposition drängt auf die Bereitstellung der Elbphilharmonie-Akten, um zu klären, warum die Stadt sich dafür entschieden hat, trotz allen Zwists und des langen Baustopps mit Hochtief weiterzumachen.

Die Stimmung war so brenzlig, dass auf Vermittlung von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel ein eilig anberaumtes Treffen der vier Oppositionsspitzen mit Bürgermeister Olaf Scholz zustande kam. Das eineinhalbstündige Gespräch im historischen Bürgermeisteramtszimmer am späten Donnerstag verlief eher frostig. Keine lauten Töne, mehr "Florettfechten in Moll", wie einer der Teilnehmer sagte. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich, FDP-Pendant Katja Suding sowie die Fraktionsvize Anja Hajduk (Grüne) und Norbert Hackbusch (Linke) nahmen Scholz auch übel, dass sie von der erneuten Verschiebung der Vertragsunterzeichnung aus den Medien erfahren hatten. "Es gab kein Wort des Bedauerns bei Scholz", so einer aus der Runde.

Die Idee der SPD, die abschließende Beschlussfassung der Bürgerschaft auf eine Sondersitzung Mitte/ Ende Juni, also in die Sommerferien zu legen, traf nicht auf Gegenliebe. Als recht gönnerhaft empfanden die Oppositionschefs den Hinweis von Scholz, es werde vom Senat "Lesehinweise" für das Studium der Verträge geben, was die Beratungszeit verkürzen könnte. "Unsere Aufgabe ist es nicht, dem Senat zu vertrauen, sondern ihn zu kontrollieren", sagt ein konsternierter Oppositioneller.