Hamburgs Christdemokraten haben sich nach dem Machtverlust noch nicht berappelt

Es ist ein wiederkehrendes Phänomen in der Politik, dass Parteien nach einer Wahlniederlage in ein tiefes Tal der Tränen fallen. Macht und Aufmerksamkeit sind futsch, Mandate und ordentlich dotierte Posten auch, unter dem Deckel gehaltene Konflikte brechen auf, alte Rechnungen werden beglichen. Diese Phase dauert in der Regel einige Jahre, manchmal aber auch mehrere Wahlperioden.

Die Hamburger CDU, das hat sie am Wochenende eindrücklich bewiesen, befindet sich noch mitten in diesem tiefen Tal. Als Indiz für den schlechten Zustand der einstigen Regierungspartei soll aber nicht die Tatsache gelten, dass sich zum Teil mehrere Personen um Plätze auf der Bundestagsliste beworben haben. Das sollte Normalität sein, ebenso wie fehlende Konkurrenz nicht unbedingt auf Kadavergehorsam schließen lässt.

Entscheidend für die Frage, ob es sich nur um "normale" Konflikte handelt oder doch um mehr, ist, inwiefern sie nach außen getragen oder gar in der Öffentlichkeit zelebriert werden. Und in diesem Punkt ist die CDU in Hamburg derzeit führend - ganz im Gegensatz zu den Umfragen, in denen sie mit nur 23 Prozent hoffnungslos hinter der Scholz-SPD mit mehr als 50 Prozent liegt. Oder anders gesagt: Die Umfragewerte der CDU entsprechen ihrem Zustand. Da gibt es Gräben zwischen den Kreisverbänden und innerhalb der Kreise - wie in Wandsbek -, da gibt es auf der Führungsebene massive persönliche Animositäten, von sturköpfigen "Stalinisten" ist die Rede, und um die wenigen Fleischtöpfe wird mit allen Tricks gekämpft.

Doch woran liegt das? Der erste Grund reicht zurück in die Zeiten des mächtigen Jürgen Echternach. Der hatte in fast 20 Jahren als Parteichef die Klüngelstrukturen derart perfektioniert, dass sogar eine Bürgerschaftswahl wiederholt werden musste, weil das Verfassungsgericht die Kandidatenaufstellung in der CDU als undemokratisch gerügt hatte. Später, in der Ära Ole von Beusts, wurde Kritik unter dem Deckel gehalten, um den beliebten Bürgermeister nicht zu gefährden. Im Prinzip hat die Partei es nie wirklich gelernt, Konflikte fair und offen auszutragen. Umso bemerkens- und lobenswerter war es, dass sie nach dem Machtverlust 2011 bewusst im Rahmen einer Mitgliederbefragung einen neuen Parteichef suchte.

Der zweite Grund war der Machtverlust 2011. Gut dotierte Posten waren im Dutzend perdu, von der Politik gut leben können heute nur noch der Fraktionschef und die vier Bundestagsabgeordneten. Das Gerangel unter 9000 Parteimitgliedern trägt daher mitunter existenzielle Züge.

Der dritte Grund ist das fehlende personelle Großreinemachen. Zwar gab Partei- und Fraktionschef Frank Schira 2011 seine Ämter schnell an Dietrich Wersich (Fraktion) und Marcus Weinberg (Partei) ab. Aber dass er ebenso wie der abgewählte Bürgermeister Christoph Ahlhaus ein Comeback im Bundestag geplant hatte, kam nicht gut an - Ahlhaus wurde durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gestoppt, hinter denen er selbst einen "Parteifreund" vermutete, und Schira wurde nun auf offener Bühne gedemütigt. Zwar waren die Delegierten schlau genug, nicht auch noch Parteichef Weinberg anzuzählen, aber dass sein Listenvorschlag abgeschmettert wurde, muss ihm zu denken geben. Auch Wersich dürfte es noch zu spüren bekommen, dass er offen Partei gegen Schira bezogen hat. Die Konflikte bleiben also alle bestehen, und das Führungsduo ist nicht gestärkt - willkommen im Tal der CDU.

Mahnung und Trost liefert das Beispiel SPD: Sie benötigte nach dem Machtverlust 2001 sogar acht Jahre, um sich zu berappeln. Doch als Olaf Scholz mit harter Hand das Ruder übernahm, Ole von Beust abtrat und Schwarz-Grün zerbrach, drehte sich - innerhalb von nur gut einem Jahr - alles. Allerdings ist bei der CDU kein Scholz in Sicht. Trübe Aussichten.