Petersen und seine Partei hatten es nie einfach miteinander. Nie zeigte sich das deutlicher, als beim berühmten “Stimmenklau“ 2007.

Dass der Mann seinen eigenen Kopf hat, wissen die Sozialdemokraten seit Langem: Mathias Petersen, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und Arzt, stimmte 2007 im Gegensatz zur übergroßen Mehrheit seiner Parteifreunde gegen den Bau der Elbphilharmonie, weil der aus Steuergeldern finanziert wird. Er ist für die Stadtbahn, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vehement ablehnt. Und er stimmte als einziger Sozialdemokrat 2009 in der Bürgerschaft gegen die Fraktionslinie für die schwarz-grüne Schulreform.

Mathias Petersen und seine Partei hatten es nie einfach miteinander. Nie zeigte sich das jedoch deutlicher, als beim berühmten "Stimmenklau" 2007. Damals verschwanden rund 1000 Stimmzettel der Mitgliederbefragung zur Bürgermeisterkandidatur 2008. Petersen, der Parteichef, lag uneinholbar vorn, aber der Landesvorstand annullierte die Wahl wegen der fehlenden Stimmzettel. Petersen trat als Parteichef zurück, und die SPD verfiel in heftige Grabenkämpfe. Michael Neumann, heute Innensenator, sprach von einer "blutenden, spritzenden Wunde".

Erst Scholz gelang es 2010, die Wogen zu glätten, indem er öffentlich einräumte, dass Petersen "übel mitgespielt" worden sei, weil er von den eigenen Parteifreunden um die Spitzenkandidatur gebracht worden war. Das war ein Versuch der Wiedergutmachung. Und der Arzt aus Altona spielte mit, begnügte sich fortan mit seiner Rolle als Bürgerschaftsabgeordneter und verzichtete auf jedes Parteiamt.

Bis zu dieser Woche: Am Dienstag nominierte ihn der Altonaer SPD-Kreisvorstand für den Posten des Kreisvorsitzenden. Wenn Petersen gewählt wird, woran kein Zweifel besteht, dann rückt er wieder in den inneren Machtzirkel auf. Im Landesvorstand trifft er auf Parteifreunde, mit denen er einst heftig verfeindet war. Johannes Kahrs, der Chef der SPD Mitte, war erst Befürworter von Petersens Spitzenkandidatur und sorgte dann maßgeblich dafür, dass es eine Gegenkandidatur gab. Im Landesvorstand sitzt auch Schulsenator Ties Rabe, Vorsitzender der Bergedorfer SPD. Als Parteichef trennte sich Petersen Knall auf Fall von Rabe, der damals Landesgeschäftsführer war.

"Mathias Petersen wird eine Bereicherung im Landesvorstand sein", sagt ausgerechnet sein einstiger Widersacher Kahrs. Viele hätten "die Geschichte von damals inzwischen verarbeitet". Auch Parteichef und Bürgermeister Scholz, der selbst aus der Altonaer SPD kommt, freute sich und sprach von einer "guten Wahl". Das klingt nach Normalität, vielleicht etwas angestrengt.

Doch auf Petersen warten erst einmal Probleme vor Ort: Die Lage, die er in seinem Sprengel vorfindet, ist, gelinde gesagt, nicht einfach. Am späten Donnerstagabend sprach sich die SPD-Bezirksfraktion mit deutlicher Mehrheit für ihren Vorsitzenden Thomas Adrian als künftigen Bezirksamtsleiter aus. Zu dumm nur, dass der Koalitionspartner von den Grünen Adrian schon abgelehnt hat. Man darf Petersen zutrauen, dass er sich für den SPD-Mann, mit dem er gut bekannt ist, in den Verhandlungen massiv einsetzt. Fraglich ist, ob er es letztlich auf einen Bruch des Bündnisses mit den Grünen ankommen lassen wird. Das würde unmittelbar zu einem internen Konflikt führen: Im Rathaus und der Landes-SPD besteht starkes Interesse am Bestehen der Koalition. Schon einmal versuchte SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Andreas Dressel zu vermitteln - vergeblich.

Trotz aller Unberechenbarkeit Petersens gibt es die Hoffnung in der Parteispitze, dass er mit seiner Bekanntheit der Altonaer SPD wieder ein Gesicht und mehr Gewicht geben kann. Der Kreisverband des legendären Bürgermeisters Max Brauer und des aktuellen Senatspräsidenten Scholz hat in den zurückliegenden Jahren sehr an Einfluss verloren. Nicht nur die andauernden Hakeleien mit den Grünen sprechen für eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der Altonaer Genossen.

Mit Matthias Bartke geht ein weithin unbekannter Direktkandidat in das immer knappe Rennen um den Bundestags-Wahlkreis Altona/Elbvororte. Manche lasten der bisherigen Kreischefin Melanie Schlotzhauer an, dass es nicht gelungen ist, mit der Bundestagsabgeordneten und stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Aydan Özoguz ein prominentes Schwergewicht zu einer Kandidatur in Altona zu bewegen.

Ganz ungetrübt ist das Verhältnis Petersens zu Bartke nicht. Der künftige Kreischef hatte sich für Bartkes Gegenkandidaten Mark Classen ausgesprochen. Trotzdem begrüßte auch Bartke Petersens Nominierung überschwänglich. Er sei nach Scholz "der bekannteste Altonaer Politiker" und werde im Wahlkampf "eine tragende Stütze" sein.

Jeder Erfolg in Altona - ob Bundestagswahl oder Bezirksamtsleiter-Kür - wird Petersens Einfluss auf Landesebene stärken. Eine spannende Frage ist, wann sich sein Widerspruchsgeist regen wird. Da ist etwa die Sache mit der Elbphilharmonie: Wohl noch vor der Sommerpause wird die Bürgerschaft über die erneuten Mehrkosten von 198 Millionen Euro entscheiden. Petersen, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, wird sich den von Scholz ausgehandelten Vertrag mit dem Baukonzern Hochtief sicher sehr genau ansehen. Im Grundsatz ist er nach wie vor gegen jede Steuerfinanzierung. Und bislang hat er noch keinem Vertrag zugestimmt...