Am Montag sind die Chefs Hamburger Gewerkschaften zu Gast bei Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Das Treffen hat aus aktuellen Gründen an Brisanz gewonnen.

Hamburg. Einem Sprichwort zufolge ist Reden Silber, Schweigen hingegen Gold. Im wirklichen Leben ist Reden aber mitunter ganz hilfreich. Zum Beispiel, wenn zwei sich permanent missverstehen, wenn einer den anderen bewusst fehlinterpretiert oder aber, wenn einer sich so verhält, dass der andere ihn eigentlich nur falsch verstehen kann.

In diesem Sinn findet am Montag im Rathaus ein wichtiges Gespräch statt. An dem Tag sind die Chefs Hamburger Gewerkschaften zu Gast bei Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass die Arbeitnehmervertreter und der Landesvorsitzende der einstigen Arbeiter-Partei SPD - das ist Scholz schließlich auch - sich regelmäßig austauschen. Auch dieses Treffen war lange im Voraus terminiert. Allerdings hat es aus aktuellen Gründen an Brisanz gewonnen, und das hat eben auch mit einem möglichen Missverständnis zu tun.

Am vorigen Wochenende endeten die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Bundesländer in Potsdam mit einem respektablen Erfolg für die Gewerkschaften: 5,6 Prozent mehr Lohn soll es insgesamt geben - 2,65 Prozent Zuschlag 2013 und 2,95 im Jahr 2014. Weil der Hamburger Senat aber nur 1,5 Prozent Tarifsteigerung pro Jahr im Haushalt eingeplant hat, klafft dort nun eine Lücke von rund 140 Millionen Euro für beide Jahre. Ratlosigkeit löste das bei Bürgermeister Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher aber nicht aus, denn sie hatten immer wieder erklärt, wie sie in so einer Situation verfahren würden: Steigen die Personalkosten stärker als die geplanten 1,5 Prozent, müsse das halt durch Personalabbau finanziert werden - und zwar über die 250 Stellen hinaus, die ohnehin pro Jahr abgebaut werden sollen.

In Arbeitnehmerkreisen hielten sich daher die Feierlichkeiten über den Abschluss in Grenzen, stattdessen wurden schon am Montag Giftpfeile in Richtung Rathaus abgeschossen: "Die systematische Bestrafungspolitik ist völlig inakzeptabel", zürnte Wolfgang Abel, der Landeschef der Gewerkschaft Ver.di., und forderte, die 1,5-Prozent-Regel fallen zu lassen. Andernfalls seien 1536 Stellen bedroht, rechnete Abel vor und schloss schon "betriebliche Auseinandersetzungen" nicht aus.

Auch DGB-Chef Uwe Grund kann der Personalpolitik des Senats wenig abgewinnen. "Den geplanten Stellenabbau betrachten wir nach wie vor als eine Provokation", hatte er erst kürzlich klargestellt - bemerkenswert für einen Sozialdemokraten, der selbst mal SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft war.

Noch bemerkenswerter war aber, dass der Senat sich am Dienstag von der bisherigen Linie distanzierte. "Diese Mehrausgaben müssen nicht durch Personalabbau gegenfinanziert werden", stellte der Senatssprecher klar. Im Übrigen, so betonten es mehrere Stellen im Regierungslager, habe man ja nie so klar von einem Automatismus gesprochen, wonach höhere Personalkosten zwingend einen höheren Personalabbau nach sich ziehen müssten.

Exakt so hatten es aber die Beschäftigten selbst, die Gewerkschaften und die Öffentlichkeit verstanden - etwa, wenn Scholz mit Blick auf mögliche Tarifabschlüsse davon sprach, dass auch "viel mehr" als die ohnehin geplanten 250 Stellen abgebaut werden könnten. Oder wenn der Finanzsenator betonte, jede ungeplante Tarifsteigerung "erfordert eine größere Personalreduktion als ohnehin geplant". Wenn das nicht so verstanden werden sollte, wie es verstanden wurde, stellt sich die Frage, warum der Senat diesem Eindruck zwei Jahre lang nicht entgegengetreten ist?

Als wahrscheinlich darf gelten, dass Scholz die Rolle des eisernen Haushaltssanierers gefällt, dessen Sparwille auch vor der sozialdemokratisch sozialisierten Hamburger Verwaltung nicht haltmacht - das kommt in der Bevölkerung und speziell in der Wirtschaft, die ihn mit ins Bürgermeisteramt getragen hat, gut an. Und so berichten Gewerkschafter auch, dass Scholz in Gesprächen seine Linie stets bestätigt habe. An eine Kehrtwende des Senats mögen sie daher noch nicht recht glauben.

Auch Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan sprach davon, Scholz werfe nur "Nebelkerzen, um die Gemüter zu beruhigen". Wenn nicht am Personal gespart werde, wo denn dann? Eine gute Frage angesichts der Tatsache, dass viele Behörden mehr als 80 Prozent ihres Budgets für ihre Mitarbeiter ausgeben.

Doch es gibt auch eine andere Sicht. So tobte diese Woche ein erbitterter Streit zwischen dem Senat und der CDU-Fraktion darüber, ob 2012 wirklich 250 Stellen in der Verwaltung abgebaut wurden. Letztlich räumte die Senatskanzlei ein, dass es genau genommen nur 190 waren. Ein Gedanke von CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich drängte sich daher auf: "Wenn der Senat schon Probleme hat, 250 Stellen abzubauen, wie will er dann auch noch diesen Tarifabschluss durch Personalabbau finanzieren?" Auch eine gute Frage.

Mögliche Antworten kursieren im Regierungslager bereits. Die einen sehen durchaus noch finanziellen Spielraum in den Behörden, andere schielen bereits auf Reservetöpfe in der Finanzbehörde. Nur eines wird kategorisch ausgeschlossen: dass die Ausgaben erhöht werden, zum Beispiel durch mehr Schulden. Für alle, die sich über derartige Härte beschweren, hat der Bürgermeister einen Standardspruch parat: "Willkommen in der Wirklichkeit!"