Frank Schira fällt bei der Aufstellung der Liste für den Bundestag doppelt durch. Marcus Weinberg auf Platz eins

Hamburg. Das Ansinnen war ehrenwert, aber zum Scheitern verurteilt. Eine "weitestgehend harmonische" Versammlung wünsche er, sagte Marcus Weinberg. Dabei war auch dem Hamburger CDU-Chef klar, dass die Harmonie in den folgenden Stunden an Grenzen stoßen würde. Und so kam es auch.

Bei der Aufstellung der CDU-Landesliste für die Bundestagswahl wurden alte Rechnungen beglichen, es wurde genüsslich in Wunden gebohrt und neue aufgerissen. Im Mittelpunkt stand dabei der frühere Partei- und Fraktionschef Frank Schira, dem die Delegierten das Berlin-Ticket verwährten und so eine bittere Lektion erteilten. Dass Weinberg das im Anschluss als "Beweis unserer Lebendigkeit" deutete und betonte, man habe "im Respekt miteinander" gerungen, war wohl der Hoffnung geschuldet, dass nun die von ihm geforderte "Geschlossenheit" einkehren möge. Dirk Fischer, einer der Hauptakteure der denkwürdigen Veranstaltung im Hotel Radisson, brachte es stimmiger auf den Punkt: "Die innerparteilichen Waffen müssen jetzt ruhen!"

Dabei waren diese "Waffen" nur zögerlich gezogen worden. Parteichef Weinberg hatte zunächst engagiert für den Vorschlag des 17er-Wahlausschusses der Partei geworben. "Es sind keine Männer mit schwarzen Sonnenbrillen und hochgeschlagenen Mantelkragen, die da irgendwo am Leinpfad im Keller irgendwelche Listen ausschachern", sagte er über das Gremium aus Parteivorstand, Vertretern aus den sieben Kreisverbänden sowie aus fünf Partei-Organisationen wie der Jungen Union und der Frauen-Union, das der Partei traditionell einen Vorschlag unterbreitet. Sein Stellvertreter Rüdiger Kruse sprach gar vom Votum der "Basis", das man respektieren solle.

Tatsächlich folgte die Partei dem "17er" auch zunächst. Weinberg, 45, der seit 2005 im Bundestag sitzt, wurde mit guten 85,6 Prozent Zustimmung auf Platz eins der Kandidatenliste gesetzt. Auch Kruse, 51, seit 2009 im Bundestag, erhielt auf Platz zwei ordentliche 81,9 Prozent. Doch ab Platz drei kam dann Unruhe auf. Vom 17er-Ausschuss vorgeschlagen war Ex-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (64). Die Wilhelmsburgerin galt eigentlich als Glücksfall, weil mit ihr wenigstens eine Frau an der Spitze der Liste platziert werden konnte, noch dazu eine fachlich anerkannte.

Doch sie bekam Gegenwind, ausgerechnet von einer anderen Frau: Petra Raßfeld-Wilske. Die 43 Jahre alte Anwältin verwies mit Blick auf Gundelach spitz darauf, dass Mandate "keine Belohnung für bisher geleistete Arbeit" sein dürften. Sie als dreifache Mutter stehe hingegen für andere Themen wie "Eigenverantwortung und Zukunft". Der etwas spröde Vortrag überzeugte nicht. Gundelach setzte sich mit 131 zu 40 Stimmen klar durch.

Das war aber nur der Auftakt zum großen Showdown um die Plätze vier und fünf, für die Schira und Fischer vorgeschlagen waren - wobei wichtig ist, dass Rang vier gute Chancen auf das Ticket nach Berlin eingeräumt werden, während fünf nur als Nachrücker-Platz gilt. Wie angekündigt, trat Fischer daher schon auf Rang vier gegen Schira an - und gewann klar. 115 von 173 abgegebenen Stimmen (66,5 Prozent) entfielen auf ihn, nur 57 auf Schira, eine war ungültig - groß war darauf das Gejohle im Saal 4 des Radisson. Der 69 Jahre alte Fischer, der seit 1980 im Bundestag sitzt, rang sichtbar um Fassung. "Wir müssen das verkraften, und wir werden das verkraften", rief er dem wie versteinert wirkenden Schira zu.

Doch für den 48-Jährigen kam es noch schlimmer. Der Chef des mit Abstand größten CDU-Kreisverbands Wandsbek wollte sich wenigstens Platz fünf sichern, scheiterte jedoch auch dort - an Jürgen Klimke. Der 64 Jahre alte bisherige Wandsbeker Bundestagsabgeordnete setzte sich mit 97 Stimmen überraschend gleich im ersten Wahlgang gegen Schira (65 Stimmen) und die erneut angetretene Petra Raßfeld-Wilske (acht) durch.

Klimke hatte zuvor vergeblich versucht, Schira das Direktmandat im Wahlkreis Wandsbek streitig zu machen - und nahm diesen Konflikt nun wieder auf. Hatte Schira damals in seiner Vorstellung gesagt, er habe leider keine Kinder, "aber einen kleinen Hund", betonte Klimke nun in seiner Bewerbung, er habe "vier Kinder - und einen Hund!" Nach seinem Erfolg richtete er ein tröstend gemeintes "Kopf hoch" an den Unterlegenen - es wirkte wie eine Demütigung.

Schira war CDU-Fraktionschef zu Zeiten des schwarz-grünen Senats (2008 bis 2011), und von 2010 bis 2011 auch Parteichef. Viele CDU-Mitglieder vertraten die Auffassung, dass er zu wenig Verantwortung für die verlorene Wahl 2011 übernommen habe, und wollten daher verhindern, dass er mit einem attraktiven Bundestagsmandat "abgefunden" wird. Schira ist seit dem Regierungswechsel zur SPD Vizepräsident der Bürgerschaft und erhält zum Beispiel höhere Diäten als der damalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus, der nur einfacher Abgeordneter ist.

Angelastet wurde Schira auch, dass bei der Aufstellung der Direktkandidaten in Wandsbek seine Konkurrenten nicht zu Veranstaltungen eingeladen waren und er sich lange gegen eine zentrale Vorstellung gewehrt hatte.

Als Ende seiner politischen Ambitionen wollte Schira die Niederlagen gegen Fischer und Klimke aber nicht werten. Er werde 2014 wieder für den Wandsbeker Kreisvorsitz kandidieren, kündigte der 48-Jährige an und verzichtete dann auf weitere Analysen. "Natürlich bin ich enttäuscht", sagte Schira. "Es gibt gute und schlechte Zeiten, und das ist jetzt eine schlechte Zeit für mich."